Iglesia de la Consolación
Zeitgenössische Kunst und katholische Liturgie
Text: Cohn, David, Barcelona
Die Katholische Kirche in Spanien ist wichtige Auftraggeberin für die Architekten Ignacio Vicens und José Antonio Ramos aus Madrid. Die Verbindung von zeitgenössischer Kunst und katholischer Liturgie war auch bei ihrer fünften Gemeindekirche, der Iglesia de la Consolación in Córdoba, maßgebend für den Entwurf.
Der Architekt Ignacio Vicens hat sich zu einem Experten entwickelt in der – wie er es selbst nennt – schwierigen Kunst, für die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil von 1965 reformierte Messfeier angemessene Bauten zu schaffen. Ähnlich wie die modernisierte Liturgie setzt das Büro Vicens + Ramos bei seinen Kirchenbauten unaufwendige Mittel ein, um die opulente kirchliche Tradition neu zu interpretieren. „Wir interessieren uns für den lebendigen Ritus, nicht für längst abgestorbene Rituale“, so Vicens. Zeitgenössische Kunst in enger Bindung an die katholische Liturgie ist integraler Bestandteil der Entwürfe: Damit das Konzept der beiden Architekten aufgeht, vergeben sie Aufträge an Künstler. Das Einbeziehen zeitgenössischer Kunst in Kirchenbauten hat in Spanien seit den 1950er und 1960er Jahren Tradition, etwa in den Kirchenbauten von Miguel Fisac, José Luis Fernández del Ami oder Javier Cervajal.
Eleganter Industriebau
Die neue Kirche in Córdoba steht nur wenige Blocks vom Bahnhof entfernt in einem erst zwanzig Jahre alten Stadtviertel. Das städtische Grundstück war im Stadtentwicklungsplan für soziale Zwecke ausgezeichnet. Da sie, so Vicens, mit einem außerordentlich kleinen Budget arbeiten mussten, legten die Architekten den Bau als hochwertig-eleganten Industriebau an: Vorgefertigte Betonpaneele verkleiden den schlichten, quaderförmigen Betonrahmen des Hauptraumes, ebenfalls mit Betonpaneelen abgedeckte leichte Stahlträger kamen für den 25 Meter hohen Lichtgaden im Glockenturm zum Einsatz, der die gesamte Breite der Ostfassade über dem Altarraum einnimmt.
Zu den Gottesdiensten werden am westlichen Ende zwei breite Tore aus perforiertem Metall aufgeschoben. Dahinter öffnet sich ein überdachter Hof, analog etwa zum Atrium früher romanischer Kirchen. Die niedrige Decke des Hofs steht im Kontrast zum hohen Kirchenschiff. Eine nackte Betonwand auf der Nordseite nimmt das Tageslicht auf und strahlt es in den Atrium-Vorraum ab. Mit dem für die Region charakteristischen starken indirekten Lichteinfall suggeriert das Atrium eine Art fernöstlichen Asketismus, ergänzt wird das Ambiente durch den Bambus entlang der Seitenwand und den gerade noch über die Kante der Mauer sichtbaren Bergrücken im Norden. Hier entwickelt sich ein Dialog zwischen der Geschlossenheit des Raumes und der Tiefenwirkung in die Ferne. Allerdings wird dieser Blick wohl bald verstellt sein durch eine geplante Bebauung des Nachbarareals. Vom Hof tritt man seitlich in den eigentlichen Kirchenraum ein.
Schwimmer im Schiff
Der karge Innenraum des Schiffs ist ganz in Grau gehalten, mit grauem Granitboden und Kirchenbänken aus grau gestrichenem Holz. Von den Seitenwänden fällt indirektes Licht durch aufgefaltete Paneele aus perforiertem Metall vor Klarglasscheiben. Die Decke aus Gipskarton bildet eine aufsteigende Kurve über dem Raum: Die tief hinuntergezogene Partie im Schiff schwingt sich über dem Altarraum zu den Lichtgaden des Turms hinauf. Von oben scheint natürliches Licht auf die mit Blattgold überzogene Rückwand hinter dem Altar und inszeniert den dramatischen Hintergrund für die Ausstattung des Altarraums: ein an Giacometti erinnerndes Kruzifix des Künstlers Javier Margarit und Javier Martinez’ überdimensionierte, in barockem Gestus über dem Altar schwebende Plastik der Heiligen Jungfrau Maria, die ein Kind tröstet. Altar, Ambo und Priesterstuhl basieren auf einem Entwurf der Architekten; sie wurden von Fernando Pagola als einfache Quader in dunklem Holz ausgeführt.
Im Schiff dominiert die künstlerische Ausgestaltung der Decke. Den Vorentwurf der Architekten haben die Söhne von Ramos, Pablo und Jaime, umgesetzt. Sie malten große, flache Körper als dunkle Silhouetten, die mit weit ausholenden Armen und Beinen durch den Kirchenraum auf den Altar zustreben – wie Schwimmer, die man vom Grund eines Beckens aus betrachtet. Vicens hat für die Deckengrafik eine eigene Erläuterung: „Die Decke enthält die ganze Aussage des Innenraumes. Im Vordergrund sieht man eine Figur in Weiß, vergleichbar dem Wiederauferstandenen Jesus Christus, dem ganz unterschiedliche Menschen folgen. Er zieht die Kinder Gottes nach oben, hin zu einem besseren Leben. Und dort erwartet sie das wunderbare Licht des Himmels.“ Die Arbeit bietet eine zeitgenössische Interpretation der typisch spanischen Barockkirche mit ihrem Gegensatz zwischen verschattetem, höhlenartigem Kirchenschiff und darüber schwebender Kuppel, deren ineinander verschlungene Fresken von der krönenden Laterne in strahlendes Licht getaucht werden.
Glockenturm – ein unnötiger Anachronismus?
Bei ihren Überlegungen, wie sich die weihevollen kirchlichen Rituale am besten in einen zeitgenössischen Rahmen transportieren lassen, stoßen Vicens und Ramos immer wieder auf Widerstände. So berichtet Vicens, dass sehr wenige Auftraggeber willens sind, das herkömmliche, lang gezogene Kirchenschiff zugunsten eines zentralen Altars aufzugeben, der seiner Meinung nach dem Grundgedanken des Zweiten Vatikanums entspricht. „Die neue Liturgie sucht nach der aktiven Einbeziehung der Gemeinde. Der Priester sollte von den Gläubigen umringt sein, er sollte sich unter ihnen befinden.“ Trotz mancher Widerstände setzten die Architekten in Córdoba die Sakristei – der Ort, wo der Priester das Messgewand anlegt und sich auf die Messe vorbereitet – nicht hinter den Altar, sondern an das Ende des Kirchenschiffes, sodass der Priester auf dem Weg zum Altar durch seine Gemeinde geht. Allerdings kann Vicens viele Gemeinden nicht davon überzeugen, auf den herkömmlichen Glockenturm zu verzichten – in seinen Augen ein unnötig teurer Anachronismus und eine Belastung für die Nachbarn. Um die Kirchen kenntlich zu machen, so der Architekt, „reichen ein Kreuz an der Fassade und ein paar Buchstaben“.
Aus dem Englischen von Agnes Kloocke
Fakten
Architekten
Vicens, Ignacio, Madrid; Antonio Ramos, José , Madrid
Adresse
Parroquia Nuestra Señora de la Consolación Calle Historiador Dozy, 1, 14011 Córdoba, Spanien
aus
Bauwelt 26.2012
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