Waidhofen/Ybbs
Ortszentren stärken
Text: Bettel, Sonja, Wien
Ein Architekt, der in Waidhofen aufgewachsen ist, gewinnt den Wettbewerb für die Neugestaltung des Ortszentrums. Sein Credo: der Ort muss nicht neu gestaltet, sondern nur wieder benutzt werden.
Eine wesentliche Qualität der Arbeit in Waidhofen/Ybbs besteht in der Verbindung von Denkmalpflege, Ensembleschutz und Ideenreichtum in einem über Jahre laufenden Gesamtprojekt. Ende der 80er hatte die Gemeinde überlegt, auf welche Weise sie attraktiv für neu anzusiedelnde Firmen werden könne, mit welchen Schritten sie ins 21. Jahrhundert gehen möchte und wie sie es dabei mit der zeitgenössischen Architektur hält. 1991 wurde ein Wettbewerb für ein Gestaltungs- und Verkehrskonzept für das Ortszentrum ausgeschrieben. Dazu wurden fünf Architekten mit eigenem Bezug zu Waidhofen/Ybbs eingeladen. Den Wettbewerb gewann Ernst Beneder mit einem weit über das Geforderte hinausgehenden Konzept aus 14 Planungselementen. Der in Waidhofen aufgewachsene Architekt war überzeugt, dass der Ort nicht neu gestaltet, sondern nur „wieder benutzt“ werden müsse, und dass dies erst im Zusammenwirken vieler Maßnahmen möglich se
Die einzelnen Elemente sollten mit den Bürgern gezielt diskutiert und dann über einen längeren Zeitraum nacheinander realisiert werden. So fanden neben Präsentationsrunden, Foren und Ausstellungen auch wöchentliche Sprechstunden mit dem Architekten statt. Durch die große Bürgerbeteiligung am gesamten Neugestaltungsprozess gelang es beispielhaft, ein zunächst umstrittenes Vorhaben für alle zufriedenstellend abzuschließen.
Das erste Projekt, das Beneder zwischen 1993 und 1995 ausführte, war die Neugestaltung des Rathauses aus dem 14. Jahrhundert. Mit einer leichten Tragkonstruktion und zeitgemäßen Materialien konnte er das Gebäude von unzähligen Einbauten befreien und die Nutzfläche um ein Drittel vergrößern. Seine Idee einer Parkgarage in der Ortsmitte wurde aufgrund von Widerständen nicht umgesetzt. 1997 realisierte er hingegen den Uferweg an der Ybbs und den Umbau des Heimatmuseums samt Ausstellungsraum am Oberen Stadtplatz.
Im Jahr 2000 wurde das „Stadtprojekt Waidhofen“ für die Gestaltung der Plätze in der Altstadt in Angriff genommen. Zunächst war eine Generalsanierung vonnöten. Auf das ursprüngliche Pflaster war im Laufe der Zeit immer mal wieder Asphalt aufgetragen worden. Am Ende war der Platz so gewölbt, dass bei starkem Regen Wasser in die Geschäfte lief. Nun wurde die Oberfläche zur Mitte hin abgesenkt und der Platz einheitlich gepflastert. Da sich die ansässigen Einzelhändler gegen eine Fußgängerzone aussprachen, ist der Platz weiterhin befahrbar. Parkplätze sind über im Boden verankerte Metallhülsen markiert, in die bei Marktbetrieb und Veranstaltungen Schirme und Energiepoller eingesteckt werden können. Auf eine Möblierung des öffentlichen Raums wurde verzichtet. Das Beleuchtungskonzept der Altstadt nimmt sich zurück, markante Punkte werden jedoch durch Lichtprojektionen hervorgehoben. Zwei moderne Brunnen, auch nach einem Entwurf von Ernst Beneder, betonen zusätzlich den urbanen Gestus. Nicht alle Bürger waren von den Umbauplänen im Ortszentrum begeistert. Zuerst wurde über Bäume und Pflasterung diskutiert, später über die Entfernung eines der neuen Brunnen.
Fortgesetzt wurde die Debatte wenige Jahre später über das Rothschild-Schloss, das die Stadt 2002 erwarb und für dessen Umgestaltung sie Hans Hollein gewann. Während seine Maßnahmen größtenteils auf Zustimmung stießen, wurde der auf den Turm gesetzte Glaskubus zum Teil heftig kritisiert. Um die Gemüter zu beruhigen, opferte der Bürgermeister 2007 einen der unbeliebten Brunnen.
Im Jahr 2008 wurde in der Altstadt eine neue Turnhalle errichtet und das Schulzentrum mit integrierter Musikschule durch einen Anbau in kristalliner Kubatur erweitert (Architekten: Sam Ott-Reinisch). Vor eineinhalb Jahren hat die Gemeinde begonnen, ein räumliches Entwicklungskonzept für alle Ortsteile zu erstellen; ein Innenstadt-Baubeirat diskutiert jedes Bauvorhaben in Hinblick auf Denkmal- und Ensembleschutz und auf die Dachlandschaft.
Inzwischen haben sich mehrere Firmen und Privatpersonen zu anspruchsvollen Neu- und Umbauten im Ortszentrum anregen lassen. Das in Waidhofen/Ybbs ansässige junge Architekturbüro W30 hat sich die Revitalisierung von leerstehenden Wohnungen in der Altstadt zur Forschungs- und Planungsaufgabe gemacht und überzeugt durch Um- und Ausbauten selbst alteingesessene Waidhofener davon, dass man auch im historischen Ortskern zeitgemäß wohnen kann und nicht im Speckgürtel bauen muss.
Durch spezielle Förderanreize und eine aktive Leerflächen- und Ansiedlungspolitik konnten in den letzten Jahren die Erdgeschosszonen aktiviert werden. An Konzepten für die zum Teil noch leerstehenden Obergeschosse im Zentrum wird derzeit u.a. im Rahmen eines Projekts der Niederösterreichischen Wohnbauforschung gearbeitet.
Sonja Bettel
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