Der dritte Raum
Zwei Berliner und eine Stuttgarter Arbeitsgemeinschaft stehen in der engeren Wahl, das Museum zum Grenzdurchgangslager im niedersächsischen Friedland um ein Besucher-, Medien- und Dokumentationszentrum zu erweitern.
Text: Landes, Josepha, Berlin
Der dritte Raum
Zwei Berliner und eine Stuttgarter Arbeitsgemeinschaft stehen in der engeren Wahl, das Museum zum Grenzdurchgangslager im niedersächsischen Friedland um ein Besucher-, Medien- und Dokumentationszentrum zu erweitern.
Text: Landes, Josepha, Berlin
Flucht, Vertreibung, Migration und Integration sind die Themen des Museum Friedland. Friedland liegt in der Mitte Deutschlands. 45 Jahre lang, nach dem Zweiten Weltkrieg, war die Gegend nördlich von Göttingen allerdings Zonenrandgebiet. Hier beäugten amerikanische, britische und sowjetische Grenzer sich und diejenigen, deren Weg an ihnen vorbeiführte. Und das waren fast zwei Millionen Menschen allein in den ersten vier Nachkriegsjahren.
In Friedland eröffnete 1945 ein Grenzdurchgangslager (GDL). Noch heute trägt die Einrichtung diesen Namen, obwohl es diese Grenzen so nicht mehr gibt. Andere an ihrer statt. Gegenwärtig leben hier ca. 450 Menschen, mal mehr, mal weniger. 750 Betten stehen maximal zur Verfügung. Die meisten Bewohner zurzeit sind im Rahmen der UNHCR Resettlement Agreements gekommen und bleiben nur wenige Wochen; einige haben sich auf eigene Faust aus Syrien, anderen Ländern des Nahen Ostens oder Afrika auf den Weg gemacht und bleiben zum Teil mehrere Monate, bis ihr Aufenthaltsstatus geklärt ist; wenige sind Spätaussieder oder Juden aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion.
In den Anfangsjahren war das anders: Vertriebene, Kriegsgefangene, Displaced Persons und Heimkehrer blieben meist nur einen Tag zur Registrierung. Später etablierte sich Friedland als Erstaufnahmeeinrichtung für Spätaussiedler, kamen Schutzsuchende nach dem Putsch in Chile und Boatpeople aus Vietnam. Geschichte ist eng verwoben mit Migrationen. Das zu erzählen, mit Fokus auf die jüngere Vergangenheit und Gegenwart vor Ort, ist Anliegen des Museums, das, wie auch das GDL, in Landesobhut liegt. Es öffnete 2016 im eigens dafür hergerichteten, nach dem Verkauf durch die Deutsche Bahn leerstehenden Bahnhofsgebäude (Bauwelt 48.2015).
In Friedland, einer locker besiedelten Gemeinde, geht das Lager fast fließend in die Ortschaft über. Als einzige derartige Einrichtung in Niedersachsen hat es keinen Zaun. Die Nachbarschaft von Einwohnern und Bewohnern scheint unaufgeregt. Ob Wohlfahrtsverbände, Ämter, der Dienstleistungssektor – die Friedländer profitieren vom GDL als Arbeitgeber in einer industrieschwachen Region. Dass viele Neuankömmlinge nicht lange bleiben, schränkt allerdings die Möglichkeiten für sozialen Austausch ein. Es gibt zwarKunst- und Sportgruppen, eine Cell-Phone-Dis-co im Museumsfoyer sowie einen Gemeindegarten, allein, es bleibt ein bemühtes Nebeneinander. Auch hier will das Museum beleben.
Die Ausstellung, gestaltet von den Exponauten aus Berlin, füllt den gegebenen Raum im al-ten Bahnhof sehr kompakt. Auf derzeit 400 Quadratmetern lassen sich zwar anschaulich einzelne Etappen von Migration, die Friedland berührten, nachvollziehen, Büros sowie Seminarräume hingegen sind Fehlanzeige. Sie müssen im Ort und in der Aufnahmeeinrichtung hinzugemietet werden. Das soll sich ändern: Der Architekturwettbewerb für einen Erweiterungsbau wurde im August zugunsten der Berliner dichter Architekturgesellschaft entschieden. Ihr Beitrag konnte sie deutlich vor zwei drittplatzierten Entwürfen positionieren. Ausgeschrieben war das Vorhaben international offen, eingereicht haben 27 Arbeitsgruppen von Architekten, Landschaftsplanern und Ausstellungsgestaltern, fast alle aus Deutschland. Neben dem Gebäude war auch ein Museumspfad Planungsbestandteil.
