Bauwelt

Das Paradies als Ring


Installation auf dem Dach des Museum für moderne Kunst


Text: Klingbeil, Kirsten, Berlin


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    Foto: Lars Aarø

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Manch ein Besucher möchte an der Kasse des Museums für moderne Kunst in Aarhus keinen Eintritt zahlen: „Ich will nur in den bunten Panoramaring.“ Die neue Kunstinstallation „Your Rainbow Panorama“ auf dem Dach des Museums, entworfen von Olafur Eliasson, wurde Ende Mai eröffnet und ist seitdem ein Publikumsmagnet.
Gleich anderen nordischen Hafenstädten ist Aarhus, die zweitgrößte Stadt Dänemarks, in Ziegelstein gebaut. Ein leichter, grauer Schleier überzieht die Stadt. Kuben, Kanten und Linien dominieren das Erscheinungsbild – das Kunstmuseum ARoS selbst ist ein Quader aus dunkelroten Ziegeln. Entworfen haben es die ortsansässigen Architekten Schmidt Hammer Lassen (Bauwelt 29.2004). Der Innenraum erinnert ein wenig an die Eleganz des Guggenheim Museums in New York: ein großzü­giger Luftraum, langgezogene Brüstungen, ein spiralförmiger Aufgang – alles in Weiß. ARoS ist eine klassische White Box – auf den ersten Blick. Die konzeptionelle Idee der Architekten – auf die die Museumsleitung gern verweist – wurde jedoch erst mit Olafur Eliassons Kunstinstallation vervollständigt.
Dante
Man mag es kaum glauben, aber die „Göttliche Komödie“ von Dante soll als Leitbild für das Museum gedient haben. Das Werk beschreibt die Reise durch eine jenseitige Welt, die sich in drei Reiche teilt: Hölle, Fegefeuer und Paradies. Die Hölle besteht aus neun Höllenkreisen, der Läuterungsbereich, sprich: Fegefeuer, aus einem spiralförmigen Weg zum Gipfel des Berges, auf dem das Paradies für die „Geretteten“ wartet. Schmidt Hammer Lassen haben die ersten zwei „Reiche“ entworfen. Im Untergeschoss des Museums liegt die „Hölle“: Die Ausstellungsräume sind hier schwarz gestrichen. Auf schmalen, spärlich beleuchteten Fluren läuft man von einer „Galerie“ zur nächsten. Das Museum nennt diesen Bereich „9 Räume“, von denen bis heute sieben zum Parcours gehören. Die Installationen der Künstler, unter ihnen Tony Oursler, James Turrell und auch Olafur Eliasson, wurden speziell für diese Räume entwickelt – jede eine Welt für sich. Nach der „Hölle“ betritt man die Wendeltreppe, die zu den oberen Ebenen führt. In großzügigen Räumen werden die Sammlung des Museums und Wechselausstellungen gezeigt. Auf der obersten Ebene angekommen, hält man gespannt Ausschau nach dem Panoramaring vom „Paradies“. Doch statt einer „goldenen Himmelsleiter“ führt eine schmale, eher unauffällige Treppe hinauf auf die Dachterrasse, eine weitere ins Your Rainbow Panorama. Der Ring mit einem drei Meter breiten Laufweg hat einen Durchmesser von 52 Metern, die Kantenlänge des Museums.
Eliasson
In „Die Welt als Wille und Vorstellung“ kritisierte Schopenhauer, dass Dante die Beschreibung des Paradieses – im Gegensatz zur Hölle – nicht sehr gelungen sei: „Woher denn anders hat Dante den Stoff zu seiner Hölle genommen, als aus dieser unserer wirklichen Welt? Und doch ist es eine recht ordentliche Hölle geworden. Hingegen als er an die Aufgabe kam, den Himmel und seine Freuden zu schildern, da hatte er eine unüberwindliche Schwierigkeit vor sich; weil eben unsere Welt gar keine Materialien zu so etwas darbietet.“ Bei Eliasson ergeben 116 gebogene, bunt getönte Verbundglasscheiben den Regenbogen. Um auf eine tragende Unterkonstruktion verzichten zu können, wurde das Glas so ausgebildet, dass es das Dach tragen kann. Die Lagerung des Rings auf sehr schlanken Stützen verleiht ihm die nötige Leichtigkeit. Dass eine Vielzahl von Tragelementen innerhalb des Museums nachträglich verstärkt werden mussten, sieht man nicht.
Paradies?
Im Realisierungswettbewerb von 2006 wurde nach einem „Dachaufbau“ für das Museum gesucht (Bauwelt 07.2007). Der literarische Bezug des Museums, Dantes „Göttliche Komödie“, fand in der Ausschreibung keine Erwähnung. Doch ist davon auszugehen, dass die Teilnehmer darum wussten. Dies legt den Schluss nahe, Eliasson habe sich der Symbolsprache des Regenbogens und des Kreises bedient, um das letzte Reich der Jenseitswelt darzustellen. Mythologisch wird der Regenbogen häufig verwendet, um die Verbindung zwischen dem Gött­lichen und dem Irdischem darzustellen. Dass Your Rainbow nicht Eliassons erster Regenbogen ist, zeigen sechs Arbeiten, die noch bis Ende des Jahres im Museum ausgestellt werden. Die zwei Themen der Werkschau – Navigation und Regenbogen – lassen sich auch als die konzeptionelle Grundlage des Panoramarings erkennen. Die Metaphorik, die Your Rainbow Panorama hervorruft, muss wohl eher als „glücklicher Zufall“ für das Museum gewertet werden. Eliasson nennt Your Rainbow Panorama einen „Vermittler“ zwischen „Dir“, dem Museum und der Stadt. Die Installation lässt die Besucher Teil des Kunstwerks werden. Durch die gefärbten Scheiben erscheint ihnen die Stadt in einem anderen Licht – und auch man selbst ändert die Farbe. Im Regenbogen sagen zwei ehemalige Bewohner aus Aarhus, die allein wegen der Installation gekommen sind: „Die Farben verändern den Blick auf die Stadt, sie machen sie spannender.“ Und wirken wie Filter. Die helleren Farben legen einen „Weichzeichner“ über die Stadt, der die Konturen schwächt und alles einheitlicher erscheinen lässt. Die dunklen Farben hingegen heben die Kontraste hervor, die Aussicht ist dramatischer. Von hier aus ist der Hafen gelb, das Wohnviertel hinter dem Museum rosarot, das Rathaus von Arne Jacobsen und Erik Møller grün, das Hotel nebenan blau. Von der Stadt aus ist der farbige Ring ebenfalls beeindruckend. Durch die Überlagerung der beiden Glasringe werden die Farben intensiver. Your Rainbow Panorama löst eine unglaubliche Sehnsucht aus – ähnlich wie ein natürlicher Regenbogen. Auch von fern nimmt der Ring eine vermittelnde Funktion ein, wirkt wie ein Farbkompass für die eigene Orientierung. Für den Museumswächter, der seine Runden durch den Regenbogen dreht, ist der Hafen nicht gelb. Er hat dort zu lange gearbeitet. Aber ihm gefällt die Installation auf dem Dach: „Der Stadt tut der Regenbogen gut, er bricht die harten Kanten.“



Fakten
Architekten Eliasson, Olafur, Berlin
Adresse Aros Allé 2, 8000 Aarhus, Dänemark


aus Bauwelt 33.2011
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