Bauwelt

Serviertes Wohnen auf dem Wienerberg


Das unter Denkmalschutz stehende Philips-Haus vom Architekten Karl Schwanzer ist ein Wahrzeichen der 1960er Jahre in Wien. Nach dem Umbau durch Joseph Weichenberger Architekten kann man nun auf Zeit in der Architekturikone wohnen.


Text: Flagner, Beatrix, Berlin


  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Die Triester Straße ist die wichtigste Straßenver­bindung Wiens nach Süden. Das „Philips-Haus“ war
    ein Torbauwerk für die Stadt.
    Foto: Philips Haus Archiv der 6B47 und Sans Souci

    • Social Media Items Social Media Items
    Die Triester Straße ist die wichtigste Straßenver­bindung Wiens nach Süden. Das „Philips-Haus“ war
    ein Torbauwerk für die Stadt.

    Foto: Philips Haus Archiv der 6B47 und Sans Souci

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Das Gebäude ist seit einem halben Jahr im Betrieb.
    Foto: Beatrix Flagner

    • Social Media Items Social Media Items
    Das Gebäude ist seit einem halben Jahr im Betrieb.

    Foto: Beatrix Flagner

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Aus dem charakteristischen blauen „Philips“-Schrift­zug wurde Phil’s Place.
    Foto: Leo Fellinger

    • Social Media Items Social Media Items
    Aus dem charakteristischen blauen „Philips“-Schrift­zug wurde Phil’s Place.

    Foto: Leo Fellinger

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Und auch sonst sind einige bun­te Lettern dazu gekommen.
    Foto: Leo Fellinger

    • Social Media Items Social Media Items
    Und auch sonst sind einige bun­te Lettern dazu gekommen.

    Foto: Leo Fellinger

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Karl Schwanzer entwarf auch Möbel, mit denen die Wohnungen jedoch aus finanziellen Gründen nicht ausgestattet werden konnten.
    Foto: Tina Herzl

    • Social Media Items Social Media Items
    Karl Schwanzer entwarf auch Möbel, mit denen die Wohnungen jedoch aus finanziellen Gründen nicht ausgestattet werden konnten.

    Foto: Tina Herzl

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Die Räume sind zur Fassade hin offen.
    Foto: Julian Mullan

    • Social Media Items Social Media Items
    Die Räume sind zur Fassade hin offen.

