Firmenzentrale in Schweinfurt
Der Ruhepol des Schweinfurter Hafens: Neubau für einen Altmetallhändler von Schlicht Lamprecht Architekten
Text: Fuchs, Claudia, München
-
Stahl – als Recyclingmaterial und als hochwertige Fassade.
Foto: Stefan Meyer
Stahl – als Recyclingmaterial und als hochwertige Fassade.
Foto: Stefan Meyer
-
Gestanzte Öffnungen, Ornamentfugen und verschiedene Plattengrößen gliedern die Fassade.
Foto: Stefan Meyer
Gestanzte Öffnungen, Ornamentfugen und verschiedene Plattengrößen gliedern die Fassade.
Foto: Stefan Meyer
-
Außen robust, dahinter diffenziert mit hochwertigen Materialien: Lärchenholz an der Patiowand, Muschelkalkboden, raumhohe Lärmschutzverglasung.
Foto: Stefan Meyer
Außen robust, dahinter diffenziert mit hochwertigen Materialien: Lärchenholz an der Patiowand, Muschelkalkboden, raumhohe Lärmschutzverglasung.
Foto: Stefan Meyer
-
Der Innenhof verbindet die Büroräume visuell mit dem Bereich für die Fahrer.
Foto: Stefan Meyer
Der Innenhof verbindet die Büroräume visuell mit dem Bereich für die Fahrer.
Foto: Stefan Meyer
-
Die Treppe zu den Büros liegt geschützt im rückwärtigen Teil des Empfangs.
Foto: Stefan Meyer
Die Treppe zu den Büros liegt geschützt im rückwärtigen Teil des Empfangs.
Foto: Stefan Meyer
Ein architektonisches Statement, dort, wo man es nicht vermutet – zwischen Lagerhallen, Autobahn und Hafenbecken auf dem Gelände eines Altmetallhändlers im Gewerbegebiet am Südrand von Schweinfurt. Schwerlastverkehr rangiert im Betriebshof, LKWs kippen Metallschrott ab. Am Rand türmt sich Altmetall zu meterhohen Halden. Einige hundert Tonnen Stahl- und Metallschrott werden hier täglich angenommen, sortiert, zu Blöcken gepresst und wieder für Stahlwerke und Gießereien verladen. Inmitten dieser lauten und staubigen Arbeitswelt, umgeben von Bergen bizarr geformter Allmetallreste liegt wie ein Ruhepol ein rostrotes Gebäude, das vergleichsweise klein erscheint. Der Quader strahlt mit seiner Cortenstahl-Hülle eine unerschütterliche Robustheit aus. Zugleich nimmt das Material Bezug zum Arbeitsfeld des Familienunternehmens, das seit Jahrzehnten an diesem Standort tätig ist. Es erscheint naheliegend, dass die Architekten den natürlich rostenden Cortenstahl einsetzen, doch sie entwickeln aus dem spröden Material eine kraftvolle und gleichzeitig elegante Hülle – teils massiv als schützender Panzer, teils durchlässig als ornamentaler Screen. In zwei Varianten verkleiden die Platten den 20 x 25 Meter großen Baukörper, als plane Tafeln und als gelochte Elemente, die teilweise den großen Glasflächen vorgeblendet sind und auch einen Innenhof verbergen, der in das Gebäude eingeschnitten ist und erst aus der Nähe erkennbar wird.
Anstelle des ungenügend belichteten und gedämmten Vorgängergebäudes aus den 1960er Jahren hatten sich die Unternehmer ein neues Betriebsgebäude gewünscht, in dem in Ruhe gearbeitet, organisiert und kommuniziert werden kann. Sie entschlossen sich – bei Gewerbebauten noch immer die Ausnahme –, den Neubau mit Architekten zu realisieren, und beauftragten Stefan Schlicht und Christoph Lamprecht, die seit fünf Jahren ihr eigenes Büro in Schweinfurt führen und mit Wohn- und öffentlichen Bauten sowie kleinen, feinen Vinotheken auf sich aufmerksam machen. Das Raumprogramm mit Lager- und Technikräumen, Büros, Empfang sowie Aufenthaltsbereichen, Umkleiden und Duschen kombinierten die Architekten zu einem kompakten, im Inneren räumlich vielgestaltigen Baukörper. Unerwartet öffnet sich hinter der Stahlhülle der begrünte Innenhof, dessen Wirkung als Oase im Kontrast zur lauten Maschinenwelt stärker kaum sein könnte. Der Hof ist das Herzstück, er belichtet die zu ihm orientierten Räume und wird für Pausen genutzt. Mit der Fassadenbekleidung aus Lärchenholzlamellen und einer Miniaturkiefer im weißen Kieselbelag entfaltet er eine kontemplative, beinahe fernöstliche Stimmung.
