Bauwelt

Mehrfelderwirtschaft betreiben


London 2012


Text: Meyer, Friederike, Berlin; Schlaich, Christoph, Köln/London


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    Hackney Wick Sign
    Foto: Torsten Seidel

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    Street interrupted
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    Gainsborough School
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    Brinkwath Way

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    A 12 Undercrofts

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    A 12 Undercrofts

Die Quartiere Hackney Wick und Fish Island grenzen östlich an das Olympiagelände. muf haben dort akribisch recherchiert, Qualitäten aufgezeigt und den Auftrag erhalten, Wege zum Olympiapark auszu­schildern. Doch anstatt Werbeplakate aufzustellen, engagierten sie einen Gärtner für den Schulhof und schraubten Bänke auf die Straße. Ein Spaziergang mit Liza Fior. 
Was ist Hackney Wick für eine Gegend?
Ein Mischgebiet mit industriellen Nutzungen, Wohnhäusern und ein paar Sozialeinrichtungen. Aber es ist eine Ironie, dass wir hier, vor den Toren des Olympiaparks, so wenig öffentlichen Raum haben und hinter dem Zaun kann man sich vor Freiflächen kaum retten.
Sie haben in Hackney Wick und Fish Island jedes Gebäude untersucht und die Nutzungen kartiert. Warum?
Nachdem der Zaun um den Olympiapark hochgezogen war, 2008, arbeiteten die Verantwortlichen von der ODA (Olympic Delivery Authority) an Entwicklungsplänen für die angredzenden Gebiete. In Hackney Wick war ein neues Quartier vorgesehen, mit dreieckigen Plätzen und einer Plaza. Die Columbia Road in Hackney, eine Straße mit Boutiquen, wurde als Vorbild aufgeführt.  Komischerweise hatte sich aber niemand damit befasst, was Hackney Wick eigentlich ist und wer hier lebt.
Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen?
Wir haben die Bewohner und Gewerbetreibenden einfach angesprochen. So wie wir es bereits 2008 in Dalston, einem anderen Stadtteil in Ostlondon, gemacht hatten. Nach dem ersten Kontakt entwickelten sich die Ideen dort von ganz allein. Wir haben zum Beispiel einen Garten, den „Curve Garden“, eingerichtet. Die in der Zeichnung zusammengefassten Informationen waren die Basis für die Diskussion mit den Behörden und mit den anderen Beteiligten in Dalston. Wir diskutierten über den nicht messbaren Reichtum einer Gegend, über die Gründe, warum Leute in solche Gebiete ziehen, und machten den Entwicklern klar, dass der kleine Maßstab dabei eine große Rolle spielt.
Manche sagen, Hackney Wick habe die größte Künstlerdichte Europas. Stimmt das?
Wir haben etwa 700 Studios gezählt. Unsere Bestandsaufnahme hat bestätigt, dass die Mieten steigen und viele deshalb wegziehen. Und es ist klar geworden, dass man hier kein neues Quartier mit dreieckigen Plätzen braucht, sondern dass die Einzigartigkeit erhalten bleiben muss, auf die die Künstler und Schriftsteller seit Jahren immer wieder hinweisen.
Inwiefern hat Ihre Recherche die Pläne für das Quartier verändert?
Aufgrund unserer Recherche haben wir den Auftrag für die Verbesserung der Wege und Leit­systeme zum Olympiagelände erhalten. Der ODA schwebten Werbetafeln und Logos vor. Wir fragten, was die Olympiaparkbesucher eigentlich von Hackney Wick sehen und wie Wege bedeutungsvolle Räume werden können.  Unsere Strategie kann man mit der von Hänsel und Gretel vergleichen, die ihren Weg mit Brotkrumen markierten.  Daraus ergaben sich einige kleine Projekte, die nun alle fast fertig sind. Sie sollen in erster Linie zum Diskutieren anregen. Diskussionen sind unser Beitrag zur Legacy, zu dem, was nach der Olympiade kommt.
Sie sprechen dabei von crop rotation (Mehrfelderwirtschaft). Was meinen sie damit?
Wir wollen keine bloßen Pop-Up-Geschichten hier machen.  Es geht um Modelle, bei denen die aktuellen, bisweilen temporären Nutzungen die späteren bereits im Blick haben. Das ist ähnlich wie in der Landwirtschaft. Man gewährt dem Feld Ruhe bzw. pflanzt etwas anderes und bereitet so den Boden für das kommende Jahr. Wir sagen, es ist gut, der Entwicklung Zeit zu lassen. Und wir schlagen vor, etwas auf dem Nachbargrundstück zu veranstalten, um das eigentliche Grundstück aufzuwerten.
