Holzwohnungsbau Hummelkaserne in Graz
Mit einiger Verzögerung startete in Reininghaus das größte Stadtentwicklungsgebiet von Graz. Der Wohnbau von SPS Architekten auf dem Areal der ehemaligen Hummelkaserne ist nicht nur der verspätete Startschuss für den Städtebau, sondern auch der erste sechsgeschossige Holzbau der Steiermark.
Text: Novotny, Maik, Wien
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Die vier Baukörper sind charakterstark und fügen sich gleichzeitig zurückhaltend in die Umgebung ein.
Foto: Paul Ott
Die vier Baukörper sind charakterstark und fügen sich gleichzeitig zurückhaltend in die Umgebung ein.
Foto: Paul Ott
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Die Gebäude werden vom gemeinsamen Platz aus erschlossen. Die Eingangsbereiche sind aus dem Baukörper ausgeschnitten und überdacht
Foto: Paul Ott
Die Gebäude werden vom gemeinsamen Platz aus erschlossen. Die Eingangsbereiche sind aus dem Baukörper ausgeschnitten und überdacht
Foto: Paul Ott
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Eine verblechte Fuge verhindert das direkte aufeinandertreffen der Bretterstöße und gliedert die Gebäude horizontal.
Foto: Paul Ott
Eine verblechte Fuge verhindert das direkte aufeinandertreffen der Bretterstöße und gliedert die Gebäude horizontal.
Foto: Paul Ott
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Alle Wohnungen haben einen privaten Freiraum: den Wohnungen im Erdgeschoss sind Gärten zugeordnet, in den Obergeschossen gibt es westseitige Balkone.
Foto: Paul Ott
Alle Wohnungen haben einen privaten Freiraum: den Wohnungen im Erdgeschoss sind Gärten zugeordnet, in den Obergeschossen gibt es westseitige Balkone.
Foto: Paul Ott
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Der Treppenhauskern ist komplett aus Beton und steht im Kontrast zur Lärchenholzfassade.
Foto: Paul Ott
Der Treppenhauskern ist komplett aus Beton und steht im Kontrast zur Lärchenholzfassade.
Foto: Paul Ott
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Offene Tiefgarage: Das Untergeschoss wird punktuell über Atrien belichtet und belüftet, teilweise sind diese mit Bäumen bepflanzt.
Foto: Paul Ott
Offene Tiefgarage: Das Untergeschoss wird punktuell über Atrien belichtet und belüftet, teilweise sind diese mit Bäumen bepflanzt.
Foto: Paul Ott
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Die Grundrisse variieren von Ein- bis Vierzimmerwohnungen. Die insgesamt 92 Wohnungen werden gefördert.
Foto: Paul Ott
Die Grundrisse variieren von Ein- bis Vierzimmerwohnungen. Die insgesamt 92 Wohnungen werden gefördert.
Foto: Paul Ott
Gerade einmal fünf Kilometer liegt der Stadtteil Reininghaus vom Schlossberg im Grazer Stadtzentrum entfernt. Mit 54 Hektar Fläche ist er eines der größten Stadtentwicklungsgebiete Österreichs und das größte Stadtplanungsvorhaben der steirischen Hauptstadt. Ein ambitioniertes Projekt, dessen bisherige Entwicklung jedoch von Verzögerungen und Fehlstarts gekennzeichnet ist.
Die Geschichte beginnt mit den Brüdern Reininghaus, die dort 1855 die erste mit Dampf betriebene Brauerei der Steiermark bauten und bis 1944 Bier produzierten. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Brauerei stark beschädigt und lag – trotz zwischenzeitlichen Überlegungen von Coca-Cola und einem Fruchtsafthersteller die Anlage zu übernehmen – bis in die 1970er Jahre zum Großteil brach. In den 1990er gab es Überlegungen aus den Reininghaus-Gründen einen Kulturstadtteil mit Musik-Themenpark oder ein Olympisches Dorf für die Winterspiele 2002 zu machen. Zwei Jahre später kauften die Projektentwickler Asset One das ehemalige Brauerei-Areal im Westen der Stadt. Jedoch gelang es ihnen nicht, eine Planung in diesem Maßstab zu stemmen, weswegen nach weiteren geplatzten Deals die Stadt Graz plante, das Grundstück zu erwerben. In einer von Bürgermeister SIegfried Nagl initiierten Volksabstimmung sprachen sich die Grazer 2012 aber gegen diesen Ankauf aus, was zudem den Bruch der damaligen schwarz-grünen Koalition der Stadtregierung mitverursachte.
Kurz darauf wurde das Areal scheibchenweise veräußert, bereits 2014 waren 80 Prozent der Reininghaus-Gründe verkauft. Entlang einer Nord-Süd-Verkehrsachse inklusive neuer Straßenbahntrasse sollen sich frei finanzierter und geförderter Wohnbau auffädeln. Lokale Architekten wie Thomas Pucher und Pentaplan nährten mit ihren ersten Bauten die Hoffnung, dass das seit der Glanzzeit in den 1980er Jahren als Architekturmetropole langsam weggedämmerte Graz wieder erwachen könnte. Die Infrastruktur lässt jedoch bis heute auf sich warten, der Bau der Straßenbahntrasse wurde weit in die Zukunft verschoben.
