Taunusturm
Neue Karten fürs Quartett
Text: Paret, Lisa, Frankfurt am Main
Mit dem Taunusturm am Taunustor in Frankfurt am Main haben Gruber + Kleine-Kraneburg nicht nur eine Ergänzung für die Silhouette der Finanzmetropole geschaffen, sondern auch eine erfreuliche Bereicherung für den Wohnungsmarkt der Stadt
Rennwagen, Öltanker, Flugzeuge oder Hochhäuser – Quartettspiele gibt es in allen erdenklichen Rubriken. Zu letzterer zählt das Frankfurter Skyline-Quartett. Gemessen an Höhe, Bauzeit und „Skyline-Faktor“, der über die Sichtbarkeit in der Stadtsilhouette urteilt, wandern die Karten von einem Spieler zum anderen. Nun wäre eine Neuauflage des Spiels ratsam, denn Frankfurts jüngster Wolkenkratzer könnte schnell zu einem „Spielmacher“ avancieren: Der soeben fertiggestellte Taunusturm misst 170 Meter Höhe, errichtet in einer Bauzeit von drei Jahren, und bietet den (geschätzten) Skyline-Faktor 18 von 20 Punkten. Und er kann noch mehr: 15 Jahre Projektgeschichte, drei verschiedene Projekttitel für ebenso viele Entwürfe, zwei Besitzerwechsel. Die einzigen Konstanten: die Lage am Taunustor und die Architekten Martin Gruber und Helmut Kleine-Kraneburg.
Der Taunusturm erhebt sich inmitten des Frankfurter Bankenviertels zwischen dem Japan-Center von Ganz + Rolfes, der Commerzbank von Norman Foster (zu beiden siehe Bauwelt 46.1995) und der Grünfläche „Taunusanlage“. Der Beschluss, dieses Grundstück als Hochhausstandort zu entwickeln, fiel bereits 1998 im Hochhausrahmenplan der Stadt. Ursprünglich auf 135 Meter Höhe begrenzt, sollte der Turm mit dem 114 Meter hohen Japan-Center eine Torsituation in der Achse von Bahnhofs- und Bankenviertel bilden.
Jahrelanges Hakenschlagen
Seinen Anfang nimmt das Projekt 1999. In diesem Jahr lobt die Rheinische Hypothekenbank für das Grundstück am Taunustor, auf dem sie selbst ihren Sitz hat, einen Realisierungswettbewerb für ein Hochhaus mit Büro- und Wohnnutzung aus. Die Konkurrenz entscheiden die Frankfurter Architekten Gruber + Kleine-Kraneburg für sich. Als die Rheinische Hypothekenbank, ein Tochterunternehmen der Commerzbank, kurz darauf in der Eurohypo aufgeht und die Zentrale am Taunustor verlässt, übernimmt die Konzernmutter die Zuständigkeit für das Projekt. Mit dem Besitzerwechsel ändert sich der Entwurf ein erstes Mal: Die Commerzbank stellt als Eigentümerin des Nachbargrundstücks zusätzlichen Platz zur Verfügung, sodass die bisherigen Planungen neu ausgerichtet werden. Das „Kaiserkarree“ erhält im November 2006 die Baugenehmigung. Doch die nächsten Schritte bleiben aus, und wenige Monate später sucht die Bank einen Käufer für das Projekt. Im Dezember 2007 erwerben die Commerz Real AG und die amerikanischen Projektentwickler Tishman Speyer das Grundstück. Diesem zweiten Besitzerwechsel folgt, unter Beibehaltung der Architekten, die grundlegende Überarbeitung des Entwurfs. Das neue Hochhaus wird bei gleicher Bruttogeschossfläche schmaler, schlanker und damit höher: Die Seitenlängen werden von 50 auf 35 Meter reduziert, in der Höhe gewinnt der Turm zu den bisherigen 135 Metern weitere 35 dazu. Dadurch wird das Hochhaus nicht nur präsenter im Ensemble der Hochhäuser in der Umgebung, es entsteht auf der Grundfläche auch mehr Platz für den Wohnturm. Außerdem vereinfachen die Architekten die Grundform des Gebäudes und ersetzen die ehemals dunkle Fassade durch eine helle Haut aus Glas und Naturstein. Das Projekt wird, in Tradition weiterer Frankfurter Tishman Speyer-Projekte wie dem Messeturm und dem Opernturm, in „Taunusturm“ umbenannt. Im Januar 2012 folgt schließlich die offizielle Grundsteinlegung.