    Foto: Julian Mullan

„Wann sind wir endlich zu Hause?“, fragen die Kinder schlecht gelaunt und müde ihre Eltern nach dem Sonntagsausflug im Wienerwald. „Wenn wir am Philips-Haus vorbeigefahren sind, sind wir fast daheim.“
Kommt man mit dem Auto von Süden auf der Triester Straße nach Wien, wird man von einer zwölfgeschossigen Hochhausscheibe empfangen, die wie eine Plakatwand „Willkommen“, ruft. Als der niederländische Haushaltsgerätehersteller Philips 1960 auf die Suche nach einem Grundstück für seine österreichische Hauptverwaltung ging, entschied er sich nicht für einen Standort im Stadtzentrum, sondern für eine Randlage, an der höchsten Stelle Wiens auf dem Wienerberg. Dort am Scheitel wurde das Verwaltungsgebäude des Konzerns von 1961 bis 1965 nach den Plänen des österreichischen Architekten Karl Schwanzer (1918–1975) realisiert. Trotz seiner nur 65 Metern Höhe ist es ein markantes Gebäude, das, topografisch clever gesetzt, gewaltiger wirkt, als es ist.
Wo früher weit und breit keine Stadt war – am Wienerberg wurde Lehm abgebaut – ist heute die Wienerberg City, neben der Donau City eins von zwei Hochhausclustern in Wien. Östlich der Triester Straße entsteht bis 2022 die ökologisch ausgerichtete „Biotope City“ der IBA Wien, die für 2000 Menschen Platz zum Wohnen bieten soll. Bis 2028 wird dann bis hierhin auch die U-Bahn­linie ausgebaut. Damit rückt das Philips-Haus, ausdem das Unternehmen Anfang der 2000er Jahre auszog und bis 2013 vermietete, in die Mitte der Gesamtentwicklung des 10. Bezirks.
Das Potenzial des Philips-Hauses entdeckte ein Investor. Er beauftragte den Wiener Architekt Joseph Weichberger mit einer Machbarkeitsstudie: „Ich kannte das Haus noch aus der Architekturausbildung. Beim Anschauen der Bestandspläne fiel mir sofort auf, dass es im Grundriss keine Stützen gibt. Wie genial!“.
Das System des Gebäudes funktioniert wie ein Regal: Vier Stützen, mit jeweils einem Querschnitt von vier Quadratmetern, tragen die gesamte Konstruktion. Die Geschosse liegen wie Regalböden darin, eine umlaufende Spannbetonrahmenkonstruktion, in welcher die Plattenbalkendecke eingespannt ist. Auf zwei Seiten kragen sie sechzehn Meter aus. Quer unter der Hochhausscheibe sitzt ein zweigeschossiger Flachbau, in dem Philips neben seiner Lobby ein Kino und einen Ausstellungsraum untergebracht hatte. Unter der östlichen Auskragung befand sich in den 60er Jahren der Haupteingang, der jedoch später auf die Breitseite verlegt wurde. Heute betritt man „Phil’s Place“, wie das Gebäude nun nach seiner Umnutzung genannt wird, wieder unter dem mächtigen Vordach.
Mit einer Tiefe von lediglich vierzehn Metern ist die Scheibe für eine Wohnnutzung wenig gut geeignet. Nichtsdestotrotz, Joseph Weichberger gelang es in den ersten Entwurfsphasen, mithilfe eines Mittelganges Wohnungen mit drei bis vier Zimmern nachzuweisen. Eine zweite Varian­te untersuchte eine dichtere Struktur mit kleineren Wohnungen. Die sehr detaillierte Auseinandersetzung mit dem Grundriss führte zur Beauftragung des Architekten. Die Scheibe, die früher Platz für 600 Philips-Mitarbeiter bot, ist nun mit 135 Wohnungen, die zwischen 38 und 48 Qua­dratmeter groß sind, bestückt. Sie wurden als Eigentumswohnungen verkauft, allerdings un­ter der Prämisse, dass sie betrieben werden. „Serviertes Wohnen“ nennt man das in Österreich, hierzulande unter dem sperrigen Begriff „Board­inghouse“ bekannt. Ob nur wenige Tage oder einige Jahre, hier kann man sich in voll möblierten Wohnungen einmieten, abgerechnet wird pro Nacht. Die Wohnungseigentümer können nicht in der eigenen Wohnung leben, es sei denn sie buchen sie. Eine schlechte Geldanlage gibt es nicht, denn die Mieteinnahmen werden nach dem Gießkannenprinzip ausgeschüttet. Die Wohnung im ersten Geschoss auf der Nordseite – die mit großer Wahrscheinlichkeit seltener gemietet wird, als die Wohnung im 11. Geschoss auf der Südseite – partizipiert. Seit einem halben Jahr ist das Gebäude nun in Betrieb, und die Auslastung ist jetzt schon besser als erwartet. Der Durchschnittsgast ist der Geschäftsmann, aber auch kleine Familien, die über das Wochenende einen Städtetrip unternehmen, sind hier zu finden. Mit hundert Euro pro Nacht pro Wohnung, ist es günstiger als so manche Airbnb-Unterkunft.
Was wie ein Hotelbetrieb anmutet, erfüllt dennoch alle Anforderungen an den Wohnungsbau. Die Ausstattung ist in allen Wohnungen dieselbe. Sie sind offen, Zwischenwände wurden nur im Inneren eingebaut. Die Fassade steht, genauso wie die Treppenhäuser, unter Denkmalschutz.
Ein Wermutstropfen sind die fehlenden Gemeinschaftsflächen. Auch Joseph Weichberger hätte sich in der früher zweigeschosshohen Lob-by im Flachbau eine Bar oder ein kleines Restaurant gewünscht. Stattdessen sind hier die größ­te Vapiano-Filiale Österreichs eingezogen, zwei Supermärkte und ein McFit.



Fakten
Architekten Schwanzer, Karl (1918–1975); Josef Weichenberger Architects + Partner, Wien
Adresse Triester Str. 64, 1100 Wien, Österreich


aus Bauwelt 7.2019
Artikel als pdf

0 Kommentare


loading
x

24.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.