Schwimmbad
Rue de Sèvres No. 17
Text: Namias, Olivier, Paris
Das 1837 gegründete Unternehmen edler Lederwaren und jeder Art anderer Luxusgüter hat sich mit einem Showroom im ehemaligen Schwimmbad Lutetia aus dem Jahr 1935 eingerichtet. Um die Halle zu gliedern, hat das Architekturbüro RDAI hölzerne „Hütten“ mit einer komplizierten Geometrie eingefügt.
Hermès hat in einem seit den Siebzigern geschlossenen, in seiner Gestalt vom Art déco inspirierten Schwimmbad seine erste Dépendance an der Pariser Rive Gauche eröffnet. Das Herzstück bildet das ehemalige Schwimmbecken in einer gegenüber dem Straßenniveau abgesenkten Halle mit umlaufenden Galerien. Das Einrichtungskonzept konzentriert sich auf drei acht bis neun Meter hohe „Hütten“, grazile Holzkonstruktionen, die den zentralen Freiraum der neuen Verkaufsfläche in drei Bereiche des Warenangebots unterteilen. Hütte, Bienenkorb, Jurte oder Reuse: ganz unterschiedliche Begriffe passen zu diesen Konstruktionen mit assoziativen Anklängen an Unterwegssein und Reisen – den thematischen Leitmotiven des Luxusausstatters. Die fragil wirkende Schlichtheit der Hütten täuscht über die hohe Komplexität des Entwurfs hinweg, dessen Umsetzung durch bauliche Einschränkungen und den engen Zeitrahmen – für Planung und Realisierung stand nur ein knappes Jahr zur Verfügung – nicht weniger kompliziert war.
Der Denkmalschutz forderte den weitgehenden Erhalt des Schwimmbassins. Eine Hauptschwierigkeit bestand darin, dass der Beckengrund zugänglich bleiben sollte. Durch die Schräge des Bodens gab es jedoch einen Niveauunterschied von bis zu zwei Geschossen gegenüber dem Straßenniveau, und dazu sehr schmale Restflächen rund um den Rand des Bassins. Die Lösung bestand in einer Deckelung des Beckens mit einem auf einen Unterbau aufgebrachten Betonboden. Trotz erheblicher zusätzlicher Nutzlasten durch das Interieur durfte dabei das Gewicht der ursprünglichen Wasserfüllung nicht überschritten werden. Eine eingezogene Schicht Stahlträger half, die Stärke der Betondecke zu reduzieren. Der darunter entstandene Hohlraum wird für die Lüftungsanlage genutzt, deren Anschlüsse in die Betondecke eingegossen wurden.
Die drei Holzbauten tragen dagegen nichts weiter als sich selbst. Hier bestand die Herausforderung eher in der passgenauen Ausführung als in kniffligen Tragwerkslösungen. Am Anfang stand eine Skizze als 3D-Computergrafik der Architekten für drei unterschiedliche Volumen, die die Freifläche über dem Becken ausfüllen sollten. Gemeinsam mit dem Pariser Büro der Frankfurter Tragwerksplaner Bollinger & Grohmann wurde dann die endgültige Form erarbeitet. Die erste Etappe im Arbeitsprozess bestand in einer Optimierung der Entwurfsformen in einem parametrisch Script-basierten Rhino-Modell, um aus konstruktiver Sicht allzu unrealistische Kurvenverläufe zu glätten. Dann legte man die Anordnung der schmalen Holzlatten für die Konstruktion fest, wobei das Script während der Ausarbeitung des Entwurfs in ästhetischer wie technischer Hinsicht fortlaufend angepasst wurde. Dabei ging es etwa um eine kontinuierliche Verringerung des Gewichts und die Ausdünnung der Holzlatten mit zunehmender Höhe. Die doppelte Krümmung der Raumvolumen ist das rechnerische Ergebnis aus der Summe einfacher Kurven von langen, 4,8 Zentimeter starken Eschenholzstäben. „Esche ist an sich nicht das biegsamste Holz, wir haben uns aus rein ästhetischen Gründen dafür entschieden“, erklärt Denis Montel, Chef des Architekturbüros RDAI.
Für Klaas de Rycke von Bollinger & Grohmann ist der Werkstoff Holz „interessant, weil es sich leicht verformen lässt, auch wenn Einschränkungen zu beachten sind, die sich durch die Torsionsbelastung, die Biegeradien und den Einsatz von Bolzen ergeben, was letztlich Einfluss auf die Stärke der Latten hat. Über die strukturelle Analyse ließen sich die maximalen Lasten ermitteln, die wir über Knoten ableiten konnten. Das Software-Skript erarbeitete dann die optimale Anordnung der Holzlatten, wobei Parameter wie Dichte, Torsion und doppelte Krümmung berücksichtigt wurden – wir haben nur das Programm geschrieben.“ Auch Verformungen des Holzes im Laufe der Zeit sind im Skript mit einbezogen. Für die Realisierung des Projekts baute man schließlich ein 1:1-Mock-Up-Modell. Ein weiteres wichtiges Element bei der Umsetzung war die Anordnung der Verbindungsknoten auf einer horizontalen Ebene. (Weitere Details zur Berechnung und Ausführung folgen in Bauwelt 23.2011 zum Thema „Digitales Entwerfen“ – Anm. d. Red.)
Für die Umsetzung waren zunächst drei unterschiedliche Verfahren angedacht gewesen: die Vorab-Verformung unter Dampf, das Biegen des Holzes bei der Montage vor Ort und ein Verfahren, das digitale und handwerkliche Verarbeitungstechniken kombiniert. Der Auftrag zur Ausführung ging an das Weilheimer Holzbau-Unternehmen Amann, das bereits die Dachkonstruktion des Centre Pompidou Metz (Bauwelt 22.2010) realisiert hatte. Dank der Software-Skripts ließ sich die Konstruktion in eine Abfolge von Einzellatten darstellen und in eine zweidimensionale Planzeichnung übertragen. Der Zuschnitt erfolgte per CNC-Fräse, danach brachte man die Stäbe mit Hilfe von Schraubzwingen über Lehrgerüsten in die endgültige Form. Bei der späteren Montage vor Ort kamen diese dann als Baugerüste zum Einsatz.
Noch in der Werkstatt wurden die Latten dreifach abgeschliffen, ein letzter Schliff erfolgte am endgültigen Standort, bevor das Holz geölt wurde. Beim Kaschieren der Bohrungen für das Fixieren der Stäbe wurden fast 6000 Holzpfropfen verarbeitet.
Auch die Eingangsöffnungen der drei Einbauten sind Ergebnis eines Rationalisierungsprozesses. Die flachen Metallbänder, auf denen die Holzlatten verankert sind, folgen einem eiförmigen Kurvenverlauf, wodurch weitere Torsionen vermieden werden konnten; die Holzabdeckungen dazu wurden wiederum mit Hilfe der CNC-Fräse zugeschnitten.
Aus dem Französichen von Agnes Kloocke
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