Liebieghaus
Text: Kleilein, Doris, Berlin
Die Frankfurter Verbindung von Geist und Geld – im Liebieghaus am Schaumainkai wird sie greifbar, und das umso eindrucksvoller, seit Kuehn Malvezzi gemeinsam mit Direktor Max Hollein die Skulpturensammlung neu in Szene gesetzt und ein Schaudepot gestaltet haben.
„Auf ewige Zeiten ein Kunstmuseum einzurichten“ – unter dieser Bedingung vermachte der Textilfabrikant Heinrich Baron von Liebieg 1908 der Stadt Frankfurt seine Villa am Schaumainkai, einen Gründerzeitbau im überbordenden Stilmix der Zeit. Bereits ein Jahr später wurde das „Liebieghaus“ als städtisches Skulpturenmuseum eröffnet; heute gehört es mit über 3000 Werken aus fünf Jahrtausenden zu den wichtigsten Skulpturenmuseen weltweit und profitiert noch immer von großzügigen Schenkungen.
Als Schirn-Direktor Max Hollein 2006 die Leitung auch dieses Hauses übernahm, begann er mit einer grundlegenden Umstrukturierung des Hauses und der Sammlung, die mit dem jüngst eröffneten Schaudepot ihren Abschluss fand. Man kann sich den versierten Kunstmanager Hollein gut vorstellen, wie er mit seinem Kuratorenteam und den Architekten durch das Haus gezogen ist und in jeder Ecke gefegt hat: Nun ist die Institution gründlich entstaubt; auf 2200 Quadratmetern ist eingezogen, was international unter dem Begriff „zeitgenössische Museumspraxis“ gehandelt wird. Die wichtigste Entscheidung: Ein Drittel der Exponate wurde aus der Schausammlung geräumt und somit der einzelnen Skulptur mehr Platz gelassen. Die verbliebenen Figuren – von der „Frankfurter Athena“ (450 v. Chr.) bis zur „Ariadne auf dem Panther“ (1813–1814) – wurden aus dem White Cube befreit und vor kräftige, erzählende Farben gestellt: Die Wände sind sandgrau (Ägypten), lichtblau (Griechenland) und leuchtend rot (Rom), atmosphärischer Hintergrund und Leitsystem in einem. Derart in Szene gesetzt, scheint es, als würden die Skulpturen animiert und träten in Kontakt zu Besuchern und Räumen gleichermaßen.
Im Kontrast dazu ist das Schaudepot, das in drei Räumen mit 220 Quadratmetern im Untergeschoss eingerichtet wurde, in Anthrazit gehalten, mit weißen Lichtfeldern an der Decke. Die von Kuehn Malvezzi gewohnt unaufgeregte Gestaltung der Räume ist auch hier eine Wohltat: Die raumhohen „Einbauschränke“ und Vitrinen aus durchgefärbtem MDF sind kubisch und klar, sie bilden eine Familie mit den Sockeln der Schausammlung und dem Tresen aus schwarzem Glas und Leder im Foyer. Im Schaudepot hat ein Teil der aus dem Erdgeschoss verbannten Exponate Platz gefunden, profan sortiert nach Größe, Material und konservatorischen Aspekten. Aufgereiht wie im Küchenschrank stehen Figuren unterschiedlicher Epochen nebeneinander, erleichtert vom Ballast der Geschichte. Wie im Kölner Kolumbamuseum kann man einen Plan zur Hand nehmen und die eigenen Mutmaßungen überprüfen: Die Besucher werden forschend tätig.
Auch im Dachgeschoss werden die Gäste in das Geschehen hineingezogen – vorausgesetzt, sie finden den Weg in den Bereich „Sammeln und Forschen im 19. Jahrhundert“, zu dem nur ein kleiner Hinweis führt. Zur Neuordnung des Hauses gehört, dass die Museumsverwaltung, die bislang unter dem Dach saß, eine Etage tiefer gezogen ist und nun über eine enge Treppe der Aufstieg in die ehemaligen Privatzimmer des Barons möglich ist. Die „Studioli“, so der Name der zehn kleinen Räume, sind eine Entdeckung für sich – und das nicht nur, weil die Besucherführung sie als solche inszeniert: Verwinkelte, holzgetäfelte Gemächer mit Ausbuchtungen für Fensterplätze, von denen aus der Blick durch die alten Bäume hindurch über den Main schweifen kann. Fast beiläufig liegen Folianten mit Schwarz-Weiß-Fotos auf dem Tisch, die die Räume in ihrer ursprünglichen Benutzung zeigen, hier das Bett des Barons, dort sein Schreibtisch. Vom museumspädagogischen Zeigefinger bleibt man, wie im ganzen Haus, auf angenehme Weise verschont.
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