Einige wesentliche Grundstücke sicherte sich die Stadt Graz dennoch, unter anderem in Reininghaus-Süd auf dem Areal der ehemaligen Hummelkaserne. Die Grundstücke wurden hier im Baurecht an die gemeinnützigen Bauträger ENW vergeben, der zunächst das Pflegewohnheim „Peter Rosegger“ (Dietger Wissounig Architekten) errichtete. Mit seiner von großformatigen Fenstern gegliederten Holzfassade signalisierte der Bau die gestalterischen und ökologischen Ambitionen. Auch beim unmittelbar daneben liegenden ENW-Wohnbau wurde von Beginn an auf Holzkonstruktion gesetzt. Novellen der OIB-Richtlinien (Österreichisches Institut für Bautechnik) und der steirischen Bauordnung erlaubten erstmals sechsgeschossige Wohnbauten aus Holz. Ein Fortschritt, der seit Jahren in ganz Österreich zu spüren ist und zu einer zaghaften, aber soliden Renaissance dieses Baustoffes geführt hat. War das Bauen in Holz in Vorarlberg schon lange hochqualitativer Status Quo, zeigte sich der traditionell mineralische Osten des Landes lange skeptisch. Inzwischen ist auch dort geradezu ein Wettrennen um das nächste höchste Holzhaus ausgebrochen. 2018 wird in Wien das mit 84 Metern höchste Holzhaus der Welt, das HoHo von Architekt Rüdiger Lainer, fertiggestellt.
In Graz-Reininghaus wurde 2012 für die Wohnanlage Hummelkaserne ein Wettbewerb ausgeschrieben, der sich speziell an Teams aus Architekten und Holzbaufirmen richtete. Für die städtebauliche Anordnung lag bereits eine Studie vor. Die Wettbewerbssieger SPS Architekten und Kaufmann Bausysteme hielten sich weitgehend an diese Vorgabe und sahen vier identische sechsgeschossige Baukörper vor, die an einer Mittelachse gespiegelt sind. Im Sommer 2016 wurden die 92 Wohnungen bezogen. Sie wurden von der Stadt Graz, vorwiegend an einkommensschwächere Interessenten vergeben.
Maßgeblich für die Positionierung der Baukörper war, so die Architekten, die Maximierung des Freiraums als offenes Kontinuum. Zum benachbarten Pflegeheim hin wurde auf jegliche Umzäunung verzichtet, was sich nach anfänglicher Skepsis bewährt hat. Die Wohnungen sind nach Westen ausgerichtet, mit Blick auf die steirischen Berge, die teilweise überdachte Ost-West-Mittelachse dient als Treffpunkt.
Die Logik der Holzkonstruktion ist der von wenigen gezielten Variationen unterbrochenen ruhigen Serialität der Bauten anzusehen. Die Brettschichtholz-Fassadenlemente wurden von Kaufmann Bausysteme in der Steiermark inklusive Fenster und Jalousien produziert und in kurzer Zeit vor Ort montiert, als Verkleidung wurden hinterlüftete Lärchenholzbretter gewählt. Die Vermeidung des Brandüberschlags, die im Wohnbau oft in angestrengte Hilfskonstruktionen mündet, wurde hier zum wesentlichen Gestaltungselement: An der Westseite ziehen sich die – für den geförderten Wohnbau durchaus luxuriös dimensionierten Balkone über die ganze Breite, an den übrigen Fassaden läuft in gleicher Höhe horizontal eine verblechte Fuge zwischen der Holzschalung um das Haus.
Im Inneren wurde der Treppenhauskern in Stahlbeton ausgeführt und bewusst roh belassen, ein dezentes Farbkonzept lockert die ruppige Materialehrlichkeit auf. Auch hier bestanden beim Bauträger anfängliche Zweifel, das Wohnungsamt der Stadt zeigte sich jedoch sichtbetonbegeistert. In den Wohnungen selbst ist die Holzkonstruktion aufgrund der Verkleidung mit Gipskartonplatten leider kaum zu spüren, wie die Architekten selbst wehmütig anmerken. Sichtbar belassene Massivholzwände erwiesen sich als zu großer Sprung für den sozialen Wohnbau – vorerst zumindest, denn eines der nächsten EGW-Wohnprojekte in Graz soll in Vollholz ausgeführt werden.
Ein kleiner, aber verschmerzbarer Wermutstropfen. Denn unter dem Strich erlauben die konstruktiven Restriktionen des Holzbaus und die Einsparungen durch die Vorfertigung einen Bonus an räumlicher Großzügigkeit, der angesichts der restriktiven Budgets im geförderten Wohnbau geradezu luxuriös wirkt. Zudem dürfen sich die Bewohner über niedrige Heizkosten dank Passivhaus-Standard freuen. Es bleibt zu hoffen, dass Reininghaus in Zukunft dieses vielversprechende Niveau halten wird. Damit der erste Baustein nicht zu lange isoliert bleibt, muss allerdings bei der Infrastruktur aufs Gas gedrückt werden.
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