Bauwelt

Zwischenräume achten


London 2012


Text: Meyer, Friederike, Berlin


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    Stephen Taylor
    Foto: Torsten Seidel

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    Foto: Stephen Taylor Architects

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    Foto: Stephen Taylor Architects

Südlich vom Olympiagelände, an der Stratford High Street, liegt das Industrieviertel Sugar House Lane. Für seine Umgestaltung zum Wohn- und Arbeitsquartier haben Stephen Taylor Architects einen Masterplan erarbeitet. Der Architekt erklärt, wie er die Ideen unter dem Pflaster gefunden hat und warum er den Raum zwischen den Gebäuden für schützenswert hält. 
Als London 2005 den Zuschlag für die Olympischen Spiele erhielt, wurde die Stratford High Street über Nacht zum begehrten Immobilien­standort. Waren Londons Stadtplaner darauf vorbereitet?
Schon während der Bewerbungsphase kamen die Investoren und bedrängten die Genehmigungsbehörden mit ihren Hochhausplänen, die sie in der Schublade hatten. Die Londoner Stadtbezirke hatten Mühe, diesem Ansturm mit städtebaulichen Argumenten zu begegnen, weil Wohnraum ja eigentlich dringend benötigt wird. Natürlich gab es keinen Plan, wie die Türme Teil einer größeren Städtebaustrategie werden sollten.  Das war ein bisschen wie im Wilden Westen, ein Ort ohne Gesetze und ohne gemeinsame Vision.  Jetzt sehen wir das Ergebnis.
Wenige hundert Meter entfernt von den neuen Hochhäusern haben Sie sich mit dem Quartier Sugar House Lane beschäftigt. Worum ging es?
Sugar House Lane ist ein historisch gewachsenes Industriequartier, dessen dreieckige Form von  zwei Flussarmen des Lea gefasst wird. Früher waren hier Druckereien und Chemiefabriken, heute nutzen Kleingewerbetreibende und kulturelle Unternehmen die Bauten. Der „London Plan“ des Bürgermeisters möchte derartige industriell geprägte Orte mitsamt den Arbeitsplätzen in der Stadt erhalten. Im Zuge des Stadtwandels werden sie nämlich immer weiter an den Stadtrand verschoben. Wir wurden gebeten, nach Wegen zu suchen, wie Sugar House Lane Arbeitsquartier bleiben und zugleich ein Wohnviertel werden kann.
Was schlagen Sie vor?
Es sind nicht nur die Gebäude, sondern es ist das Netz aus Gassen, Straßen und Höfen, das dem Gebiet seinen Charakter gibt. Es erzählt viel über den Ort. Zum Beispiel mag ein Gebäude aus den Fünfziger stammen, die Position seiner Fassade zur Straße aber ist bedeutend älter. Deshalb dachten wir, es ist eine gute Taktik, einen Teil von Sugar House Lane unter Gebietsschutz zu stellen.  Auch wenn die Gebäude selbst einen geringen architektonischen Wert haben, können wir dadurch vielleicht ihren Abriss erschweren und die vielschichtige Körnung des Quartiers retten. Der Gebietsschutz ist genehmigt worden.
Wie haben Sie Ihre Lesart des Ortes in den Masterplan übersetzt?
Unser Masterplan markiert acht Raumsequenzen, die wir als Nachbarschaften bezeichnen. Wir haben ihren Charakter beschrieben und ihre Geschichte. Diese Nachbarschaften können allerdings nicht alleine existieren. Wir finden vielmehr, dass sie ein guter Maßstab sind, um über Planung zu sprechen. Eine der Nachbarschaften haben wir am Verlauf des Three Mills Backriver ausgemacht. Unter dem Pflaster kann man noch die alten Randsteine des Kanals entdecken. Wir dachten, dass das Aufdecken und Manifestieren dieser Kante ein Fenster in die Geschichte bieten könnte, auch wenn alle Gebäude abgerissen und neu gebaut werden sollten. Die anderen Nachbarschaften haben wir um erhaltenswerte Gebäude gruppiert. Neue, turmartige Gebäude sorgen für die geforderte Dichte und markieren besondere Routen oder Plätze. Mit hohen Häusern entlang der Stratford High Street versuchen wir, den neuen Hochhäusern dort ein Gegenüber zu bieten.
Wird der Plan umgesetzt?
Auf die Bitte unseres Auftraggebers hin haben wir ihn in umsetzbare Pakete geteilt. Dasselbe haben wir für die Gebäude gemacht. Einige können als Katalysatoren wirken, weil ihre Besitzverhältnisse unkompliziert sind.  Ein Teil von Sugar House Lane ist 2011 an die Immobiliensparte der Inter IKEA Group verkauft worden. Es sieht also im Moment nicht so aus, als entstünde an der Stratford High Street ein Wohn- und Arbeits­quartier im Backstein-Fabrik-Ambiente. Es kann hier nicht darum gehen, einen Masterplan 1:1 umzusetzen. Wir sehen unsere Arbeit eher als eine Möglichkeit, die verschiedenen Parteien an einen Tisch zu setzten.  Wir Engländer sind noch nie gut darin gewesen, Masterpläne zu machen bzw. diese zu respektieren.  Seit 500 Jahren nicht. Regent’s Park und Regent’s Street, die Gegend um StPaul’s, das sind Ausnahmen. In Holland, Belgien, Frankreich oder auch bei Ihnen in Deutschland ist das anders. Dort wird aus einem Masterplan meist ein Bebauungsplan, ein Gesetz. Hier in England will man immer in der Lage sein, auf das, was kommt, zu reagieren. Vorgaben wie unsere bilden nur Richtlininen und werden dann je nach Entwickler interpretiert. In diesem Zusammenhang hoffen wir aber, dass die Ideen, die wir für Sugar House Lane entwickelt haben, in die Pläne für die Zeit nach Olympia einfließen, und dass die öffentlichen Räume das wichtigste Ziel der Stadtplanung werden.



Fakten
Architekten Stephen Taylor Architects, London
Adresse Sugar House Ln London Borough of Newham, E15, Vereinigtes Königreich


aus Bauwelt 24.2012
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