Bauwelt

Wohnsiedlung "Gustav-Freytag-Strasse 1"


Modellprojekt für das Stadtzentrum


Text: Fengel, Heidi, Wolfsburg


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    Foto: Udo Meinel

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Die ersten Wohnblöcke der „Stadt des KdF-Wagens“ bedürfen der Erneuerung. Der Denkmalstatus verbietet eine gewöhnliche Außendämmung. Fehrenberg + Partner haben mit Vertretern verschiedener Fachdisziplinen am Beispiel eines Gebäudes Alternativen entwickelt, wie die „Altstadt“ von Wolfsburg zukunftstauglich gemacht werden kann. Unsere Autorin, Denkmalpflegerin der Stadt, gewährt Einblick in die Vorbereitung.
Die Wohnungsbaugesellschaft Neuland ist eine GmbH, in der die Stadt Wolfsburg Gesellschafterin ist. Daneben ist die Stadt Wolfsburg als Untere Denkmalschutzbehörde zuständig für Genehmigungen im Rahmen des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes. Hieraus hat sich eine konstruktive Form der Zusammenarbeit entwickelt, die Grundlage für die Idee dieses Pilotprojekts war. Außerdem gab es kaum vergleichbare publizierte Projekte, auf die man hätte zurückgreifen können.
Das Modellprojekt „Gustav-Freytag-Straße 1“ ist aus der Notwendigkeit heraus entstanden, vielerlei Aspekte einer energetisch orientierten Sanierung des Wohnungsbestands der Neuland in der Wolfsburger Innenstadt so zusammenzuführen, dass dem Denkmalschutz Rechnung getragen wird und gleichzeitig Standards erarbeitet werden, die auf möglichst viele Gebäude der sogenannten Höfe übertragbar sind.
Die „Höfe“ sind von besonderer Bedeutung für Wolfsburg, da sie zur ersten Phase der Stadtentwicklung gehören. Die denkmalgeschützten Mehrfamilienhäuser aus den 1930er und 1940er Jahren sind als zwei- bis dreigeschossige Blockbebauung um Erschließungsstraßen angeordnet und nach dem Prinzip der Industriestadt als Gartenstadt geplant worden. Die Architektur der Höfe lehnt sich an klassizistische Vorbilder an und ist darüber hinaus mit Elementen des Heimatschutzstils ausgestattet. Das Äußere der Häuser wirkt auf den ersten Blick schlicht; lediglich durch die Gestaltung der Hauseingänge oder Balkonkonstruktionen werden Akzente gesetzt. Die großzügige Begrünung und die Nähe zur Innenstadt machen sie jedoch zu einer begehrten Wohnlage, in der ein vergleichsweise geringer Leerstand zu verzeichnen ist – jedoch eine zunehmende Fluktuation.
Trotz der Qualität der Lage und der relativ guten Bausubstanz gibt es Defizite, die grundlegend zu behandeln sind, weil Mieter heute höhere Anforderungen stellen als zur Bauzeit der Höfe und damit eine wirtschaftliche Vermarktung immer schwieriger wird. So lässt die einheitliche Größe der Wohnungen keine Altersdurchmischung zu, auch sind die Grundrisse wenig familiengeeignet. Insgesamt entsprechen die Zuschnitte nicht mehr den Anforderungen unserer Zeit, und schließlich weisen die Wohnungen eine für heutige Verhältnisse unterdurchschnittliche Ausstattung auf. Der technische Zustand erfordert darüber hinaus einen hohen Erhaltungsaufwand.
Ziel der Modernisierung sollte eine behutsame, zukunftsorientierte und nachhaltige Gebäudesanierung unter Berücksichtigung von Denkmaleigenschaft, Energieeffizienz, Wohngesundheit und Wirtschaftlichkeit sein – verfolgt in einem Projekt mit Modellcharakter durch frühzeitige Einbindung von Fachbeteiligten mit unterschiedlichen Inhaltsschwerpunkten. Die Methode sollte auf weitere Neuland-Bestände übertragbar sein (Sanierungsleitfaden). Das Ergebnis wird wissenschaftlich begleitend erforscht, um Soll- und Ist-Daten zu ermitteln. Das Haus Gustav-Freytag-Straße 1 wurde für die modellhafte Sanierung ausgewählt, weil es zwei weitere vollkommen identische Gebäude gibt, von denen eines unsaniert bleibt, um durch Vergleichsmessungen die tatsächlichen Energieeinsparungen zu ermitteln und zu dokumentieren.
Die Herangehensweise an das Vorhaben bestand darin, dass jede Fachdisziplin – Wohnungswirtschaft, Denkmalschutz, Architektur, Bauforschung, Bauphysik, Haustechnik, Tragwerksplanung – den Bestand zunächst erfasste und ihn dann technisch und fachlich bewertet hat, und zwar getrennt für jedes einzelne Bauteil. Das Ergebnis wurde in Exel-Tabellen mit Ampelfarben festgehalten. Auf der Grundlage dieser Bestandsbewertung sind mit allen Beteiligten verschiedene Ausführungsvarianten erarbeitet worden, wobei Ergebnisoffenheit Überlegungen in alle Richtungen garantieren sollte. Es entstanden jedoch so viele Varianten mit nochmaligen Untervarianten, dass es enormen Aufwand bedeutet hätte, sie alle bis zum Endstadium durchzurechnen und zu bewerten, so dass es sinnvoll erschien, sich auf vier Varianten zu beschränken.
