Text: Winterhager, Uta, Bonn
In Dransdorf, wo es rechts und links der Ausfallstraße schon grün aber nicht schön wird, steht der ROM.HOF, wie eine Festung. Nur eine Gehwegbreite ist diese Studentenwohnanlage vom Straßenrand zurückgesetzt, und, wie der Blick von der Seite zeigt, mit dem untersten Geschoss in eine Böschung geschoben. Der Name deutet es an, die Symmetrie ist hier Programm. Nichts ist, wie bei den Nachbarn, der Zeit oder dem Zufall überlassen. Das ist nicht als Kritik am Ort zu verstehen, sondern als ein neuer Anfang mit großer Konzentration auf sich selbst. Die vier Ansichten sind streng gegliedert, elf Achsen zu jeder Seite, drei Geschosse vorne, vier hinten. Die Straßenansicht dominiert das in der Mittelachse liegende doppelgeschosshohe Tor, dessen Rundbogen die Fensteröffnungen 31 Mal wiederholen. Doch sind hier nur die Öffnungen im Mauerwerk zu sehen, nicht die Fenster selbst, deren schmale, fast schwarze Rahmen das Dunkel schluckt. So wirkt der Bau kaum wie ein Wohngebäude, erscheint nicht nur ortsfremd, sondern auch vollkommen aus der Zeit gefallen.
Ein großer Tordurchgang erschließt das Gebäude von der Straßenseite, wie auch spiegelgleich von der Gartenseite aus. Während der Weg an der niedrigen Mauer, die den Hof umgibt, stoppt und nach links und rechts in Laubengänge umgelenkt wird, ist der Blick in der Längsachse frei bis in das noch wilde Grün des Gartens. Der Grundriss ist quadratisch, wie auch der Hof. Dieser ist genau das, was er in der Baugeschichte immer schon gewesen ist: geometrischer Mittelpunkt des Hauses und Treffpunkt der Gemeinschaft. Davon ausgehend nimmt die Privatheit radial zu. Die umlaufenden offenen Laubengänge erschließen über einen kleinen Vorraum, ihm sind Bad und Küchenzeile zugeordnet, die insgesamt 93 Studentenzimmer, von denen 42 paarweise angeordnet sind. Den Zimmern ist an der Außenseite jeweils eine kleine Loggia vorgelagert, die als eine Art Studiolo den privatesten, zurückgezogensten Bereich des Hauses bildet.
Treffpunkt Waschmaschine
Das Zentrum dieser komplexen, kleinen Welt bildet das viergeschossige Gemeinschaftshaus, das quer in den Hof hineingestellt wurde, mit dem doppelgeschossigen Waschraum in den beiden mittleren Geschossen, der Küche darunter und dem Spielraum darüber. Das Wäschewaschen wird so zum zentralen Ausdruck des gemeinschaftlichen Wohnens. So einen Ort gibt es auch mitten in der Stadt, ganz in der Nähe von Uwe Schröders Büro. Hier wird, solange die Kleider gewaschen werden und trocknen, gegessen und getrunken, geredet und gewartet. Irgendeiner spielt immer Klavier, die Raucher sitzen vor der Tür. Das alles ist nicht schick, aber ungezwungen. Im ROM.HOF liefert eine lange Reihe Münzwaschautomaten nun den gleichen Grund, zu kommen und zu bleiben. Für einsame Momente gibt es einen Fernseher, doch vielversprechender scheint der Blick aus den Fenstern.
Der Gebäuderiegel teilt die Mitte in zwei Höfe, die, der Topografie geschuldet, als oberer und unterer Hof bezeichnet werden. Archaische Elemente geben diesen Höfen eine Funktion und ordnen sie den angrenzenden Räumen im Gemeinschaftstrakt zu: Im oberen Hof, der auf gleichem Niveau liegt wie der Waschraum, spielt ein Brunnen mit dem Wasserthema, im unteren Hof, der der Gemeinschaftsküche zugeordnet ist, bietet eine „Feuerstelle“ ein ebenso altertümliches Abbild des Kochens. Im besten Fall kann in diesem Raumangebot wirklich eine Gemeinschaft entstehen, wenigstens jedoch eine informelle (und somit politisch korrekte) Art sozialer Kontrolle.
Aus der Entfernung wirkt der ROM.HOF so hermetisch, dass es schwer auszuhalten ist. Doch bricht der ebenso spielerische wie handwerkliche Charakter des Mauerwerks die trutzige Haltung der Fassade auf, bevor sie zwanghaft werden kann. Die Vorsatzschale aus Wasserstrichziegeln ist überraschend rau. Auch wenn sie nichts trägt außer sich selbst, traut man ihr mehr zu, denn Schröder setzt den Ziegel so ein, dass er zeigt, was er am besten kann, weil er es alleine kann: Die Bögen der Fenster und die Tonnen der großen Toröffnungen sind gemauert. So etwas gab es, auch wenn es so nahe liegt, lange nicht mehr.