1 | Hackney Wick Sign | Der Schriftzug auf dem Haus war das erste Projekt. Eine Künstlerin hatte die Buchstaben aus Holz gesägt. Wir haben sie beauftragt, sie noch einmal aus Stahl zu machen, damit sie länger halten. Schließlich funktioniert Orientierung doch in beide Richtungen. Es geht nicht nur darum, dass alle den Olympiapark finden, sondern auch darum, was die Parkbesucher von Hackney Wick sehen können.   
2 | Street interrupted | Wir haben auf der Straße einen Baum gepflanzt und die Rampe vor dem Café verbreitert. Gegenüber kann man jetzt auf einer kleinen Mauer sitzen. Der Terrazzo kommt aus Hackney Wick. Das Café ist Teil des Projekts. Es darf aber keine Speisekarten auf die Tische legen, die gehören zum öffentlichen Raum. Die Bänke halten den Verkehr fern. Neulich traf ich einen Künstler, der lange jeden Tag früher mit dem Auto gekommen ist, immer in der Hoffnung, durchfahren zu können. Er dachte, das Café würde die Bänke morgens raus stellen. Er wusste nicht, dass sie im Asphalt verschraubt sind.
3 | Gainsborough School |Wir wollten einen Teil des Projektgeldes für den Schulhof verwenden. Ich argumentierte, dass der CNN-Reporter, der im Medienzentrum gegenüber sitzt und sich mit seiner Kamera in die andere Richtung dreht, auf den hässlichen Spielplatz der Schule schauen wird. Es gab unglaubliche Diskussionen mit unseren Auftraggebern darüber, ob ein Schulhof, auf dem sich acht Stunden pro Tag Kinder aufhalten, zum öffentlichen Raum gehört. Schließlich haben wir einen Gärtner engagiert. Jetzt gibt es einen Schulgarten. Sieht bescheiden aus, weil es nicht viel Geld gab, aber immerhin ist der Garten nun ein Präzedenzfall dafür, dass Geld für öffentlichen Raum durchaus in einen Schulhof investiert werden kann. Ich bin sehr froh darüber. Eleanor Fawcett von Design for London, mit der wir schon in Dalston zusammengearbeitet hatten, hat uns in ihrer neuen Funktion bei der LLDC (London Legacy Development Corporation) unglaublich unterstützt. Der Garten hat den Preis des Bürgermeisters für den Garten des Jahres gewonnen. Demnächst wird sogar noch eine Brücke gebaut; vom Schulhof über den Kanal zum Olympiapark. Wir haben die Dimensionen der Brücke so festgelegt, dass man sie auch als Open-Air-Klassenraum benutzen kann. Die Schule arbeitet mit dem Büro Allies & Morrison am Brückenentwurf.
4 | White House | Das Lagerhaus an der Brücke ist ein gutes Beispiel für Mehrfelderwirtschaft. Zuletzt war da eine Druckerei drin, dann stand es leer. Wir haben dem zuständigen Bezirk Tower Hamlets vorgeschlagen, es zu kaufen. Aber das war rechtlich leider nicht möglich. Dann haben wir und Design for London einen Deal mit den Eigentümern gemacht. Wir richten das White House her und dafür wird das Haus mindestens fünf Jahre lang an Künstler, Designer, Architekten oder andere Arbeiter aus dem Kreativbereich zu bezahlbaren Preisen vermietet. Im Erd­geschoss wird es ein Café und eine kleine Brauerei geben. Vom ersten Stock kann man wunderbar auf den Olympiapark schauen. Die Planung der Innenräume machen David Kohn Architects, wir gestalten die Außenräume. Wir hoffen, dass das Haus positiv auf die Umgebung wirkt und vielleicht so­gar neue Arbeitsplätze entstehen.
5 | Brinkwath Way | Das ist der Schulweg vieler Kinder. Wir haben ein paar Bäume gepflanzt.
6 | A12 Undercrofts | Noch ein Beispiel für die Mehrfelderwirtschaft. Die Schnellstraße A12 geht hier über den Kanal. An einem Ufer hat die Gruppe Assemble letzten Sommer das Sommerkino „Folly for a flyover“ veranstaltet (Bauwelt 34.2011). Es gab damals nur für diese kurzfristige Sache Geld. Aber sie war ein riesiger Erfolg, der Ort ist jetzt bekannt. In diesem Jahr gibt es wieder etwas Geld. Damit verlegen wir dort Wasser und Strom und markieren eine Fläche mit Terrazzo. So entsteht eine Infrastruktur für die Zukunft.



Fakten
Architekten muf architecture/art, London
Adresse London Borough of Hackney


aus Bauwelt 24.2012
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