Bauwelt

Schmela Haus


Aldo van Eyck und der Home-Faktor


Text: Lotz, Antonia


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    Das Haus kurz nach seiner Fertigstellung.
    Foto: Brigitte Hellgoth

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    Das Haus kurz nach seiner Fertigstellung.

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    Aldo van Eyck in der Rotunde von Haus Schmela.

    Foto: Brigitte Hellgoth

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    Aldo van Eyck in der Rotunde von Haus Schmela.

    Foto: Brigitte Hellgoth

Gegen den Trend: Als Aldo van Eyck 1971 für den Düsseldorfer Galeristen Alfred Schmela ein winkliges Wohn- und Galerie­haus für neue Kunst entwarf, waren schnörkellose White Cubes en vogue. Der legendäre Galeriebau van Eycks, zwischen­zeitlich von einem Küchenhersteller bezogen, wird seit kurzem wieder als Ausstellungsbau für junge Kunst genutzt.
Als Alfred Schmela 1966 aus seiner ersten, in der Hunsrückenstraße in der Düsseldorfer Altstadt gelegenen, Galerie ausziehen musste, machte er zunächst seine Wohnung zu seinem Arbeitsort. Ausstellungen fanden von nun an im Wohnzimmer seiner Altbauwohnung in Oberkassel statt. Dann beauftragte er Aldo van Eyck für einen Neubau auf einem kniffligen Grundstück in der Mutter-Ey-Straße.
Unpopuläre Ausgangsidee
Die eigenen vier Wände für den Galeriebetrieb zu nutzen, war bis in die frühen 1960er Jahre keineswegs unüblich. Erst in den späten sechziger und siebziger Jahren kann, zunächst in New York, das Einrichten von Galerien und Projekträumen in alten Fabrikgebäuden, Lofts und Schaufensterlokalen, beobachtet werden. Diese Bewegung, von der Nutzung häuslicher Räume hin zu einer primär industriell konnotierten Umgebung, entwickelte sich parallel zu Veränderungen der Kunst, wie es Reesa Greenberg beschrieben hat 1. Die industrielle Produktion von Kunstwerken, die Betonung von Serialität bzw. das Sichtbarmachen des Prozesses der Werkproduktion sowie das Einbeziehen des Zufälligen wurden in dem, was später als Minimal und Postminimal Art bekannt wurde, zur Norm. Die neuen Galerien boten dieser Kunst, die Assoziationen mit der anthropomorphen Gestalt, wie sie etwa im Wohnen zum Ausdruck kommt, ablehnte, eine „passende“ Umgebung. Außerdem boten sie reichlich Platz, um Arbeiten vor Ort entstehen zu lassen. Ein Paradebeispiel dieses Wandels war Leo Castellis New Yorker Warehouse Dependance, die er im Dezember 1968 eröffnete. In dem ausgeleerten ehemali­gen Lager konnte Richard Serra unbekümmert flüssiges Blei verschleudern, in ei­nem Wohnhaus hingegen hätte sein Splash­ing ungewünschte Spuren hinterlassen.
Alfred Schmela, der 1963 erstmals nach New York reiste und bald mit der Szene und den Trends der zur weltweiten Kunst-Metropole avancierten Stadt vertraut war, konzipierte sein neues Düsseldorfer Galeriegebäude als Wohn- und Arbeitsort. Damit schwamm er in der Bauphase von 1969 bis 1971 – in einer Hochzeit der Verlagerung von Galerien in Fa­brikräume und Ladenlokale – gegen den Strom. Erst in den achtziger Jahren wurde der private Raum in der Kunst wieder als Ort der Präsentation populär: diesmal als bewusst genutzte Alternative zu dem, was Norm geworden war. So wurden zum Beispiel in der von Jan Hoet in Gent kuratierten Ausstellung Chambre d’Amis (1986) Werke der eingeladenen Künstler in privaten Wohnhäusern präsentiert.