Mit dem Wettbewerb läutet der Bauherr, das Staatliche Baumanagement, nach der Erstinvestition in den alten Bahnhof nun die zweite Phase der Standortentwicklung ein. Folgen soll eventuell noch Phase 3, die ein Studienzentrum vorsieht. Vorerst allerdings hoffen alle Beteiligten darauf, 2022 ihr neues Schmalhaus einweihen zu können. Relativ schmal sind nämlich alle drei noch im Spiel befindlichen Varianten. Dichter, die mit bbz Landschaftsarchitekten und Fischer Ausstellungsgestaltung zusammen einreichten, strecken ihren mit schwarzen Schindeln verkleideten Holzbaukörper über sagenhafte 48 Meter entlang der Bahngleise. Sie integrieren, was dem Preisgericht sehr gefiel, eine Querung in Richtung GDL-Gelände. Dadurchwird die Rolle des zentral im Erdgeschoss liegenden Cafés als “Dritter Raum” besonders aktiviert. Dieser dritte Raum war den Auslobern sehr wichtig. Er ist gedacht als ein Zwischenort, nicht Zuhause, nicht Arbeitsplatz, der Begegnung möglich macht. Mit dem neuen Gebäude verknüpfen die Nutzer auch den Wunsch, die Bewohner besser anzusprechen – nicht als externes Kulturangebot, sondern als Bereicherung und Identifikationsort soll das Projekt wahrgenommen werden.
Vorgesehen sind außerdem Büros und Seminarräumen und rund 800 zusätzliche Quadratmeter Ausstellungsfläche. Der Vorzug des Sieger-entwurfes ist, so Museumsdirektor Frank Frühling, dass die Architekten sehr helle und offene Räume vorschlagen. Die Ausstellungen können entsprechend flexibel angepasst werden.
Der Entwurf von Bez + Koch aus Stuttgart, wandet in Anspielung auf die nahe Eisenbahn, konsequent den gesamten Gebäuderiegel, sowohl innen als auch außen, in Holzbohlen. Die Ausstellungsräume wirken dadurch etwas düster, andererseits werden so effektvolle Licht-präsentationen möglich. Es fehlt ihm jedoch der Bezug zu den Unterkünften, die sich klar an der Rückseite dieses möglichen Museums befänden.
Der Beitrag des anderen Berliner Büros, Richter Musikowski, orientiert sich städtebaulich an den Satteldachstirnseiten der dahinterliegenden Gebäude des Bundesverwaltungsamts, der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und der Lager-Verwaltung. Entsprechend reihen sie fünf in schimmerndes Wellblech gekleidete, leicht versetzte Giebel aneinander, in deren Innerem die einzelnen Ausstellungsbereiche sich aus der Gesamtform ergeben.
Ob die Sieger auch bauen werden, entscheidet sich in einer Verhandlungsrunde im Oktober.
Offener einphasiger interdisziplinärer Realisierungswettbewerb
1. Preis (45.000 Euro) dichter Architekturgesellschaft, Berlin/bbz Landschaftsarchitekten,Berlin/Fischer Ausstellungsgestaltung, Berlin
3. Preis (22.500 Euro) Bez + Kock Architekten, Stuttgart/Koeber Landschaftsarchitektur, Stuttgart
1. Preis (45.000 Euro) dichter Architekturgesellschaft, Berlin/bbz Landschaftsarchitekten,Berlin/Fischer Ausstellungsgestaltung, Berlin
3. Preis (22.500 Euro) Bez + Kock Architekten, Stuttgart/Koeber Landschaftsarchitektur, Stuttgart
3. Preis (22.500 Euro) Richter Musikowski, Berlin/Stefan Bernard Landschaftsarchitekten,Berlin/Schiel Projekt, Berlin
Anerkennung (8500 Euro) Jan Ulmer Architects, Berlin/Mettler Landschaftsarchitektur, Berlin/Studio TheGreenEyl, Berlin
Anerkennung (8500 Euro) Kohlmayer Oberst Architekten, Stuttgart/Landschaftsarchitektur Markus Herthneck, Stuttgart/st Studio, Stuttgart
Preisgericht
Heiner Farwick (Vorsitz), Gert Leissing, Meinrad Morger, Johannes Kuehn, Barbara Holzer, Gabriele Kiefer, Nicola Lepp, Frank Frühling, Johannes Schustek, Joachim Baur, Marcus Rogge
Heiner Farwick (Vorsitz), Gert Leissing, Meinrad Morger, Johannes Kuehn, Barbara Holzer, Gabriele Kiefer, Nicola Lepp, Frank Frühling, Johannes Schustek, Joachim Baur, Marcus Rogge
Auslober
Land Niedersachsen
Land Niedersachsen
Wettbewerbskoordination
scheuvens + wachten plus planungsgesellschaft, Dortmund
scheuvens + wachten plus planungsgesellschaft, Dortmund
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