Auf Hochglanz getrimmt
Selmanagićs Aula an der Kunsthochschule Weißensee
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Auf Hochglanz getrimmt
Selmanagićs Aula an der Kunsthochschule Weißensee
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Mit Vorträgen und einem Festakt eröffnete die Kunsthochschule Weißensee in Berlin ihre frisch sanierte Aula wieder. Die Restaurierung dieses Kleinods der Nachkriegsarchitektur ist allemal ein Gewinn, finanziert wurde sie von der Wüstenrot-Stiftung.
„Sie hatten vor der Tür, auf der in verschnörkelten Buchstaben ‚Aula‘ stand, eine Weile gezögert. Trullesand hatte das Wort auseinandergenommen: ‚Aula. Kenn ich nicht. Aule kenn ich.‘ Aber drinnen hatte er nur erschrocken gesungen: ‚Vvvater, die Scheuheune brennt!‘“ Ähnlich wie die Protagonisten beim Eintritt in „die Aula“ der barocken Universität Greifswald in Hermann Kants gleichnamigen Roman mögen die Studenten überwältigt gewesen sein, als sie 1956 den Versammlungsraum der neu errichteten Kunsthochschule Weißensee betraten. Jedenfalls ließ sich das vermuten, als der denkmalpflegerisch instand gesetzte Saal zur Wiedereröffnung Anfang Februar feierlich erstrahlte.
Kaum erinnerbar ist darob die Bestürzung der Gäste, die vor sieben Jahren den 100. Geburtstag des Architekten Selman Selmanagić (1905–1986) in der von ihm entworfenen Aula begingen: Die Innenausstattung war bis zur Unkenntlichkeit heruntergekommen, das Wandgemälde „Wendepunkt“ von Arno Mohr im Vorraum eingehaust (Bauwelt 21.05). Der Leiter des Landesdenkmalamtes, Jörg Haspel, war damals sichtlich schockiert. Zwei Jahre später schlug er den Raum, der ein frühes Zeugnis für Innenraumgestaltung der DDR-Moderne ist, der Wüstenrot-Stiftung als Projekt für ihr Denkmalprogramm vor.
Nach einer Machbarkeitsstudie beauftragte die Stiftung die Hausarchitekten der Kunsthochschule, Baukanzlei Fiel Jenrich, mit der Instandsetzung des inzwischen gesperrten Raums. In Abstimmung mit dem wissenschaftlichen Beirat für Denkmalpflege der Stiftung wurde das gemeinsame Ziel formuliert, den Raum substantiell so original wie möglich zu erhalten. Dennoch kam es zu ausschweifenden Disputen, etwa darüber, ob den Spuren des Gebrauchs oder dem ursprünglichen feierlichen Glanz Vorzug gegeben werde solle, so dass sich Außenstehende zuweilen vorkamen wie in einem Stück von Loriot.
Einheitliches mittleres Braun
Der Glanz setzte sich durch, die edlen Holzfurniere wurden nach gründlicher Reinigung mit Politur auf Hochglanz getrimmt. Anders als bei einem Anschliff, der auch die Substanz vermindert hätte, verleugnen die Oberflächen nicht ihr Alter: Durch das Tageslicht erscheinen sie in einem einheitlichen mittleren Braun und unterscheiden sich allein durch die Maserung.
In der wieder sichtbaren feinsinnigen Abstimmung zwischen Rahmen und Füllungen offenbart sich Selmanagić als ein im Handwerk geschulter „Tischler-Architekt“. In den 50er Jahren war er für die Deutschen Werkstätten Hellerau, die seinerzeit auch den Innenausbau von Aula und Vorraum ausführten, als Innenarchitekt tätig gewesen. Bei seinen Möbeln, von denen einige aktuell in einer kleinen Ausstellung über seine Schüler im Foyer der Kunsthochschule zu sehen sind, stand Bequemlichkeit vor der Form. Bedauerlich, dass für die Aula, deren Bestuhlung vor vierzig Jahren verloren ging, nicht auf Entwürfe von ihm, wie etwa den sogenannten „Seminarstuhl“, zurückgegriffen wurde.
Ein unabhängiger Charakter
Wer war der Bauhäusler, Architekt und Hochschullehrer Selmanagić? Diese Frage konnte in den die Wiedereröffnung begleitenden Vorträgen nur unzureichend erörtert werden. Die Architekturhistorikerin Simone Hain hob ihn ausdrücklich aus dem Bannkreis des Bauhauses heraus und beschrieb anschaulich den unabhängigen Charakter seiner Interpretation der Moderne. Wie bei der Aula, die in dem Verzicht auf Dekoration und der gleichzeitigen „Körperlichkeit“ – worauf einer seiner ehemaligen Studenten hinwies – zwischen Moderne und der damals staatlich sanktionierten „nationalen Tradition“ changiert.
