Social Justice Centre „The Foundry“ in London
Das Social Justice Centre „The Foundry“ in London will zur Professionalisierung seiner Mieter beitragen
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
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Unmittelbar hinter dem Social Justice Centre am Oval Way erheben sich die stadtbildbeherrschenden Gasometer. Bekannter noch ist der Oval Cricket Ground des Surrey County Cricket Club südlich der Liegenschaft, von dem sich der Straßenname herleitet.
Foto: Rory Gardiner
Unmittelbar hinter dem Social Justice Centre am Oval Way erheben sich die stadtbildbeherrschenden Gasometer. Bekannter noch ist der Oval Cricket Ground des Surrey County Cricket Club südlich der Liegenschaft, von dem sich der Straßenname herleitet.
Foto: Rory Gardiner
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Die Räume im Erdgeschoss sind für öffentliche Nutzungen vorgesehen und sollen das Haus zur Nachbarschaft hin öffnen.
Foto: Rory Gardiner
Die Räume im Erdgeschoss sind für öffentliche Nutzungen vorgesehen und sollen das Haus zur Nachbarschaft hin öffnen.
Foto: Rory Gardiner
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Blick- und Hörbeziehungen zu schaffen, war ein wesentlicher Aspekt der Planung. So wurden die Fenster des alten Fabrikgebäudes ausgebaut, die Deckenkanten der Flure gegenüber springen geschossweise leicht zurück.
Foto: Rory Gardiner
Blick- und Hörbeziehungen zu schaffen, war ein wesentlicher Aspekt der Planung. So wurden die Fenster des alten Fabrikgebäudes ausgebaut, die Deckenkanten der Flure gegenüber springen geschossweise leicht zurück.
Foto: Rory Gardiner
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Angesichts des niedrigen Budgets wurden die Böden mit gebrauchten Teppichen aus Bürotürmen in Canary Wharf belegt.
Foto: Rory Gardiner
Angesichts des niedrigen Budgets wurden die Böden mit gebrauchten Teppichen aus Bürotürmen in Canary Wharf belegt.
Foto: Rory Gardiner
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Die Terrassen, die den Büro- und Besprechungsräumen im Norden und Süden vorgelagert sind, stehen
am Wochenende dank Außentreppen auch der Nachbarschaft offen
Foto: Rory Gardiner
Die Terrassen, die den Büro- und Besprechungsräumen im Norden und Süden vorgelagert sind, stehen
am Wochenende dank Außentreppen auch der Nachbarschaft offen
Foto: Rory Gardiner
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Die Giebel der Besprechungsräume auf dem Dach überführen die Sägezahnfassade der unteren Geschosse in die Silhouette des Gebäudes.
Foto: Rory Gardiner
Die Giebel der Besprechungsräume auf dem Dach überführen die Sägezahnfassade der unteren Geschosse in die Silhouette des Gebäudes.
Foto: Rory Gardiner
London ist nicht nur ein Zentrum der internationalen Finanzindustrie, London ist auch ein fruchtbarer Boden für neue Geschäftsideen. Die Dynamik der dortigen Start-up-Szene spiegelt sich in ihren Umsätzen ebenso wie in den Summen, die jener Zweig der Wirtschaft unter Anlegern und Investoren alljährlich einsammelt und die andernorts, etwa in Berlin, als Maß aller Dinge für die Bewertung der eigenen Innovationskraft gelten. Für Architekten und Stadtforscher spiegelt sie sich zudem in den Arbeitsräumen, die für die jungen Unternehmen geschaffen werden, ihrer räumlichen und gestalterischen Beschaffenheit wie ihrer Ausstrahlung in die jeweilige Umgebung. Anfang des Jahres haben wir über den Umbau einer ehemaligen Teppichfabrik im Londoner East End zum Coworking-Space „SecondHome“ durch das madrilenische Architekturbüro SelgasCano berichtet (Bauwelt 9.2015), nun lässt sich ein Projekt vorstellen, dass auf den ersten Blick manche Ähnlichkeit aufweist: das Bürogebäude „The Foundry“, geplant vom Londoner Büro Architecture 00, südlich der Themse im Stadtteil Vauxhall gelegen und ursprünglich eine Fabrik für Schuhpolituren. Unlängst wurde der Um- und Erweiterungsbau des 1902 errichteten Industriebaus vom Royal Institute of British Architects mit gleich zwei Preisen, einem landesweiten und einem London Award, ausgezeichnet.
