Bauwelt

Schulerweiterung


Obstgarten Stäfa


Text: Meyer, Friederike, Berlin


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    Radek Brunecky

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Ein Schulcampus in der Zürichseegemeinde Stäfa sollte saniert und erweitert werden. Das programmatische Defizit lösten e2a eckert eckert architekten durch eine überzeugend einfache Baukastenlogik und verhalfen der Gemeinde überdies noch zu einem neuen Veranstaltungssaal.
Der Schulcampus der Gemeinde Stäfa wirkt städtebaulich wie ein Fremdkörper in der Einfamilienhausidylle, die sich auf der Nordseite des Zürichsees den Hang hinauf entwickelt hat. Auf halber Höhe war hier Anfang der siebziger Jahre eine Obstplantage gefällt worden, um zwei Schulhäuser, eine Turnhalle und einen Singsaal zu errichten. Ein Architekturbüro auf der anderen Seite des Sees hatte das Ensemble 1972 errichtet, die Schulhäuser entstanden als Betonbau mit gestaffeltem Grundriss – wie man es damals so machte.
Mittlerweile ist der „Campus Obstgarten“ in die Jahre gekommen. Er steht beispielhaft für das Problem vieler Bauten aus jenen Jahren: Die Substanz ist solide, aber technisch und energetisch von gestern. Das ästhetische Image ist denkbar schlecht, aber ein Abriss kommt wegen der Wertvernichtung kaum in Frage. Mit diesen Überlegungen sanierte ein anderes Büro bereits Anfang der neunziger Jahre die Turnhalle. Für die Sanierung der beiden Schulhäuser und des Singsaals wurde im Jahr 2004 einen Studienauftrag vergeben. Hierbei ging es auch um acht zusätzliche, flexibel nutzbare Gruppen- und Therapieräume, wie sie heute in den Schweizer Schulbaustandards gefordert sind.
Die Architekten Wim und Piet Eckert waren der Aufgabe mit der Einschätzung begegnet, dass der Bau eines Klassenraums in der Schweiz heute 500.000 Franken (umgerechnet rund 390.000 Euro) kostet und dass ein vollständiger Neubau die Finanzkraft der Schulgemeinde übersteigen würde. Zugleich stellten sie fest: Die Grundrisse sind gut organisiert, das Tageslicht in den Klassenzimmern stimmt, allein in den Gängen ist es ein wenig dunkel. Das programmatische Defizit der Schule lösten sie in einer überzeugend einfachen Baukastenlogik: Die gestapelten neuen Gruppenräume werden in die Ecken des Bestandsgebäudes „gestellt“. Aus einer negativen Ecke wird so eine positive, die Hüllfläche aber bleibt gleich groß. 
Für die energetische Sanierung hatte die Schule eine möglichst dichte Hülle gewünscht. Weil erst vor wenigen Jahren die gesamte Heizanlage inklusive Öl-Gas-Kessel erneuert wurde, bestand kein Anlass, hier ein technisch aufwendiges und kostenintensives alternatives Energiekonzept einzuführen. Die Aufgabe lautete also: einpacken und dabei gut detaillieren. Der Ortbeton-Altbau, bei dem jedes Element der Fassade tragende Funktion hat, wurde weitestgehend entkleidet und neu verpackt. An den Fensterbrüstungen mit Hartschaumplatten und hinterlüftetem Alublech; die Anbauten wurden mit ebenfalls hinterlüfteten Sichtbetonelementen behängt. Die alten Fenster wurden gegen thermisch getrennte Holz-Aluminiumsysteme ausgetauscht, die in die äußere Fassadenebene versetzt wurden. Den dadurch verminderten Lichteinfall gleichen weiße, reflektierende Tische an den neuen Fensterarbeitsplätzen aus. Um mehr Licht in das Treppenhaus zu führen, wurden über dem Eingang zusätzliche Fenster eingebaut.
Bis auf die Knochen