Auch wenn Alfred Schmela schließlich in sein neues Wohn- und Arbeitshaus in der Düsseldorfer Altstadt niemals einzog, so war seine Ausgangsidee, die Verbindung von Privatem und Öffentlichem in einem eigens errichteten Gebäude, genau ausgearbeitet. Bei einem intuitiven Galeristen, wie Schmela es gewesen ist, liegt die Vermutung nahe, dass die Verknüpfung von Leben und Kunst im eigenen Haus keine ausschließlich rationale Entscheidung gewesen ist. Als sicher darf aber gelten, dass sie sich seiner Nähe zur Kunst und insbesondere zu Künstlern wie Joseph Beuys 2 verdankt.
Der White-Cube-Faktor
Noch einmal zurück zu den seit den späten sechziger Jahren üblichen White Cubes: So, wie sich damals der Ausstellungsraum von der Wohnung in die Fabrik verlagerte, veränderte sich auch die Erscheinung der Ausstellungsräume und der Museen. War es in der „Eigenheim-Galerie“ die private Atmosphäre mit warm getönten Wänden und Wohnaccessoires wie Vorhängen, Pflanzen, Kommoden und Sofas, die als „Projektionsfläche“ der Kunst dienten, ging es nun um unpersönliche, entleerte Räume mit weiß gestrichenen Wänden, grauen Böden und verschlossenen Fenstern. „An image comes to mind of a white, ideal space that, more than any single picture, may be the archetypal image of twentieth century art ...“, so beschrieb Brian O’Doherty 1976 in seinem populär gewordenen Essay „Inside the white cube“ den augenscheinlich neutralen Ausstellungsraum, der dann Standard der Kunstpräsentation werden sollte.
Zu den Neuerungen in der Erscheinungsform des Inneren von Galerien und Museen zählte auch die Reduzierung beziehungsweise Verbannung jeglicher Sitzmöglichkeiten. Da­mit veränderte sich auch die Art und Weise des Betrachtens von Kunst: Zum einen wurde es etwas „beschwerlicher“, fast schon eine Form von Arbeit, zum anderen provozierte diese Unbequemlichkeit eine schnelle, flüchtigere Begegnung mit der Kunst.
Das Schmela-Haus gab sich da ganz anders: Nicht weiße, schlichte Oberflächen dominieren die Räume, sondern Wände aus Bimsbetonstein, Betondecken mit der damals noch üb­lichen Holzstruktur der Verschalung und Böden aus Marmor. Keine quadratischen, sondern verschachtelte Räume mit Ecken und Nischen sowie zahlreichen Fenster- und Terrassenöffnungen und ein alles dominierender, vertikaler Glaszylinder prägen das Haus. Da Schmela schließlich mit seiner Familie doch nicht in die Mutter-Ey-Straße einzog, wurden bis 1980 alle Räumlichkeiten für Ausstellungen, mitunter mehrerer Künstler gleichzeitig, genutzt. Ursprünglich waren hierfür nur das erste Ober- und das Untergeschoss vorgesehen.
Das erste Obergeschoss war als eine Art Showroom konzipiert, als ein Ort, an dem oft die besten Werke der Künstler in einer bunten Mischung zusammenhängen und an dem die Geschäfte gemacht werden. Dieses Geschoss war so angelegt, dass es gleichermaßen als Büro und als Erweiterung einer im Untergeschoss präsentierten Ausstellung dienen konnte. Im ersten Geschoss kommt das Haus dem Bild eines White Cube noch am nächsten: Der fast quadratische Raum ist nur durch die Rundung des Glaszylinders durchbrochen.
