Hauptverwaltung von Rambøll
Chinas Fassade in Ørestad
Text: Brensing, Christian, Berlin
Die Architekten Dissing+Weitling haben für das Unternehmen Rambøll in Ørestad Syd ein gläsernes Haus entworfen, das das „Licht Skandinaviens“ einfangen soll. Die Fassade wurde komplett in der Hauptstadt der Mandschurei produziert.
Vor sechs Jahren beschloss die Ingenieurgesellschaft Rambøll ihre neue Hauptverwaltung in die offene Landschaft der Insel Amager zu verlegen, dorthin, wo Kopenhagens neuer Stadtteil Ørestad in der scheinbar endlosen Weite des Horizonts zu versinken scheint. Seit der Gründung 1945 ist Rambøll weltweit auf circa 9.000 Mitarbeiter angewachsen, entbehrte aber lange Zeit einer Zentrale, in der alle Mitarbeiter der Kopenhagener Muttergesellschaft zusammen an einem Ort arbeiten können. Laut Lone Møller Sørensen, der Direktorin und für den Neubau verantwortlichen Projektingenieurin, verfügte nur die Ørestad über den nötigen Platz und die Freiheiten für das Projekt: „Wir wollten ein Gebäude, das gewisse „nordische“ Qualitäten bezüglich des Tageslichts besitzt, daher wünschten wir einen offenen, einladenden und transparenten Bau, der zur Zusammenarbeit inspiriert, von Innen wie von Außen. Darüber hinaus sollte er auch signalisieren, wie innovativ wir an unsere Arbeit herangehen.“
Die Weite der Vorstadt
Das Ergebnis dieses Prozesses ist in vieler Hinsicht ein Bei-spiel dafür, wie heute Konzernarchitektur umgesetzt wird: Als Mieter least Rambøll das Gebäude von dem Investor, der schwedischen SEB Bank. Ein eingeladenes Bewerbungsverfahren – von Investor und Nutzer Hand in Hand durchgeführt – ermittelte 2005 als Gewinner das Büro Dissing+Weitling, die ein Gebäude mit 40.000 Quadratmetern Nutzfläche für 1800 Mitarbeiter entwarfen. Alle ingenieurtechnischen Disziplinen, einschließlich der für die Fassade, waren durch hauseigene Ingenieure abgedeckt, die zusammen mit den Architekten ein Projektbüro in der alten Hauptverwaltung bezogen.
Im Gegensatz zu den bisher genutzten, verwinkelten Bauten, die an unterschiedlichen Standorten über Kopenhagen verteilt waren, verkörpert die neue Zentrale an der Hannemanns Allé das „big Picture“, wie Stig Mikkelsen, Partner und Projektleiter bei Dissing+Weitling es nennt. Statt der innerstädtischen Enge nun die Weite der Vorstadt. Der Grundriss stellt in etwa einen rechten Winkel dar, wobei die Ecke abgerundet ist. Sie weist nach Nord-Westen, wo sich die Verkehrsströme (Auto und Metro) der zentralen Erschließungsachse mit der viel befahrenen Autobahn und der Eisenbahnstrecke kreuzen, die Kopenhagen mit dem Flughafen und der Øresundbrücke nach Schweden verbinden. Der extreme Lärmpegel dieser Kreuzung veranlasste die Architekten zur Wahl einer insgesamt 250 Meter langen und 5000 Quadratmeter großen Doppelfassade. Sie verleiht dem Bau eine durchgehend geschlossene Gestalt. An den Gebäudeenden verliert sich der Blick in den Reflektionen des Himmels auf der spiegelnden Glashaut. Die Rückseite, also die Innenseite des Winkels, ist dagegen rauer. Die Fassade ist mehrfach geknickt und zeigt mit Lochblech-Brüstungen Profil.
Beim Besuch wird immer wieder die Betonung auf das Tageslicht gelegt, das in den fast völlig verglasten Bau einfallen kann. Der Stahlbetonskelettbau ist, bis auf die Kerne im Grundriss, offen und unverbaut. Zwischen die acht und 14 Meter tiefen Büroebenen schiebt sich die so genannte La Rambla, ein zentrales, 80 Meter langes Atrium, das die acht Geschosse über zwei offene Treppenanlagen und umlaufende „Balkone“ miteinander verbindet.
Yuanda, Shenyang
Auf Grund der hohen Gewichtung des Tageslichts kam der Konzeption und Ausführung der Fassaden, insbesondere der Doppelfassade, große Bedeutung zu. Rambøll schlug Dissing+Weitling die Zusammenarbeit mit der chinesischen Firma Yuanda vor, dem nach eigenen Angaben größten Curtain-Wall-Hersteller der Welt. Die Kapazitäten des Unternehmens mit 20.000 Mitarbeitern aus Shenyang, der Hauptstadt der Mandschurei, sollten dem engen Zeit- und vor allem Kostenrahmen gerecht werden. Die detaillierte Vorplanung der Fassade lies berechtigt hoffen, dass dieses Kontinente überspannende Experiment gelingen könnte.
Zur Ausschreibung kam eine Doppelfassade, die ungefähr 800 Elemente im Standardmodul von 1.5 x 3,7 Meter umfasste. Nur die gebogenen Glaselemente über dem Eingang und die abgeschrägten an dem abfallenden First der Gebäudeenden stellen Ausnahmen dar, ansonsten handelt es sich bei der Doppelfassade um Standardanfertigungen: laminiertes Low-E-Glas von 2 x 8 Millimeter für die Innenfassade und gehärtetes 12 Millimeter starkes Einscheibensicherheitsglas (ESG) für die Außenfassade. Die Fassade ist jeweils an den Geschossdecken verschraubt.
Die Architekten übermittelten alle Fassadendetails per Handzeichnung nach China, die dort in rund 800 Ausführungszeichnungen umgesetzt wurden. Zusätzlich mussten die Dänen zwölf Besuche in Shenyang absolvieren, um entsprechende Ergebnisse zu gewährleisten. Dort lernten sie auch die Produktionstechniken und -abläufe der Yuanda Aluminium Industry Engineering Co. Ltd. kennen, die keinen Aufwand scheuten, den westeuropäischen Standard zu übernehmen. Skizzen, die am Abend in Europa versandt wurden, erfuhren über Nacht ihre Umsetzung in eine digitale Planzeichnung. Obwohl das Projekt eines der kleinsten der Firma Yuanda war, wurde ihm besondere Beachtung beigemessen, da es sich in Detaillierung und architektonischem Anspruch von den Standardprojekten auf dem chinesischen Markt deutlich abhob. Durch die fortwährende Kontrolle und Überwachung der chinesischen Partner gab es keinerlei unliebsame Überraschungen. Alle Teile wurden in der Mandschurei getestet, damit die verschifften Elemente problemlos durch die dänische Baufirma installiert werden konnten. Es gab kaum Beanstandungen und nur einen geringen Glasbruch. Lone Møller Sørensen und Stig Mikkelsen fassen das Ergebnis bei meinem Besuch in Ørestad so zusammen: „Das Projekt war eine Herausforderung. Technisch sind die chinesischen Partner sehr gut, aber sie leben eine andere Kultur, wir mussten alle Schritte genaustens festlegen, um die kulturellen Unterschiede auszugleichen – am Ende hat sich aber alle Mühe gelohnt.“
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