Ensemble aus drei Teilen
Der Gebäudekomplex besteht aus einem Bürohochhaus, einem separaten Wohnturm und dem „Podiumsgebäude“, das beide miteinander verbindet und quasi als Sockel des Wohnturms fungiert. Formal arbeiten die beiden Ungers-Schüler Martin Gruber und Helmut Kleine-Kraneburg mit Vor- und Rücksprüngen sowie Verschachtelungen. Im Sockel leitet diese Differenzierung geschickt den Büroturm ein und belebt den Stadtraum für Passanten. Die öffentliche Nutzung der ersten drei Geschosse verstärkt diesen Effekt und äußert sich gestalterisch entlang der Neuen Mainzer Straße in höhengestaffelten Arkaden und auf der Parkseite in Form einer Promenade. Leicht abgerückt von der Kreuzung Neue Mainzer Straße/Große Gallusstraße orientiert sich der dreigeschossige Haupteingang des Bürohochhauses zum Taunustor, entsprechend der Blickachse von der Innenstadt zum Bahnhofsdistrikt. Der Sockel erfährt durch einen schlicht gestalteten Fries im vierten Obergeschoss, hinter dem sich eine Technikebene befindet, Halt und Raffinesse, bevor sich darüber die Büroebenen in den Himmel türmen.
Die Kubatur des Büroturms beruht auf zwei ineinander geschobenen Quadraten, die den Grundriss bilden. In ihrem Zentrum liegt ein Kern, über den der 40-Geschosser erschlossen wird. Um diesen herum verläuft der stützenfreie Büroraum ringförmig an den Fassaden entlang. Im Gebäudekopf wer-den die gegengleichen Dachschrägen der beiden verspringenden Türme mit einer „Schleife“ zusammengeführt. Eine klare Formensprache bestimmt die Fassadengestaltung. Zwischen schmalen Kalksteinelementen, die die Tragstruktur der Fassade offenbaren, liegen flächenbündige zweigeschossige Fenster. Im Gebäudekopf werden diese weit überhöht, was formal den aufstrebenden Charakter des Turms stärkt, funktional aber Erwartungen weckt, die die Räume dahinter nicht einlösen – hier befindet sich nur die Technik. Äußere Gestalt und Materialität setzen sich in den Innenräumen fort. In Kalkstein gekleidet zeigt sich die 12 Meter hohe Lobby, die sich großzügig zum Park öffnet und bei Sonnenschein, wenn die Fassadenstützen ihren Schatten werfen, an die weihevolle Weite sakraler Räume denken lässt.
Das sechsgeschossige Podiumsgebäude vermittelt zum historischen Bestand, der sich im Süden anschließt. Einerseits greifen die Architekten hier die Fassadengliederung des Büroturms auf, andererseits wandeln sie sie in Details ab, um der Maßstäblichkeit der Nachbarbebauung gerecht zu werden. Durch Rücksprünge zu beiden Gebäuden sowie ein Staffelgeschoss erscheint der Podiumsbau im Straßenraum als eigenständiges Gebäude, das auf das nebenstehende Hochhaus hinleitet. Das Podium erstreckt sich über die gesamte Breite des Grundstücks bis zum Park und bildet somit den Sockel für den Wohnturm. Während im vierten bis sechsten Obergeschoss separat erschlossene Büroflächen liegen, befindet sich im ersten Obergeschoss eine öffentliche Kantine, die sich im Westen zur Wallanlage öffnet. Von der Promenade aus erreicht man über einen Buchladen mit Café die im zweiten Obergeschoss untergebrachte Dependance des Frankfurter Museums für Moderne Kunst. Den Ausbau der 2000 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche, die im Oktober eröffnet werden soll, hat das Berliner Architekturbüro Kuehn Malvezzi übernommen.
Begünstigte Wohnlage
Der 63 Meter hohe Wohnturm bildet mit seiner Innenstadtlage eine für Deutschland neue Wohnform aus. Die Stadt schrieb bereits bei Planungsbeginn eine anteilige Wohnnutzung vor. Dies stellt eine stärkere Nutzungsdurchmischung des Bankenviertels her und schafft neuen und dringend erforderlichen Wohnraum im Zentrum der Stadt. Während die Wohnungen zu „Kaiserkarree“-Zeiten im Turm integriert waren, wanderten sie im Projekt „Taunusturm“ in ein separates Hochhaus aus, was die Funktionalität und Eigenständigkeit des Büroturms stärkt. Die Nähe der beiden Hochhäuser nimmt den unteren Bürogeschossen jedoch die Fernsicht und den Wohnungen ein Stück Intimität. In der Folge ist die nördliche Fassade des Wohnturms stärker geschlossen. Die Belichtung der dahinter liegenden Räume erfolgt statt durch große Fenster und Loggien, die die anderen drei Ansichten prägen, über seitlich eingeklappte Fensternischen. Die horizontale Gliederung wirkt gegenüber dem Büroturm gedrungener und stärker mit dem Boden verhaftet. 44 Wohneinheiten unterschiedlichster Größe entstanden im Inneren, vom Ein-Zimmer-Pendler-Apartment bis zum Penthouse mit Dachterrasse, die Mietpreise reichen von knapp 16 bis 35 Euro pro Quadratmeter. Das Gebäude wird von der neuen Promenade erschlossen, und bei seiner begünstigten Lage an der Grünanlage liegt die Assoziation „Mainhattan“ nicht weit. Nur der Skyline-Faktor dürfte etwas kleiner ausfallen als beim großen Bruder.
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