Das als reiner Ausstellungsraum geplante fensterlose Untergeschoss wurde von van Eyck komplexer strukturiert. Die annähernd quadratische Grundfläche ist die größte im ganzen Haus und wird durch verschiedene Elemente in vier Segmente gegliedert. Etwas mehr als die Hälfte des Raumes dient dem Ausstellen von Kunst. Die große Präsentationsfläche ist durch eine 50 Zentimeter hohe Stufe in zwei Bereiche geteilt. Eine der Seitenwände ist nur halbhoch und fällt zudem parallel zu der dahinter liegenden, in flachen, großen Stufen verlaufenden Treppe zur Seite ab. Am breiten Absatz dieses Zugangs zum Untergeschoss öffnet sich ein weiterer kleiner viereckiger Raum, der dem eigentlichen Ausstellungsbereich gegenüberliegt. Mit diesem hat van Eyck einen Raum geschaffen, der auf den ersten Blick eingeengt wirken mag, der jedoch verschiedene Möglichkeiten der Kunstpräsentation und Nutzung bietet. Er kann als Podest für Performances und Aktionen genutzt werden, außerdem lässt sich hier wie auf einer Sitzbank Platz nehmen. Erwähnt werden sollte, dass der auf Gemütlichkeit gestimmte Galerist selbst für entsprechende wohnliche Plätze gesorgt hat. Historische Fotos zeigen etwa, wie eine kleine Sitzgruppe, mit Tisch und Sesseln aus weißem Korbgeflecht, durchs Haus gewandert ist. Einmal lädt sie im Ausstellungsraum zum Lesen ein, ein anderes Mal zum Gespräch beim Kaffee mit Künstlern und Sammlern in der ersten Etage.
Der Salon-Faktor
In seiner durch das Erschließungskonzept der Architektur rhythmisierten Bewegung nimmt der Besucher wie von selbst immer wieder andere Blickwinkel ein. Er wechselt von der Vogel- bis nahezu in die Froschperspektive und nimmt dabei perspektivische Veränderungen war, die durch die unterschiedlich hohen Wände und den freien Blick von unten ins Erdgeschoss verstärkt werden. Van Eyck entwarf diese Blickachsen schon in den ersten Skizzen. Das Erdgeschoss erfährt so eine starke Bindung an den Ausstellungsraum bzw. wird Teil von diesem. Denn auch der Blick nach unten auf ausgestellte Werke ist sowohl durch den Glaszylinder als auch von der Brücke – nicht ohne Grund der Lieblingsplatz Alfred Schmelas – möglich. Das Angebot der verschiedenen Blickwinkel und der Bewegungsfreiheit für die Besucher unterschied das Haus von den klar gegliederten Räume anderer Galerien, in denen damals die schlichte „moderne Hängung“ Einzug ge­halten hatte.
Alfred Schmela hingegen hat die verschachtelten räum­lichen Angebote, die ihm Aldo van Eyck entworfen hatte, voll ausgenutzt. Seine Gruppenausstellungen installierte er nicht einheitlich horizontal, sondern angepasst an die architektonischen Gegebenheiten seiner Galerie. Präsentiert wurde auf unbeschwerte Art: auf dem Boden verteilt und an die Wände gelehnt. Van Eyck hatte diesen undogmatischen Umgang mit der Präsentation Kunst in der Konzeption des Hauses geradezu angelegt. Er, der selbst 1949 und 1951 als Ausstellungsarchitekt tätig war, hat sich auch deutlich gegen die moderne Hängung ausgesprochen : „Keeping to eye-level means two things: starring and a stiff neck.“ 3
1  „Thinking about Exhibitions“, hrsg. von Reesa Greenberg, Bruce W. Ferguson und Sandy Nairne; Routledge, New York 1996
2  Joseph Beuys erste Ausstellung bei Alfred Schmela fand im November 1965 unter dem Titel „...irgendein Strang...“ in der Hunsrückenstraße statt. Sie wurde mit der Performance „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“ eröffnet.
3  „The Writings of Aldo van Eyck. 1947–1998“, hrsg. von Vincent Ligtelijn und Francis Strauven; Uitgeverij SUN, Amsterdam 2008



Fakten
Architekten van Eyck, Aldo, (1918-1999)
Adresse Mutter-Ey-Str. 3, 40213 Düsseldorf


aus Bauwelt 25.2011
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