Bauwelt

Geoparken



Text: Mosebach, Gerrit, Oslo


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Gerrit Mosebach sieht in Stavanger neue Recycling-Strategien am Werk: Aus dem Abfall der Petrowirtschaft entstand ein urbaner Vergnügungspark, der den Nutzern ganz nebenbei die Bedingungen des heuti­gen norwegischen Reichtums erklärt.
Das erste Mal wurde ich auf den „Geopark“ in einer Ausstellung im norwegischen Design- und Architekturzentrum in Oslo im Jahr 2006 aufmerksam. Der Beitrag des norwegischen Architekturbüros Helen & Hard fiel auf. Riesige Nordsee-Bojen in knalligem Orange waren zu gemütlichen Kissenlandschaften arrangiert, rostige Rohrsysteme und Elemente aus der Ölindustrie zu Blumentöpfen, Möbeln und anderen Gebrauchs­gegenständen transformiert und das Ganze zu einer zusammenhängenden „Landschaft“ komponiert. Die Zeichnungen zeigten, wie die Verfahren vom Ölerkunden und -bohren in einen Gestaltungs- und Bürgerbeteiligungsprozess für einen öffentlichen Park übersetzt werden könnten. Und wie dabei Verfahren und Technologien aus der Ölindustrie und Tiefseegeologie in ihre Bestandteile zerlegt und neu interpretiert werden. Wie aber würde die Bevölkerung auf solch ein Experiment reagieren?
Vor 40 Jahren war Norwegen eines der ärmsten Länder Europas, dessen Haupteinnahmequellen die Schifferei und der Export von Fisch waren. Heute ist Norwegen, gemessen am BIP pro Kopf, das reichste Land mit dem höchsten Lebensstandard der Erde. Seit der Entdeckung des Nordseeöls 1969 hat sich das Land in kürzester Zeit zu einer der progressivsten und technisch innovativsten Petroleumsnationen verwandelt. Doch tief im kollektiven Selbstbild der Norweger ist ihr Land nach wie vor das der Fjorde, Berge und der unberührten Natur. Eine im Erdölüberfluss aufgewachsene Generation ist zu wenig, um dieses Selbstbild zu verändern. Die Petroindustrie steht zwar spürbar hinter dem wachsenden Wohlstand, doch sie bleibt ein schwarzer Fleck im kollektiven Nationalbild. 
Diesen schwarzen Fleck haben die Architek­ten Helen & Hard im „Geopark“ in Stavanger aufgegriffen und konzeptualisiert. Im Laufe ei­nes breit angelegten Beteiligungsprozesses entstand eine komplexe Erlebnis- und Aktivitätswelt für Kinder und Jugendliche.
Eine künstliche Landschaft, die die Unterwassertopographie des Troll-Ölfeldes im Maßstab 1:500 darstellt, wurde in Schichten mit verschiedenen Oberflächen und Funktionen aufgebaut. Darauf entstand eine Landschaft aus Elementen von Deponien der Ölindustrie und der abgebauten Plattform „Frigg“. Diese Elemente werden normalerweise entsorgt. Hier sind sie im städtischen Kontext recycelt und neu programmiert worden und erhalten eine über-raschend urbane Präsenz und eine neue ästheti­sche Dimension: Riesige Bojen werden zum Bühnendach, recycelte Stahlrohre simulieren das Öl- und Gasreservoir „Troll“ und dienen als Skate-Park. Ein großes Teil einer Ventilationsanlage wurde zum Open-Air-Kino, ein „protection-cover“, ursprünglich für den Schutz teurer Ausrüstung am Meeresgrund genutzt, zum Café.
Das Interesse für den Geopark und sein Erfolg sind größer als erwartet. Die Stategie des von den Architekten selbst initiierten Projekts ist aufgegangen: Abfallprodukte der Ölindustrie werden zu Stadtmöbeln mit einer neuartigen haptischen Präsenz und bringen gleichzeitig die Petrowirtschaft ins Bewusstsein. Und durch pro­zesshafte Vorgehensweise und gezielte Bürgerbeteiligung ist der Park in der Bevölkerung sehr gut verankert. Zurzeit setzen sich Politiker und Nutzer dafür ein, dass der ursprünglich als temporär geplante Park, permanent wird.



Fakten
Architekten Helen & Hard, Stavanger
aus Bauwelt 43.2010
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