Bauwelt

Zeppelin Universität in Friedrichshafen


Wie baut man eine Universität in eine Kaserne? Und noch dazu eine, die ihre Studierenden nicht drillen, sondern zur Eigenverantwortung ermutigen will? as-if Architekten haben diese Aufgabe mit Bravour ge­meistert. Der Campus der Zeppelin Universität in Friedrichshafen schafft Querverbindungen, ohne den Mittelgang zu leugnen


Text: Kleilein, Doris, Berlin


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    Robust und schwer: die Hülle aus verzinkten Stahlplatten.
    Foto: Andreas Meichsner

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    Robust und schwer: die Hülle aus verzinkten Stahlplatten.

    Foto: Andreas Meichsner

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    Der signalrote Empfangstresen ist weithin im Gebäude sichtbar.
    Foto: Andreas Meichsner

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    Der signalrote Empfangstresen ist weithin im Gebäude sichtbar.

    Foto: Andreas Meichsner

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    Er wurde von dem Künstler Harald F. Müller gestaltet, ebenso wie die Farbinterventionen in den Treppenhäusern des Altbaus.
    Foto: Andreas Meichsner

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    Er wurde von dem Künstler Harald F. Müller gestaltet, ebenso wie die Farbinterventionen in den Treppenhäusern des Altbaus.

    Foto: Andreas Meichsner

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    Eingestelle Rauminseln gliedern den Seminarbereich im Neubau. Alle Wände der Seminar­räume sind mit Tafelfarbe gestrichen.
    Foto: Andreas Meichsner

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    Eingestelle Rauminseln gliedern den Seminarbereich im Neubau. Alle Wände der Seminar­räume sind mit Tafelfarbe gestrichen.

    Foto: Andreas Meichsner

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    Das Forum im Kopfbau ist mit Sitzstufen der Topografie angepasst. Die Treppe zu den darüberliegenden Seminarräumen korrespondiert mit der Hofgestaltung.
    Foto: Andreas Meichsner

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    Das Forum im Kopfbau ist mit Sitzstufen der Topografie angepasst. Die Treppe zu den darüberliegenden Seminarräumen korrespondiert mit der Hofgestaltung.

    Foto: Andreas Meichsner

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    Die Tordurchfahrt des Altbaus wurde mit einem großen Schaufenster zur studentischen Galerie der ZU aufgebrochen.
    Foto: Andreas Meichsner

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    Die Tordurchfahrt des Altbaus wurde mit einem großen Schaufenster zur studentischen Galerie der ZU aufgebrochen.

    Foto: Andreas Meichsner

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    Die offene Mensa an der Schnittstelle zum Altbau, dessen Fassade zur Innenwand wurde.
    Foto: Andreas Meichsner

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    Die offene Mensa an der Schnittstelle zum Altbau, dessen Fassade zur Innenwand wurde.

    Foto: Andreas Meichsner

Der Weg zum neuen Hauptcampus der Zeppelin Universität führt durch wildes Gelände. Autos parken kreuz und quer zwischen üppiger Vegetation. Das Areal der ehemaligen Flakkaserne Fallenbrunnen, ab 1936 oberhalb von Friedrichshafen erbaut, soll zum „Wissensstandort“ entwickelt werden, befindet sich aber derzeit noch im sympathischen Schwebezustand: Seit dem Abzug der französischen Garnison 1992 haben sich dort verschiedenste Nutzungen angesammelt, vom Kulturhaus bis zum Schützenverein, auch ein Containerdorf mit Asylbewerbern hat auf dem 20 Hektar großen Areal Platz gefunden. Noch gibt es Leerstand, doch drei der U-förmigen Kasernenbauten wurden bereits für Bildungseinrichtungen umgebaut. Der Hauptcampus der ZU ist der jüngste Nutzer und schlägt einen neuen Ton an, der wegweisend für den Umgang mit dem gesamten Areal sein könnte.
as-if Architekten entschärfen die militärische Ordnung des Kasernengebäudes, allerdings nicht mit den architektonischen Mitteln der Öffnung, Entkernung und farblichen Aufheiterung, wie man es bei den Nachbarhöfen studieren kann. Im Gegenteil: Sie überbauen den Kasernenhof mit einer zweigeschossigen Plattform, die auf Tuchfühlung mit dem Altbau geht, die ihm so sehr auf die Pelle rückt, bis von seiner piefigen Einförmigkeit kaum etwas übrig ist. Nur das für Kasernen ungewöhnlich hohe und steile Dach bleibt prägend – und wird durch die Dachlandschaft auf dem Neubau fast surreal inszeniert. Zugleich reagieren die Architekten auf die unterschiedlich langen Seitenflügel des Kasernen­hofes, indem sie einen Kopfbau demonstrativ vor den kürzeren Flügel setzen. Durch diese städtebauliche Geste bildet sich ein neuer, kleinerer Eingangshof, der deutlich macht, wie überdimen­sioniert und eindimensional der ursprüngliche Kasernenhof war. „Wir brauchen den Hof nicht mehr, da muss keiner mehr aufmarschieren“, begründen die Architekten die Entscheidung. Der zweigeschossige Neubau dockt an die vier Treppenhäuser der ehemaligen Kaserne an und schafft Querverbindungen. Aus dem großen starren U mit Mittelgang und Zellen wird so ein komplexes Haus, dessen Räume man über viele Wege erreichen kann: durch den Altbau, übers Dach, quer durch den Neubau.

