Bauwelt

Vom Domhof... zum Michaelisplatz


Stadtentwicklung mit dem Welterbe-Band


Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin


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    Platten aus Granit führen als „Welterbe-Band“ die Besucher der Stadt zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Hildesheim. Die Kirche St. Martini ist heute Teil des Roemer- und Pelizaeus-Museums. Links die Mauer des Domhofs
    Foto: nsp Christoph Schonhoff

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    Platten aus Granit führen als „Welterbe-Band“ die Besucher der Stadt zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Hildesheim. Die Kirche St. Martini ist heute Teil des Roemer- und Pelizaeus-Museums. Links die Mauer des Domhofs

    Foto: nsp Christoph Schonhoff

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    Burgstraße, Ecke Alter Markt: Die Querstraße harrt noch der Erneuerung. Hinten der Turm der Andreaskirche
    Foto: nsp Christoph Schonhoff

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    Burgstraße, Ecke Alter Markt: Die Querstraße harrt noch der Erneuerung. Hinten der Turm der Andreaskirche

    Foto: nsp Christoph Schonhoff

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    Blick in die umgestaltete Burgstraße nach Norden, im Hintergrund die Kirche St. Michael
    Foto: nsp Christoph Schonhoff

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    Blick in die umgestaltete Burgstraße nach Norden, im Hintergrund die Kirche St. Michael

    Foto: nsp Christoph Schonhoff

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    Die Kirche St. Michael wurde im Jahr 1033 geweiht. Die seit dem 19. Jahrhundert im Dom aufgestellte Bernwardsäule stand ursprünglich hier, hinter dem Kreuzaltar im Osten der Kirche. Wahrscheinlich wurde auch die Bernwardstür ursprünglich für St. Michael gegossen.
    Foto: nsp Christoph Schonhoff

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    Die Kirche St. Michael wurde im Jahr 1033 geweiht. Die seit dem 19. Jahrhundert im Dom aufgestellte Bernwardsäule stand ursprünglich hier, hinter dem Kreuzaltar im Osten der Kirche. Wahrscheinlich wurde auch die Bernwardstür ursprünglich für St. Michael gegossen.

    Foto: nsp Christoph Schonhoff

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    Die Neugestaltung des grünen Hügels von St. Michael war Anlass des Projekts
    Grundriss im Maßstab 1:1000

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    Die Neugestaltung des grünen Hügels von St. Michael war Anlass des Projekts

    Grundriss im Maßstab 1:1000

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    Foto: nsp Christoph Schonhoff

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    Bei Nacht wird die Kirche von dünnen Lichtlinien „unterstrichen“
    Foto: Peter Wegert

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    Bei Nacht wird die Kirche von dünnen Lichtlinien „unterstrichen“

    Foto: Peter Wegert

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    Die Michaelisstraße in Richtung Westen. Parken ist nur auf der Südseite der Straße gestattet.
    Foto: nsp Christoph Schonhoff

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    Die Michaelisstraße in Richtung Westen. Parken ist nur auf der Südseite der Straße gestattet.

    Foto: nsp Christoph Schonhoff

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    Die Sonnenseite bleibt frei für Fußgänger und Welterbe-Band.
    Foto: nsp Christoph Schonhoff

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    Die Sonnenseite bleibt frei für Fußgänger und Welterbe-Band.