Während die Architekten mit der neuen Fassade den vorgefundenen Charakter der siebziger Jahre nachzeichnen, rückten sie diesem im Inneren radikal zu Leibe. Jede Furche der Brettschalungsoberfläche der Wände und Treppen wurde sandgestrahlt, der Boden ist als Hartbeton mit hohem Weißzementanteil ausgeführt, die Decke mit weißem Akustikgips verkleidet. Nur die hölzernen Handläufe der Treppe sind geblieben. Auf diese Weise wurde die vorgefundene „Jägerhüttenatmosphäre“ (Wim Eckert) aus braunem Keramikboden, holzgetäfelter Decke und farbig übermaltem Sichtbeton, der das Bedürfnis der Nutzer nach Aneignung und Gemütlichkeit ausdrückte, in helle, aber recht kühl wirkende Flure verwandelt. Lehrer und Kinder, die dieser Atmosphäre entgehen möchten, betreten die Klassenzimmer durch hochglanzlackierte Türen, deren unterschiedliche Farbtöne der Künstler Hans-Peter Kistler nach einem weniger didaktischen als vielmehr künstlerischen Prinzip angemischt hat. Jeweils drei Grundfarben – Ultramarinblau, Persischrot und Neapelgelb – finden auf den Etagen in verschiedenen Kombinationen Verwendung, mal in Reinform, mal als Mischung zweier Farben mit unterschiedlichen Anteilen, mal als Mischung aller drei – wie zum Beispiel bei der beigebraunen Tür.
Operation im Sockelgeschoss
Für den Singsaal der Schule hatten die Architekten in ihrer Studie einen Neubau an anderer Stelle vorgeschlagen. Doch nach dem Abschluss der Schulsanierung wurde noch einmal neu nachgedacht. Eine Berechnung ergab, dass man für drei Millionen Franken ein neues Gebäude auf den bestehenden Sockel setzen könnte, in dem die Gemeindebibliothek und die außerschulischen Werkstätten untergebracht waren. Erneut, nur im größeren Maßstab, wandten die Architekten ihr Baukastenprinzip an. Die Gemeinde, die vormals ihre Versammlungen in der Kirche des Ortes abhielt, stockte das Budget schließlich auf sieben Millionen auf, und die Planung eines von Schule und Gemeinde gemeinsam genutzten Saalbaus war beschlossen – ein Novum in der Schweiz, wo Schulgemeinde und Ortsgemeinde üblicherweise nebeneinanderher wirtschaften.
Der massive Saalkörper sollte sich durch ein rundum verglastes Geschoss mit Bibliothek und Foyer vom Sockel abheben. Um den Bestand zu schonen, werden die Lasten über 70 Zentimeter starke Wandscheiben in die bestehenden Fundamente verteilt. Diese Wandscheiben weiten sich nach oben als Körper trichterförmig auf, damit sie die Träger für die Stahlbetonwanne des Saals tragen können. Hätte man den Saal nicht auch aus Holz konstruieren können? Die Höhe ei­nes Holztragwerks für die benötigte Spannweite, so erklären die Architekten, hätte die maximal zulässige Höhe für den Bau überschritten. Oder war es doch der Wunsch, dem Material der siebziger Jahre treu zu bleiben? Unterstützt wird dies mit dem erdigen Kratzbeton im oberen Foyer, der einen belebenden Kontrast zum klinisch weißen Saal darstellt, in dem bis zu 600 Besucher Platz finden. Eine Black Box war nicht erforderlich, schließlich wird hier hauptsächlich gesungen und musiziert, und hin und wieder tagt der Gemeinderat. Der Tageslichteinfall kann über Dachfenster geregelt werden. Bei der Gestaltung der rundherum geschlossenen Saalfassade kam wiederum Hans-Peter Kistler ins Spiel – die Zusammenarbeit zwischen ihm und den Architekten besteht seit Jahren. Einerseits besann sich Kistler auf die Fassadenprägungen vieler Kirchen und Gemeindehäuser der siebziger Jahre, andererseits auf den Namen der Schule. Er übertrug die Rinde von Apfelbäumen und ließ das abstrahierte Muster mit Hilfe von gefrästen Styrodurmatrizen in den Beton prägen – im Vergleich zu damals ist das heute ein technisches Kinderspiel.



Fakten
Architekten e2a eckert eckert architekten, Zürich
Adresse Tränkebachstrasse 39, CH-8712 Stäfa


aus Bauwelt 8.2011
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