Wie baut man eine Universität?

Es gibt wohl kaum ein Universitätsgebäude, das derart präzise vorbereitet wurde: Zwei Jahre beschäftigten sich Studierende und Lehrende der Zeppelin Universität mit der Frage „Wie baut man eine Universität?“ Die private, 2003 gegründete Stiftungsuniversität war aus dem innerstäd­tischen Campus am Bodenseeufer längst herausgewachsen und brauchte Räumlichkeiten für knapp 1200 Studierende. Der neue Hauptcampus sollte das reformpädagogische Lehrkonzept spiegeln: eine kommunikative und variable Architektur, die Funktionen nicht klar vorschreibt, sondern ermöglicht, die Raum für Aneignung und informelle Begegnungen lässt. Der Auswahlprozess der Architekten gestaltete sich sorgfältig und begann mit einer Longlist von 100 Büros, von denen 15 zum Gespräch und schließlich die Hälfte zum Wettbewerb eingeladen wurden. Das Berliner Büro as-if Architekten, das sich mit der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig (Bauwelt 5.2005) einen Namen gemacht hat, überzeugte nicht nur durch den Entwurf, sondern auch durch die bereits im Vorfeld formulierte Haltung, das Gebäude mit den Nutzern entwickeln zu wollen. „Die Architekten haben nicht versucht, den Bauherrn zu belehren, sondern immer wieder neue Lösungen zu finden“, so Karen van den Berg, Professorin für Kunsttheorie und inszenatorische Praxis an der ZU, über die Zusammenarbeit.