    Foto: nsp Christoph Schonhoff

Der Weg ist nicht weit vom Hildesheimer Dom zur Michaeliskirche: Man verlässt den Großen Domhof durch das Paulustor in der Nordwestecke, wendet sich nach rechts und sieht die ottonische Basilika schon am Ende der Burgstraße aufragen. Der querende Straßenzug Dammstraße/Pfaffenstieg stellt, da recht stark befahren, ein gewisses Hindernis dar, die Burgstraße aber wie auch ihre Querstraßen sind ein ruhiges Quartier aus der Epoche des Wiederaufbaus der im März 1945 weitgehend zerstörten Stadt.
Was in der Perspektive der Straße sofort ins Auge fällt, ist – neben der Wucht der romanischen Architektur – die ganz andere topographische Situation von St. Michael im Vergleich zum Dom: Während jener wie eingesunken inmitten der Umbauung des eher steinernen Domhofs steht, erhebt sich diese hoch auf einem grünen Hügel über die Stadt. Und während im Dom die romanischen Ausstattungsstücke in neuen Zusammenhang gestellt worden sind, ist es hier vor allem eine Raumoberfläche, die den kunstgeschichtlich Interessierten ins Innere lockt: die romanische Monumentalmalerei an der Decke des Hauptschiffs. Die beiden Kirchen, die gemeinsam seit 1985 das Hildesheimer Weltkulturerbe bilden, ergänzen sich also auf mehrfache Weise, und wer eine der beiden besucht, sollte den Weg zur anderen nicht scheuen.
Dieser Weg ist auch nicht mehr zu verfehlen, denn Hildesheim besitzt neuerdings ein „Welterbe-Band“, einen langen Streifen aus granitenen Platten, der die Besucher zu den beiden Welterbestätten und zu anderen Sehenswürdigkeiten der Stadt führt: Vom Dom zu St. Michael, von St. Michael zum Marktplatz, vom Marktplatz zur Kreuzkirche und von dort zurück zum Dom. Die Hannoveraner Landschaftsarchitekten und Stadtplaner vom Büro nsp Christoph Schonhoff hatten den freiraumplanerischen Wettbewerb für die Neugestaltung des Michaelisplatzes im Jahr 2008 nicht zuletzt dank dieser Idee gewonnen: die Umgestaltung des öffentlichen Raums zu Füßen der Kirche als Anstoß zur Stadtentwicklung zu nutzen. Die Gelegenheit dafür war günstig, hatte der Bund dem Land Niedersachsen doch gerade 20 Millionen Euro Fördermittel für die UNESCO-Welterbestätten zur Verfügung gestellt. Dass mit 19 Millionen fast die gesamte Summe nach Hildesheim geflossen ist, verdankt sich auch dem Projekt von nsp Christoph Schonhoff – Vernetzung schafft Großprojekt.
Ein bisschen Entwicklung kann das Zentrum von Hildesheim durchaus gebrauchen. Seine Bausubstanz wie seine Stadträume datieren bis auf wenige zusammenhängende Bereiche ganz im Süden und ein paar verstreute Einzelobjekte aus der Zeit des Wiederaufbaus, weshalb sich die üblichen Erneuerungsaufgaben in großer Zahl stellen: Straßen und Plätze entsprechen nicht mehr heutigen Nutzungs- und Gestaltansprüchen, Gebäudehüllen bedürfen der Renovierung, Wohnungsgrundrisse sind nicht mehr zeitgemäß. Greift die Erneuerung auf allen Ebenen und ohne Auge für Qualitäten und Besonderheiten, kann ein Quartier schnell seine atmosphärische Identität verlieren. Im Michaelisviertel immerhin scheint das Bewusstsein inzwischen geweckt, dass auch ein Straßenzug aus den fünfziger Jahren eine Stimmung haben kann, die sich weiterzudenken lohnt, wie sich an einer Sanierung wie der des stadtbildprägenden Eckhauses Burgstraße/Michaelisplatz zeigt, bei der das zeittypische Sgraffito nicht hinter Dämmplatten verschwunden ist. Das „Welterbe-Band“ und die mit ihm verbundene Neufassung von Burgstraße, Langer Hagen und Michaelisstraße (der Alte Markt zeigt heute noch sein, wenn auch abgenutztes, Gewand der Nachkriegszeit) haben in den letzten Jahren dazu beigetragen, das Verständnis für Vorhandenes und Bewahrenswertes zu befördern.