Hinter der Stahlhülle öffnet sich das Innere mit großzügigen Raumfolgen und Durchblicken. Im Erdgeschoss sind Empfang, Wartezone und Büros zueinander offen, gegliedert von dem von den Architekten entworfenen Thekenmöbel. Eine einläufige Treppe führt zu den Büros der Inhaber im ersten Geschoss und dem darüber liegenden Besprechungsraum. Dieser wirkt mit raumhohen Verglasungen wie ein Pavillon und bietet den Blick über den Betriebshof. Als äußere Hülle filtern die gelochten Platten Ein- und Ausblicke und beleben den Raum durch Schattenmuster. Erstaunlich, dass man die schweren Maschinen im Hof arbeiten sieht, sie aber kaum hört. Ein sehr guter Lärmschutz war eine wesentliche Forderung der Bauherren, die Glaselemente sind in hoher Schallschutzklasse ausgeführt.
Großen Wert legten Bauherren und Architekten auf langlebige Materialien und subtile Finessen. Die Tafeln aus 3 mm starkem Stahlblech erzeugen mit unterschiedlichen Plattengrößen ein differenziertes Fassadenbild. Dabei wirken die Ornamentfugen wie gezeichnete Umrisslinien der Glaselemente. Sie sind von mit Leinöl eingelassenem Stahlblech hinterlegt, um den Vorgang des Rostens hier zu verlangsamen. Bei den gelochten Stahlplatten bemerkt man erst auf den zweiten Blick, dass vier kleine Zacken in den kreisförmigen Ausschnitt ragen. Die Form ist abgeleitet von den Stanzresten in der angrenzenden Lagerhalle, die an einen künstlerischen Materialfundus erinnern. Die Architekten entwickelten mehrere Varianten, von orientalisch anmutenden Strukturen zum runden, mit dem Fassadenraster korrespondierenden Motiv. Im Kontrast zur Stahlhülle sind die Innenhofwände von warmen Materialien geprägt: Die 140 mm breiten, unbehandelten Lärchenholzbretter sind um 45 Grad gedreht vor der schwarzen Fassadenmembran angeordnet. Sie bilden eine Lamellenwand, die sich mit jedem Schritt scheinbar mehr und mehr öffnet. Die Lamellen sind geschossweise versetzt; an der Deckenstirnverkleidung werden beide Lamellen aneinander vorbeigeführt und bilden so eine doppelt dichte Struktur.
Die Unternehmerfamilie ist stolz auf ihr Firmengebäude und identifiziert sich stark damit, auch wenn eine „Corporate Architecture“ zunächst gar nicht im Vordergrund stand. Sie wünschte sich ein solides, funktionales Gebäude mit angenehmer Arbeitsatmosphäre. Die Architekten entwickelten in enger Zusammenarbeit ein ausdrucksstarkes Gebäude, das bis ins Detail durchgestaltet ist. Als gebaute Visitenkarte steht es für das Arbeitsfeld und das Selbstverständnis des Unternehmens.
x
Bauwelt Newsletter
Immer freitags erscheint der Bauwelt-Newsletter mit dem Wichtigsten der Woche: Lesen Sie, worum es in der neuen Ausgabe geht. Außerdem:
- » aktuelle Stellenangebote
- » exklusive Online-Beiträge, Interviews und Bildstrecken
- » Wettbewerbsauslobungen
- » Termine
- » Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und jederzeit wieder kündbar.
Beispiele, Hinweise: Datenschutz, Analyse, Widerruf
0 Kommentare