Richtet sich das Interior-Design von SecondHome an technik- und designorientierte Start-ups mit schnellen Innovationszyklen, hatte der Entwurf von Architecture 00 die Erwartungen und Anforderungen kleiner Nichtregierungsorganisationen in den Blick zu nehmen. „The Foundry – a place for change“ ist ein Projekt der Social Justice and Human Rights Centre Company, und deren Ziel ist es, Organisationen aus den genannten Bereichen zu unterstützen. Dahinter steht die Ethical Property Company, gegründet 1998 von Andrew King und Jamie Hartzell, zwei Unternehmern mit der Überzeugung, dass Geld verdienen und Gutes tun sich nicht widersprechen müssen. Wobei es den beiden nicht ums Geldverdienen im allerengsten Sinne geht – Anlegern versprechen sie einen Investment-Rückfluss, der sich auch in sozialen und ökologischen Aspekten ausdrückt. 1982 angetreten mit dem Kauf des Hauses 82 Colston Street in Bristol, um für lokale „Weltverbesserer“ eine sichere und angenehme Arbeitsumgebung zu schaffen – die ersten Mieter waren die Soil Association, heute die größte Kampagnen-Organisation für organische Landwirtschaft im Vereinigten Königreich, und Saferworld, eine Forschungsinitiative zur Kontrolle der Rüstungsindustrie – gehören den beiden Unternehmern und ihrer Ethical Property-Gruppe inzwischen fünf Companies und eine Charity-Organisation, die in vier Ländern aktiv sind. „The Foundry“ ist nun die sechste Londoner Liegenschaft der Gruppe und die erste mit einer explizit architektonischen Ambition. Bei freilich überschaubarem Budget: Die Planer von Architecture 00, nach einigen kleineren Planungsleistungen für ihren Bauherren mit der Suche nach einem geeigneten Standort und dann auch mit dem Entwurf beauftragt, hatten sich mit 1050 Pfund Sterling pro Quadratmeter zu bescheiden, damit das Projekt angesichts der geringen Mieteinnahmen, die mit seinen Nutzern zu erzielen sind, überhaupt realisierbar war. Trotzdem: „Mad cheap“, irre billig, sei das im Frühjahr bezogene Gebäude mit diesen Vorgaben ausgefallen, so Architekt Lynton Pepper. Von Vorteil war immerhin der Wunsch des Bauherrn nach ei-ner Planung auf lange Sicht, die spätere Betriebs- und Wartungskosten berücksichtigte – dadurch konnten die Planer hier und da eine zunächst etwas höherwertigere Lösung wählen, sofern sie haltbarer oder mit geringerem Aufwand reparierbar war. Doch sollen die Details der Planung nicht vor dem Ganzen gewürdigt werden. Denn dieses zeigt eine für die Start-up-Szene ungewöhnlich reife Konzeption, die die inhaltlichen Ziele des Projekts vom Städtebau bis ins Innere und seine Einzelheiten architektonisch umgesetzt hat. Statt die leerstehende Fabrik etwa „nur“ einzurichten, dem provisorischen Wesen der Start-up-Ökonomie folgend, konnte so eine herausragende Architektur entstehen, die das absehbar Instabile der Nutzermixtur stabilisiert statt zelebriert.