Der Beginn der Erneuerung des rund 25 Hektar großen Stadtumbaugebiets lässt sich auf das Jahr 2007 datieren. Damals wurde das Michaelisviertel ins Bundesprogramm „ExWoSt“ aufgenommen; Zielstellung war es, hier „Neues Wohnen in Hildesheim“ zu entwickeln. Aufgrund seiner zugleich zentralen wie ruhigen Lage war das Potenzial des Quartiers groß. Damals überwogen allerdings die Probleme. Außer den genannten baulichen und räumlichen Mängeln hatte das Viertel auch den „Generationensprung“ noch nicht geschafft: Seine Bewohner wurden älter und weniger, Leerstände häuften sich im Wohnungsbestand wie bei den Gewerbeflächen. Nur als Abstellfläche für private PKW erfreute sich das Viertel einer stabilen Nachfrage: Das östlich gelegene Geschäftszentrum ließ den Parksuchverkehr nie abreißen.
Heute versteht es die Stadt, mit regelmäßigen Kontrollen die durch die Umgestaltung wieder zum öffentlichen Raum gewordenen Flächen von wild abgestellten Fahrzeugen frei zu halten. In der Burg- und Michaelisstraße darf nur noch einseitig in Längsrichtung geparkt werden, die Straßen rund um die Kirche bleiben gleich ganz frei. Und so lassen sich die weiten Flächen zu Füßen des grünen Hügels nicht nur mit dem Auge genießen, sondern auch lebendiger nutzen: Der Betreiber des neu eröffneten Cafés an der Ecke Burgstraße etwa stellt Stühle und Tische auf die von der Nachmittagssonne beschienene Fläche auf der anderen Straßenseite, dort, wo die neue Treppe hinauf zur Michaeliskirche ansetzt.
Diese Freitreppe ist das auffälligste, aber auch umstrittenste Element der Erneuerung; sie verbessert nicht nur die Verbindung von Kirche und Stadtraum, sondern dient auch als eine Art gestufter Platz, den die Gemeinde für Veranstaltungen nutzen kann: Die Zwischenabsätze sind breit genug, um sich zu versammeln oder sich auf einer der Stufen niederzulassen, die sich in den Rasen hinein verlängern. Die Treppe wirkt großzügig und ist bequem zu gehen – warum provoziert sie Widerspruch? Christoph Schonhoff verweist aufs Material. Für die Stufen wie auch für die Blöcke, die als Stützmauer des Hügels dienen, kam ein heller Beton zum Einsatz. Bei Dunkelheit, wenn die Wahrnehmung der Materialität nachlässt, schneiden helle, in die Stufen integrierte Lichtlinien in den dunklen Hügel und unterstreichen die erhöhte Lage der Kirche. Ergänzt werden die Betonstreifen durch Pflasterflächen aus chinesischem Sandstein von unterschiedlicher Tönung (im jetzt zum Michaelisplatz hin offenen Bereich des Kreuzgangs wurde chinesischer Granit verlegt). Zusammen mit den ebenfalls vom Büro nps entworfenen, feingliedrigen Lichtstelen und dem durch Zuschläge aufgehellten Asphalt der Fahrbahnen prägt den Michaelisplatz und das Michaelisviertel jetzt eine unmissverständlich gegenwärtige Gestaltung, die deutlich macht, dass es sich bei dieser Baumaßnahme nicht um die Wiederherstellung eines historischen Zustands handelt – eine überraschende Haltung in einer Stadt, von der man es seit dreißig Jahren gewohnt ist, dass sie mit mehr oder minder zweifelhaften Rekonstruktionsprojekten einem einst hochrangigen, obschon verlorenen Stadtbild nachtrauert. Sollte sich hier tatsächlich ein Verschwenken des jahrzehntelang aufs Vergangene fixierten Fokus manifestieren? Fast siebzig Jahre nach Kriegsende wäre die Zeit dafür allemal reif.



Fakten
Architekten nsp Christoph Schonhoff, Hannover
Adresse Michaelispl., 31134 Hildesheim


aus Bauwelt 46.2014
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