The Broad in Los Angeles
In Los Angeles haben die New Yorker Architekten Diller Scofidio + Renfro nicht bloß ein Kunstmuseum errichtet. Das Gebäude ist zugleich Schauraum, Depot, Stiftungssitz und kultureller Stimulator.
Text: Drewes, Frank F., Herzebrock-Clarholz
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Die Fassade zur Grand Avenue mit der markanten Einwölbung vor dem Auditorium.
Foto: Iwan Baan
Die Fassade zur Grand Avenue mit der markanten Einwölbung vor dem Auditorium.
Foto: Iwan Baan
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Die Lobby mit zartem Glasvorhang als zweiter Fassade.
Foto: Iwan Baan
Die Lobby mit zartem Glasvorhang als zweiter Fassade.
Foto: Iwan Baan
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Der plastische Rolltreppenschlund entstand vorwiegend als Trockenbau
Foto: Iwan Baan
Der plastische Rolltreppenschlund entstand vorwiegend als Trockenbau
Foto: Iwan Baan
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Besucher vor dem Fenster, durch das man eine Blick ins Depot, den „Tresor“, werfen kann.
Foto: Iwan Baan
Besucher vor dem Fenster, durch das man eine Blick ins Depot, den „Tresor“, werfen kann.
Foto: Iwan Baan
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Das Depot im Zwischengeschoss
Foto: Iwan Baan
Das Depot im Zwischengeschoss
Foto: Iwan Baan
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Die „Oculus Hall“ im Zwischengeschoss
Foto: Elizabeth Daniels
Die „Oculus Hall“ im Zwischengeschoss
Foto: Elizabeth Daniels
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Blick auf die schleierartige Fassade und den Anschluss an die Oberlichter in der Hauptausstellungsebene im obersten Geschoss
Foto: Iwan Baan
Blick auf die schleierartige Fassade und den Anschluss an die Oberlichter in der Hauptausstellungsebene im obersten Geschoss
Foto: Iwan Baan
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Stellwände mit Werken von Rauschenberg, Warhol und Ruscha
Foto: Iwan Bann
Stellwände mit Werken von Rauschenberg, Warhol und Ruscha
Foto: Iwan Bann
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Die öffentliche Plaza wurde mit alten Olivenbäumen bestückt
Foto: Iwan Baan
Die öffentliche Plaza wurde mit alten Olivenbäumen bestückt
Foto: Iwan Baan
Eine architektonische Idee ist nur dann klar, wenn sie auf dem Rücken eines Streichholzheftchens skizziert werden kann. Übersetzt man diese Aussage Peter Zumthors ins digitale Zeitalter könnte sie lauten: Eine architektonische Idee ist nur dann klar, wenn sie als Password zum WLAN-Netz herhalten kann. theveilandthevault (der Schleier und der Tresor) ist der Zugangscode ins Internet für die Besucher von Los Angeles’ neuem Museum für zeitgenössische Kunst – The Broad.
Schleier und Tresor waren für Elizabeth Diller, die Projektverantwortliche von Diller Scofidio + Renfro, die Quintessenz des von den Bauherren Eli und Edythe Broad geforderten Programms. Die Klarheit dieser Idee hat sie eisern bis zum Ende verteidigt, denn Eli Broad steht durchaus im Ruf, eine streitbare und dominante Größe zu sein, die schon Architekten wie Frank Gehry in die Flucht geschlagen hat. Aber nach Projekten wie der High Line, dem Lincoln Center Redevelopment, den aktuellen Erweiterungsplanungen für das MoMA in New York und drei weiteren Museen, die sich im Bau befinden, haben sich Diller Scofidio + Renfro nach Jahren mit primär theoretischen Projekten und Installationen für die Kunstwelt, einen soliden Platz unter den Museumsspezialisten erarbeitet.
Eli Broad, der als geistiger Vater der (kulturellen) Revitalisierung von Downtown L.A. gilt, entschied sich für ein Grundstück in Innenstadtlage an der Grand Avenue. Zwischen einem schlichten Apartmentturm mit arrhythmischer Lochfassade von Arquitectonica und der schillernden Drapage von Frank Gehrys Walt Disney Concert Hall gelegen, wurde es als Parkplatz genutzt. Der fulminanten Symphonie Gehrys stellt Diller die schlichteste aller Formen entgegen, eine Box auf quadratischer Grundfläche mit 61 Meter Kantenlänge. Die Raffinesse dieser scheinbar einfachen Form liegt aber im Detail und im Innenraum, der ähnlich dramatisch, aber weitaus überzeugender formuliert ist als in der Disney Concert Hall.