Der DDR war Selmanagić verbunden, sah er doch in der Vergesellschaftung von Grund und Boden den ausschlaggebenden Vorteil für die Verwirklichung städtebaulicher Ideen. Allein deshalb gehörte die Wiederherstellung des Gemäldes von Mohr, das die Bodenreform zum Inhalt hat, unabdingbar zur Instandsetzung.
Die Wüstenrot-Stiftung hat indessen für den stillgelegten Umlauftank 2 von Ludwig Leo eine Machbarkeitsstudie erarbeiten lassen. Sie lässt hoffen, dass auch diesem Berliner Bauwerk die dringend notwendige Sanierung widerfährt.
Kaum erinnerbar ist darob die Bestürzung der Gäste, die vor sieben Jahren den 100. Geburtstag des Architekten Selman Selmanagić (1905–1986) in der von ihm entworfenen Aula begingen: Die Innenausstattung war bis zur Unkenntlichkeit heruntergekommen, das Wandgemälde „Wendepunkt“ von Arno Mohr im Vorraum eingehaust (Bauwelt 21.05). Der Leiter des Landesdenkmalamtes, Jörg Haspel, war damals sichtlich schockiert. Zwei Jahre später schlug er den Raum, der ein frühes Zeugnis für Innenraumgestaltung der DDR-Moderne ist, der Wüstenrot-Stiftung als Projekt für ihr Denkmalprogramm vor.
Nach einer Machbarkeitsstudie beauftragte die Stiftung die Hausarchitekten der Kunsthochschule, Baukanzlei Fiel Jenrich, mit der Instandsetzung des inzwischen gesperrten Raums. In Abstimmung mit dem wissenschaftlichen Beirat für Denkmalpflege der Stiftung wurde das gemeinsame Ziel formuliert, den Raum substantiell so original wie möglich zu erhalten. Dennoch kam es zu ausschweifenden Disputen, etwa darüber, ob den Spuren des Gebrauchs oder dem ursprünglichen feierlichen Glanz Vorzug gegeben werde solle, so dass sich Außenstehende zuweilen vorkamen wie in einem Stück von Loriot.
Einheitliches mittleres Braun
Der Glanz setzte sich durch, die edlen Holzfurniere wurden nach gründlicher Reinigung mit Politur auf Hochglanz getrimmt. Anders als bei einem Anschliff, der auch die Substanz vermindert hätte, verleugnen die Oberflächen nicht ihr Alter: Durch das Tageslicht erscheinen sie in einem einheitlichen mittleren Braun und unterscheiden sich allein durch die Maserung.
In der wieder sichtbaren feinsinnigen Abstimmung zwischen Rahmen und Füllungen offenbart sich Selmanagić als ein im Handwerk geschulter „Tischler-Architekt“. In den 50er Jahren war er für die Deutschen Werkstätten Hellerau, die seinerzeit auch den Innenausbau von Aula und Vorraum ausführten, als Innenarchitekt tätig gewesen. Bei seinen Möbeln, von denen einige aktuell in einer kleinen Ausstellung über seine Schüler im Foyer der Kunsthochschule zu sehen sind, stand Bequemlichkeit vor der Form. Bedauerlich, dass für die Aula, deren Bestuhlung vor vierzig Jahren verloren ging, nicht auf Entwürfe von ihm, wie etwa den sogenannten „Seminarstuhl“, zurückgegriffen wurde.
Ein unabhängiger Charakter
Wer war der Bauhäusler, Architekt und Hochschullehrer Selmanagić? Diese Frage konnte in den die Wiedereröffnung begleitenden Vorträgen nur unzureichend erörtert werden. Die Architekturhistorikerin Simone Hain hob ihn ausdrücklich aus dem Bannkreis des Bauhauses heraus und beschrieb anschaulich den unabhängigen Charakter seiner Interpretation der Moderne. Wie bei der Aula, die in dem Verzicht auf Dekoration und der gleichzeitigen „Körperlichkeit“ – worauf einer seiner ehemaligen Studenten hinwies – zwischen Moderne und der damals staatlich sanktionierten „nationalen Tradition“ changiert.
Der DDR war Selmanagić verbunden, sah er doch in der Vergesellschaftung von Grund und Boden den ausschlaggebenden Vorteil für die Verwirklichung städtebaulicher Ideen. Allein deshalb gehörte die Wiederherstellung des Gemäldes von Mohr, das die Bodenreform zum Inhalt hat, unabdingbar zur Instandsetzung.
Die Wüstenrot-Stiftung hat indessen für den stillgelegten Umlauftank 2 von Ludwig Leo eine Machbarkeitsstudie erarbeiten lassen. Sie lässt hoffen, dass auch diesem Berliner Bauwerk die dringend notwendige Sanierung widerfährt.
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