Die Kombination aus Alt und Neu verfolgt mit räumlichen Mitteln klar definierte Ziele. Es geht darum, den Austausch und die Professionalisierung der rund 30 hier untergebrachten kleinen Organisationen zu befördern, ein „Voneinander-Lernen“ der Aktivisten in gemeinschaftlich genutzten Bereichen zu ermöglichen und einen Ideenaustausch unter ihnen anzuregen, durch Blick- und Hörbeziehungen, aber auch durch Raum für zwanglose, zufällig sich ergebende Gespräche. Dass der Architektur dies gelingt, beweist der Arbeitsalltag der Nutzer, wie er sich nach ein paar Monaten im Gebäude darstellt. Durchschnittlich sechzig Prozent ihrer Arbeitszeit verbringen sie, so Pepper, in dem von ihnen gemieteten Raum, die übrige Zeit aber in den gemeinschaftlichen Bereichen.
Halle als Mittlerraum
Die Struktur von „The Foundry“ erschließt sich schnell: Die Fabrik wurde nach Westen hin um einen langgestreckten Riegel erweitert, der in den Obergeschossen Büros, öffentliche (jawohl!) Terrassen und, zuoberst, Besprechungsräume enthält. Während vermietbare Einheiten auch in der einstigen Fabrik untergebracht worden sind, wurde zwischen Alt- und Neubau eine luftige, gebäudehohe Halle angeordnet, um die sich die vermieteten Bereiche ebenso wie die Gemeinschaftsflächen gruppieren. Die Fenster des Industriebaus wurden zu dieser Halle hin herausgenommen, um die durch den Anbau entstandene „Kernzone“ ins Neue hin zu öffnen; gleichzeitig wird so die kühlende Wirkung der Altbausubstanz im Sommer für das gesamte Gebäude wirksam, während dem Altbau im Winter umgekehrt die solaren Wärmegewinne der Erweiterung zu Gute kommen. Deren Fassade haben dieArchitekten mit der Gliederung der Fabrik abgestimmt, sodass von dort Blicke durch die Halle und die Erweiterung nach Außen möglich sind. Und auch Oben und Unten finden sich miteinan-der verknüpft: Die in der Halle von Geschoss zu Geschoss zurückspringenden Deckenkanten der Erweiterung machen es leichter, auch in den oberen Ebenen über das Geschehen weiter unten auf dem Laufenden zu bleiben.
So, wie sich in der Architektur Alt und Neu aufeinander bezogen finden, ist die ins „Innere“ des Projekts gerichtete Zielsetzung nach außen gespiegelt worden: Das Social Justice Centre soll sich in die Nachbarschaft öffnen. Dereinst, muss dazugesagt werden, denn noch ist weder die Kinderbetreuungseinrichtung in der Südspitze des Erweiterungsbaus in Betrieb noch der eigentlich als Ladenlokal gedachte Raum am anderen Ende des Gebäudes vermietet, und auch die vorgesehene kommunale Küche im Erdgeschoss ist noch nicht umgesetzt. Bislang ist es daher vor allem die tatsächlich Einblicke erlaubende, großzügige Verglasung der Straßenfassade, die den gesellschaftlichen Bezug des Gebäudes signali-siert, und ihre auffällige Gliederung, die die Andersartigkeit dieses Bürogebäudes artikulieren gegenüber dem Standard, wie ihn die Bürohäuser in der Londoner City prägen. Von diesem hebt sich die Architektur mit der erwähnten Offenheit ab, aber auch mit der goldenen Farbigkeit der Fensterrahmen, die jede Nähe zum üblichen Grau des „Corporate feel“ meiden. „We trust you!“, soll das Gebäude dem Passanten suggerieren, und dieses offenherzige Vertrauen, schon nicht dem urbanen Vandalismus zum Opfer zu fallen, ist bereits ein Statement in der heutigen, von immer neuen Schwellen, Kontrollmechanismen und Abwehrsignalen, von allgegenwärtiger Angstarchitektur geprägten Gesellschaft und ihrer Politik.
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