Auf dem Wutbürgersteig
Friederike Meyer... hatte nur mal kurz ne Frage
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Auf dem Wutbürgersteig
Friederike Meyer... hatte nur mal kurz ne Frage
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Vor unserem Haus soll es künftig einen Zebrastreifen geben. Der Bordstein wurde abgesenkt, und zwei immense Träger mit Leuchtschildern spannen über die vergleichsweise kleine Straße. Ich finde das völlig übertrieben, aber das ist ein anderes Thema. Ich will von der Baustelle erzählen. Vier Monate lang war der Fußweg aufgerissen, hatten Absperrgitter die Operation gesichert. Ab und zu stellte jemand die Gitter wieder hin, wenn ein kräftiger Wind sie umgeworfen hatte. Ansonsten passierte nichts. Vor zwei Wochen wurde innerhalb von zwei Tagen plötzlich alles fertig, das Pflaster eingeklopft, der Sand gekehrt, die Poller eingedreht. Eine ganz normale Straßenbaustelle hatte endlich ihren Abschluss gefunden. Dachte ich.
Doch eine Woche später war wieder Lärm vor dem Haus. Zwei Männer hantierten mit Presslufthammern am Straßenrand vor der frisch gemachten Fußwegkante, ein dritter stand daneben und guckte. Ob er mir denn sagen könne, warum die Straße jetzt wieder aufgerissen werde, es sehe doch alles prima aus, fragte ich. Er: Das weiß ich doch nicht. Ich: Aber sie sehen aus wie der Chef. Er: Das bin ich, aber es interessiert mich nicht. Ich: Sie interessiert nicht, warum sie ihre Arbeit machen? Er: Ich habe 20 Baustellen in der Stadt, da kann ich doch nicht immer fragen, warum ich was mache. Ist doch eh alles egal. Er schreit fast, es ist höllisch laut. Ich versuche mich an einem Satz mit Berufsehre und gebe ihm zu verstehen, dass seine Arbeit wichtig ist. Er unterbricht: Ach hören Sie auf. Wofür denn? Die Herren Ingenieure sitzen in ihren Büros und denken sich aus, was gemacht wird. Das hinterfrage ich doch nicht. Die diskutieren doch nicht mit mir. Wenn ich blöde Fragen stelle, geht der Auftrag an den nächsten. Gerade überlege ich mir ein weiteres Argument, da er schon weiter: Wissen Sie überhaupt, was auf dem Bau los ist? Da wird gepfuscht, was das Zeug hält. Und dann kommen Sie mir mit einer Spezialfrage. Ich: Aber das ist doch eine ganz normale Frage, warum wird die Straße aufgerissen?
Ich mache eine freundliche Geste des Abschieds. Da beugt er sich zu mir: Mich fragt doch auch keiner, ob ich die Flüchtlinge will. Ich: Sie können zum Beispiel wählen gehen. Wir leben in einer Demokratie. Er: Ach vergessen sie’s. Im Osten damals habe ich nie diese SED gewählt, immer CDU, und was hat’s gebracht?
0 Kommentare