Die Hülle dieser Box ist durch Rauten perforiert, die sich gleichförmig über alle fünf Seiten erstrecken, das Dach eingeschlossen. Google Earth bietet einen Blick auf die perfekt durchgestaltete Dachfläche, die aus Skylights besteht, die für eine exakte Nordorientierung diagonal verlaufen und logischerweise auch auf den Ansichten als Schrägen fortgeführt wurden. Die 2500 Module der Hülle, ausgeführt in 380 Varianten, bestehen aus zwei dünnen Schichten glasfaserarmiertem Weißbeton und sind auf das tragende Stahlgerüst montiert.
Was in den Renderings noch wie ein luftiger Schleier aussah, erinnert in der Ausführung eher an die autistische Optik von Egon Eiermanns Horten-Fassade und erlaubt nur marginale Aus- und ein Einbicke. Allerdings bringen die biomorphe Detaillierung der Waben, die Wölbung in der Straßenansicht und vor allem das Lüften des „Schleiers“ an allen vier Ecken Spannung und wecken Neugierde. Tatsächlich öffnet sich dieser weiße Monolith, für Los Angeles ungewöhnlich, großzügig und ebenerdig zum Straßenraum – ohne Stufen, Rampen oder Mauern. Die auf Distanz hinter der Fassade stehende, rahmenlose und großformatige Glasfront trennt das überraschend dunkle und höhlenartige Foyer vom Straßenraum ab. Die dunkel verspachtelten und organisch geformten Trockenbauwände des Eingangsbereiches entwickeln sich nahtlos zur Decke und korrespondieren mit den Waben der Fassade. Sie deuten die Unteransicht des Kunst-archivs („Tresor“) an, das als Herz des Gebäudes zwischen dem Foyer und dem tagesbelichteten Obergeschoss liegt.
Ein Aufzug mit hydraulisch geführtem Glaszylinder, eine Rolltreppe sowie eine Treppe münden in ein und denselben Knotenpunkt im Zentrum des Obergeschosses, unmittelbar zwischen der Kunst. Hier wird auch die konsequente Fortführung der Dachfläche in die Fassade spürbar, vor allem aber der Luxus eines stützenfreien Raumes mit einer Fläche von 3250 Quadratmetern. Die Ausstellungswände sind über vorgegebene Ankerpunkte im Boden platzierbar und bleiben zur Tageslichtdecke, die als luftiger Abschluss die Ausstellung krönt, deutlich auf Distanz.
Tresor
Die Zwischenebene nimmt das Archiv, die Büroräume, sowie einen Vortragssaal auf, der durch die Wölbung in der Fassade nach außen angedeutet wird. Hier durchstoßen die Betonrauten sogar die dahinterliegende Glashaut und ziehen sich, nun aus Fiberglas, in den Innenraum, wo sie am Glas zu kleben scheinen. Jeder Besucher durchkreuzt diese Zwischenebene zweimal: auf dem Weg nach oben fast zwangsläufig mit der Rolltreppe, die einladend durch eine schlund-förmige Röhre führt und direkt in die 13,40 Meter über Straßenniveau liegende große Halle führt. Für den Weg nach unten bietet sich die Treppe an, die in ihrem mäandrierenden Verlauf gleich zweimal Einblicke in das Kunstarchiv erlaubt: Hier wird das Bild des Tresors besonders deutlich, denn der Treppenraum ist dunkel wie eine Höhle und der Blick in das helle Archiv gleicht dem in eine Schatzkammer.
Olivenhain
Im Erdgeschoss befinden sich weitere Ausstellungs- und Archivflächen sowie der Museumsshop, der nur wenige, ausgewählte Bücher über Künstler der Sammlung, erlesene Editionen und Designartikel bietet, die eher kuratiert als präsentiert wirken. Ein Café sucht man im in diesem Museum vergebens. Stattdessen befindet sich draußen ein separates Restaurant im Bau. Der Weg dorthin führt durch einen neuen „Pocket-Park“, der im Schatten 100-jähriger Olivenbäumen Entspannung bietet.
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