Zelle versus Raumkontinuum

Wie bereits in Leipzig haben Paul Grundei und Stephanie Kaindl von as-if Architekten das detailliert vorliegende Raumprogramm differenziert und variabel gestaltet. Die kleinteiligen Nutzungen wie Verwaltungsbüros und Lehrstühle sind im Erdgeschoss und im ersten OG des Altbaus untergebracht, dessen rigide Zellenstruktur dafür kaum verändert werden musste: Aus Soldatenstuben wurden Büros. Diese pragmatische Entscheidung führte zu großen Freiheiten auf den übrigen Flächen. Die Seminarräume verteilen sich auf zwei kommunikative Strukturen: Ein Ring von Räumen ist im Dach des Altbaus untergebracht, das mit sechs neuen, expressiven Gauben geöffnet wurde – durch diese Gauben betreten die Studierenden einen der beeindruckendsten Orte der Universität, die weitläufige Dachlandschaft, die geschützt inmitten des lebendigen Ziegelwalls des Kasernendachs liegt.
Alle weiteren Seminarräume sind auf den beiden Geschossen des Neubaus verteilt: Abgerundete Rauminseln, jeweils einem Lichthof zugeordnet, unterteilen eine offene Fläche und bilden „Zwischenräume“, die ebenfalls genutzt werden können. Ein System aus Vorhängen regelt Ein- und Ausblicke: Die Fensteröffnungen der Rauminseln können mit grünen Vorhängen geschlossen, die Zwischenräume mit raumhohen, blickdichten Vorhänge abgetrennt werden. Das Raumkonzept fordert zum Mitmachen auf, ohne sich zu verkünsteln. Die Mittel sind analog: Neben den Vorhängen gibt es die Wände, die immer neu bespielt werden können. Sie sind großflächig mit schwarzer Tafelfarbe gestrichen, in manchen Räumen gibt es auch Whiteboard-Farbe: Speisekarten, Lehrinhalte, Veranstaltungshinweise – alles steht, zum Teil kunstvoll aufbereitet, an der Wand.
Zwischen Bewahrung und Ironie
Die Dichte, die auf den Plänen zunächst fast skeptisch macht, wurde dreidimensional gekonnt aufgelöst: Die Lichthöfe an der Schnittstelle zum Altbau, die großen Festverglasungen, die offen ineinander übergehenden Bereiche für Foyer, Mensa, Forum und Bibliothek erlauben Einblicke in die Tiefe des Gebäudes und machen aus dem Neubau ein überraschend transparentes Ganzes. Er wirkt wie ein Türöffner für den Altbau, und lässt ihm doch seine Eigenheiten.
Der Umgang mit der militärischen Bausubstanz schwankt zwischen Bewahrung und Ironie: Einige Gewehrnischen und der Fliesenboden aus den dreißiger Jahren in den langen Mittelgängen und Treppenhäusern wurden erhalten, das mit Biberschwänzen gedeckte Dach nur wo nötig geflickt. Die Altbaufassade bringt die Haltung auf den Punkt: Der originale Schleppputz wurde bewahrt und samt Traufgesimsen und Putzfaschen mit einem silberfarbenen Anstrich versehen. Der metallische Glanz verbindet sich mit der Fassade des Neubaus, die aus schweren, drei Millimeter dicken verzinkten Stahlplatten besteht. Silber und Stahl haben einen martia­lischen Anklang, werden aber von den anderen Materialien in Schach gehalten: polierter Industrieestrich, Eiche für Stufen, Laibungen und Fensterbänke, Sichtbeton, weiß und schwarz gestrichene Wände bilden den zurückhaltenden, fast wohnlichen Grundton der Architektur. Um so mehr stechen die Farbinterventionen von Harald F. Müller hervor, der die Treppenhäuser in vier knallige Farben getaucht und am Eingang ein signalrotes Empfangsufo geparkt hat. Der Werkstattcharakter, den die Universität sich ausdrücklich gewünscht hat, zeigt sich am ehesten an den Deckenuntersichten mit ihren Streifen aus Neonröhren, Sichtbeton und akustischem Absorptionsmaterial.

Ein mutiger Auftraggeber

Auf dem Campus in Fallenbrunnen ist zu spüren, dass ein mutiger und anspruchsvoller Auftraggeber und ein präzise arbeitendes, im Kunst- und Universitätsbetrieb erfahrenes Architekturbüro zusammengewirkt haben. Die Setzungen stimmen, die Atmosphäre wurde nicht dem Zufall überlassen, sondern sorgfältig kuratiert bis hin zum Möbelsystem der Leipziger Designer quartier vier und den „Fliegenden Gärten“ vom Berliner atelier le balto. Die Stiftungsuniversität, die in den letzten Jahren durch den Rücktritt ihres Gründungsdirektors Stephan A. Jansen wegen Korruptionsverdacht in die Schlagzeilen geraten war, zeigt mit diesem Gebäude, dass sie architektonisch Maßstäbe setzen kann – und auch Ideen für die Weiterentwicklung des Kasernenareals im Gepäck hat. Warum sollte man nicht das ganze Quartier für Aneignung offen halten? Was würde passieren, wenn man die Haltung der Architektur im Städtebau weiterstrickt? Die „Schmuddelecke“ Fallenbrunnen könnte ein lebendiges, gemischtes Quartier werden. Der erste Baustein steht bereits.



Fakten
Architekten as-if Architekten, Berlin
Adresse Fallenbrunnen 3, 88045 Friedrichshafen


aus Bauwelt 26.2016
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