Schröder selbst nennt es die „Botanik der Wand“, wenn er die Eigenschaften dieser Fassade beschreibt: Nahe dem Boden ist sie dunkelrot – so haben das gartenseitige Sockelgeschoss und der untere Hof den höchsten Rotanteil –, mit dem Emporwachsen der Wände bis zur Attika steigt der Anteil an erdigem Gelb. Der wilde Verband, welcher Läufer, Kopf- und Lagerseiten der Ziegel zeigt, bricht das starre Raster der Fugen auf, das sich verästeln und verlieren darf. Doch auch hier gibt es Regeln: Prozentwerte für die Farbanteile, die vom Architekten für jeden Abschnitt festgelegt wurden, und, weil dies noch nicht ausreichte, um den Zufall zu kontrollieren, exakte Pläne, die Farbe, Lage und Ausrichtung jedes einzelnen Ziegels bestimmten.
Diese Fassade ist das Gesicht des Hauses zur Straße wie zu den Höfen. Hier wie dort sind die Fenster, wenn die Öffnungen geschlossen werden mussten, auf ein Minimum an Material und Sichtbarkeit reduziert. Matt anthrazit gestrichene Stahlrahmen, adaptierte Industrieprofile, die entsprechend den klimatischen Anforderungen bündig sitzen oder in den Treppenhäusern zur Ventilation mit Winkeln auf Abstand zur Laibung gehalten werden.
In dieser Schale sitzen die Wohnungen, geschützt durch die Pufferzonen, die Loggien und Laubengänge bilden. Doch ist die Stimmung mediterran gedacht, klammert die Existenz kalter, nasser und dunkler Tage, an denen es in diesen Höfen, Lauben und Loggien sehr ungemütlich werden könnte, einfach aus. Wer aber das Studi-um als eine experimentelle Phase begreift, in der man sich auf vieles einlassen kann, um den Dingen auf den Grund zu gehen, findet hier eine perfekte kleine Welt. Um so überraschender, dass diese klösterlich anmutende Wohnanlage von einer privaten Wohnungsbaugesellschaft errichtet wurde.
Wer den ROM.HOF verstehen möchte, muss die Gesetzmäßigkeit seiner Farben kennen. Denn neben den roten und gelben Ziegeln der Außenwände gibt es noch ein zweites, überraschend polychromes System für das Innere. Alle Decken in den gemeinschaftlich genutzten Räumen, in Treppenhäusern und Laubengängen und in den Loggien sind mit einem matten, mineralischen Blau „weggestrichen“, wie Schröder es beschreibt. Haus und Himmel geben mit Rot, Gelb und Blau die Hauptfarben vor, die Farben der untergeordneten Flächen, Grün, Purpur und Beige, lassen sich daraus mischen. Die innere Seite der Laubengänge sowie die Innenwände von Waschhaus und Treppen sind glatt geputzt und in einem kartonfarbenen Beige gestrichen, das Anteile beider Ziegelfarben enthält. Die Wandfarbe der Loggien/Studioli ergab sich aus der Addition von Himmelblau mit der jeweils im Ziegelmauerwerk dominierenden Farbe. So sind die Loggien in den unteren Geschossen, wo die Wände einen hohen Rotanteil haben, Purpur gestrichen, in den oberen Geschossen, wo der gelbe Ziegel überwiegt, in Grün. In den Wohnungen selbst gibt es keine Farben; mit weißen Wänden, grauem Linoleumboden und klar lackierten Holzprofilen bieten sie ihren Bewohnern Neutralität.
Auf fast schon subversive Weise entwickelte der Maler Detlef Beer das Himmelsbild der blauen Decken weiter – dort, wo der Architekt Farbe bestimmt hat, verhinderte er sie. Der zentralen Position des Waschraumes entsprechend, klebte Beer die Decke dort vor dem Anstrich ab, sodass danach eine stilisierte weiße Sonne blieb. An der Decke der Gemeinschaftsküche zeichnete er auf die gleiche Weise ein Sternenbild mit 93 Punkten, jeder nicht größer als ein Fingerabdruck. Ein einzelner Stern ist über dem Kicker im Spieleraum platziert. Sehr romantisch und ein wenig geheimnisvoll ist die Fortschreibung in den Studioli, wo, wer den Blick hebt, den Namen seines Sterns in kleinen Buchstaben an der Decke ausgespart liest. Selten ist der Dialog zwischen Kunst und Architektur so spannend wie hier, wo beide mehr können als sie müssen.
Von außen betrachtet, passt die Schablone dieses archaischen Lebensstils gut auf die studentischen Bedürfnisse. Kochen, waschen, spielen und studieren, alles hat seinen Platz; es gibt Räume für den Rückzug wie für die Gemeinschaft. Schlüssig ist die Form in ihrer Eigenlogik, aber einer zeitlichen Einordnung entzieht sich der ROM.HOF vollkommen. Er hat mehr vom Gestern als vom Heute – so, als hätte er schon alles gesehen und einiges Gute davon behalten. Obschon nicht sichtbar gedämmt, ist dies auch eine Form der Nachhaltigkeit.
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