Brutal Denkmalwertes
„Betonklotz“, „Bausünde“, das sind stereotype Apostrophierungen für Bauten des „brutalism“, der doch nur grob sein kann!
Text: Escher, Gudrun, Xanten Escher, Gudrun, Xanten
Brutal Denkmalwertes
„Betonklotz“, „Bausünde“, das sind stereotype Apostrophierungen für Bauten des „brutalism“, der doch nur grob sein kann!
Text: Escher, Gudrun, Xanten Escher, Gudrun, Xanten
Dabei ist das, was in der sogenannten „zweiten Moderne“ gebaut wurde, mindestens so vielfältig wie das heutige Baugeschehen und der Beton nur eines von vielen eingesetzten Baumaterialien. Näher hinzusehen, lohnt sich.
Selbst das scheint oft schwer genug, wie jüngst das Beispiel des Kölner Ebertplatzes zeigt. Zentrum des Platzes ist seit Mitte der 70er Jahre eine terrassierte Gartenanlage aus Beton-Schollen, die den Eingang zur U-Bahnstation markiert. Als das für die unabhängige wissenschaftliche Prüfung des Denkmalwertes zuständige Amt für Denkmalpflege des Landesverbandes die Sachlage untersuchen will, verbietet die Direktorin Ulrike Lubek dies mit Verweis auf die Zuständigkeit der Stadt Köln. Laut Lokalpresse hat sich Stadtkonservator Thomas Werner daraufhin beeilt zu betonen, dass er den Ebertplatz nicht unter Schutz stellen werde. So lässt sich das Ei stempeln, bevor es das Huhn gelegt hat – ohne Prüfung des Denkmalwertes ist eine Eintragung nicht möglich. Bloß keine Diskussion lostreten, ob der Platz überhaupt bleiben soll. Es ließe sich doch prima ein neues Wohn-Büro-Kommerz-Hochhaus an seiner Stelle bauen.
Überall in den Innenstädten ist der Kampf um Bauflächen entbrannt. Jene Großprojekte der 1960er und 1970er Jahre stehen aber oft der viel beschworenen „Nachverdichtung“ im Weg. Die Missbilligung trifft Infrastruktur-, Geschäfts- oder Wohnanlagen gleichermaßen. Allein schon ästhetisch in den meisten Fällen ungeliebt, drohen durch ihre Sanierung auch noch erhebliche Kosten, die speziell die öffentliche Hand jahrzehntelang eingespart hat – soll doch der nächste Stadtrat die Suppe auslöffeln.
Seit den 90er Jahren sind diese Dokumente der Nachkriegsarchitektur zunehmend in Gefahr. Wo Verlust droht, regt sich zwar Widerstand, in Bürgerinitiativen, bei Architekturhistorikern oder medial. Etwa ist auf brutalism.org zu lesen: „Denn der Brutalismus steht für mehr als einen Stil. Mit dem Beton wird im Brutalismus das Anliegen von Transparenz und demokratischem Bewusstsein gepflegt.“ Aber ist das ein überzeugendes Argument? Massiver Beton soll Transparenz und demokratisches Bewusstsein vermitteln?
Den Diskussionsfaden wollte in diesem Jahr das Deutsche Nationalkomitee Denkmalschutz für seine traditionelle Pressefahrt aufgreifen und lud zur Begegnung mit der „Moderne der Nachkriegszeit in Nordrhein-Westfalen“. Das Besichtigungsprogramm enthielt allerdings nur Objekte, deren Wertschätzung fachlich unstrittig und deren Bestand gesichert ist.Dies sorgte zumindest in einem Fall für Stirnrunzeln, denn die Überarbeitung des Düsseldorfer Schauspielhauses von Bernhard Pfau wurde ausgerechnet in die Hände desjenigen Architekten gelegt, der gerade mit einem raumgreifenden Neubau den von Pfau mitgedachten offenen Platz vor dem Haus zubaut. Städtebauliche Aspekte dürfen bei Denkmaldiskussionen nie außen vor bleiben. Im Schauspielhaus wie zuvor schon im Rathaus oder der Scharoun-Schule in Marl – alles überzeugende Beispiele für„Transparenz und Demokratie“ – wurde zudem sichtbar, dass Beton einen wunderbaren Rahmen für „edle“ Materialien wie Stahl, Marmor oder Holz abgibt. Und mit Beton ließ sich prächtig experimentieren, mit viel Mut auch auf Seiten der Bauherren. Ein Mut, den man heute nur bewundern kann.
Die abendliche Podiumsdiskussion in der Vorstandsetage des noblen Mannesmann-Hochhauses von Paul Schneider-Esleben am Düsseldorfer Rheinufer plätscherte dahin, bis ein Zuhörer sich über eine Pseudodiskussion ohne Biss beschwerte. Wo die Gräben verlaufen, ließ sich dann doch endlich erahnen. Einerseits hegt das u.a. für Bauen und Denkmalpflege zuständige NRW-Heimatministerium von Ina Scharrenbach (CDU) allem Anschein nach wenig Sympathie für die Nachkriegsmoderne, mit noch nicht absehbaren Folgen für die Finanzierung von Forschung und Vermittlung. Wenn überhaupt, will man hier die Hüllen mancher Bauten erhalten. Ein Ansatz, der oft genug unter Verzicht auf Innenleben und Entwurfsgedanken auskommt. Dagegen plädieren etwa die Landeskonversatorin des Rheinlands, Andrea Pufke, und ihr Kollege aus Westfalen, Holger Mertens, für den umfassenden Substanzschutz. Ausgestanden ist diese Diskussion noch lange nicht.
So lange aber können die Gebäude nicht warten, zumal dort, wo besonders viele davon existieren: im Ruhrgebiet. „Nur unter Schutz stellen nützt ja nichts“, mahnt die Architekturhistorikerin Alexandra Apfelbaum, man müsse breiter für die Bauwerke werben. Sie tut das mit wachsender Mitstreiterzahl im Verein „Ruhrmoderne“ – und die TU Dortmund gemeinsam mit der Landesinitiative Stadtbaukultur in dem Projekt „Big Beautiful Buildings“ als Beitrag zum Europäischen Kulturerbejahr 2018.
Um die Relevanz der Diskussion zu unterstreichen, sei an einen Präzedenzfall erinnert: In Berlin konnten Anfang der Nullerjahre auch dank der Zusammenarbeit von Landesdenkmalbehörde und freien Interessensgruppen sechs Wohnsiedlungen der ersten Moderne der 1920er Jahre, darunter Bruno Tauts Hufeisensiedlung, denkmalgerecht erhalten werden. Ohne diese gemeinsamen Bemühungen könnte heute nicht mit viel Tamtam das10-jährige Jubiläum deren Eintragung in die UNESCO-Welterbeliste gefeiert werden. Entsprechend wird es nun Zeit, auch Denkmalpflege der jüngeren Moderne nicht als Vergangenheitsverliebtheit abzutun, sondern als Aufgabe der Zukunftssicherung anzunehmen.
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