Variante 1 | Verbesserung des Schallschutzes durch ein „Vorspannen“ der Geschossdecken, den Einbau biegeweicher Schalen vor die Treppenhauswände und den Austausch der Wohnungseingangstüren unter Beibehaltung der vorhandenen Optik. Abgehängte Gipskartondecken dienen einer Erhöhung des Brandschutzes. Im Obergeschoss wird eine Innendämmung vorgenommen, indem auf der Raumseite vor die Außenwände eine Bimssteinschale aufgemauert wird – das gleiche Material, aus dem die vorhandenen Außenwände bestehen. Die unterste und die oberste Geschossdecke werden ebenfalls gedämmt. Die Holz-Kastenfenster werden instand gesetzt. Das vorhandene Fernwärmesystem wird weiterhin genutzt, jedoch erfolgt die Wärmeübergabe über ein Heizleistensystem. Alle Fußböden werden schwellenlos umgebaut.
Variante 2 | Gegenüber Variante 1 wird in allen Geschossen eine Innendämmung aus kapillaraktiven Materialien vorgenommen. Die vorhandenen Kastenfenster werden mit einer innenseitigen Wärmeschutzverglasung ausgestattet.
Variante 3 | Zusätzlich zu den Maßnahmen der Variante 2 wird eine Solaranlage installiert, und Lüftungstechnik in Form ei­ner Fensterfalzlüftung mit einer definierten Luftwechselrate sorgt für ein konstantes Raumklima.
Variante 4 | Hier wird eine Außendämmung mit Wärmedämmverbundsystem angenommen sowie die Erneuerung der Fenster mit einer 3-Scheiben-Wärmeschutzverglasung. Diese Variante zu untersuchen war erklärter Wunsch der Neuland. Sie sollte aus Vergleichsgründen kostenmäßig erfasst werden, auch wenn sie aus Denkmalschutzgründen nicht zur Ausführung kommt.
Nach der Festlegung dieser vier Varianten erfolgte die rechnerische Erfassung des Energiebedarfs für Bestand und Varianten, unterteilt in Primärenergie, Endenergie Wärme und Endenergie Strom. Weiterhin wurden detailgenaue Untersuchungen einiger Bauteilausführungen erstellt. Während bisher die einzelnen Disziplinen die Bewertungen lediglich fachspezifisch vorgenommen haben, sollte nun eine Bewertung jedes Beteiligten zu jedem Bauteil und jedem Gewerk erfolgen, die wiederum in Exel-Tabellen mit Ampelfarben dargelegt wurde. Allein für diese Erfassung und Bewertung der unterschiedlichen Modernisierungsmöglichkeiten wurde also ein hoher Aufwand geleistet.
Schließlich erfolgte eine nähere Betrachtung der möglichen Dämmsysteme für die Außenwände: Vor- und Nachteile wurden abgewogen, Einflussgrößen bei der Bemessung herausgearbeitet und ein Katalog von Ausschlusskriterien zusammengestellt. Für die Bewertung wurden wieder in einer Exel-Tabelle mehrere Außen- und Innendämmsysteme nebeneinander gestellt und mit Farben von Rot (inakzeptabel) über Orange, Gelb, Hellgrün bis Dunkelgrün (gut) bewertet. Hieraus ergaben sich zwei Beurteilungssysteme, die die wenigsten Rot-Bewertungen und die meisten Grün-Bewertungen zeigten. Die Außendämmsysteme schnitten dabei – im Gegensatz zu den kapillaraktiven Innendämmungen – wie erwartet schlecht ab, weil sie teuer und wenig nachhaltig sind und die Qualität des Wohnklimas beeinträchtigen.
Als „Sieger“ gingen aus dieser Bewertung die jeweils innen liegende Bimssteinschale und ein mineralischer Wärmedämmputz in einer moderaten Stärke von fünf Zentimetern hervor. Diese Maßnahmen sollen in Kombination mit den Projektvarianten 1 und 2 zur Ausführung kommen.
Zum Abschluss noch eine Bemerkung zu der zukünftigen Grundrissgestaltung: Durch Zusammenlegung von Wohnungen auf einer Ebene oder auch über zwei Geschosse sollen verschiedene Wohnungsgrößen angeboten werden, die ein Wohnen in den „Höfen“ über alle Lebenszyklen hinweg, vom jungen Single bis zum Senior, möglich machen sollen. Wo es denkmalpflegerisch vertretbar ist, wird deshalb auch Barrierefreiheit angestrebt.



Fakten
Architekten Fehrenberg + Partner, Hildesheim
Adresse Gustav-Freytag-Strasse 1, 38440 Wolfsburg


aus Bauwelt 15-16.2011
Artikel als pdf

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