Bauwelt

Dichte Packung

Editorial

Text: Geipel, Kaye, Berlin

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Dichter und höher, zum Beispiel in München: Wohnhochhäuser am Hirschgraben, die zurzeit auf der Basis eines Realisierungswettbewerbs von 2008 umgesetzt werden. Entwickelt werden die Häuser von der LBBW Immobilien Capital, Architekten sind Allmann Sattler Wappner.
Foto: LBBW Immobilien, Projekt Friends

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Dichter und höher, zum Beispiel in München: Wohnhochhäuser am Hirschgraben, die zurzeit auf der Basis eines Realisierungswettbewerbs von 2008 umgesetzt werden. Entwickelt werden die Häuser von der LBBW Immobilien Capital, Architekten sind Allmann Sattler Wappner.

Foto: LBBW Immobilien, Projekt Friends


Dichte Packung

Editorial

Text: Geipel, Kaye, Berlin

Dichte ist ein schillernder Begriff. Er prägt die Debatte in unterschiedlichen Disziplinen – nicht nur bei Architekten und Stadtplanern, auch bei Geographen, Raum- und Verkehrsplanern und Sozialwissenschaftlern. Das führt mitunter dazu, dass über das eigene Terrain hinausgedacht wird, mit erstaunlichen Folgen. In der letzten Woche hat der bekannte Wiener Verkehrsexperte Hermann Knoflacher einen ultimativen Vorschlag zur Verdichtung der Stadt präsentiert. Gemäß seiner Devise: „Autos haben in der Stadt nichts zu suchen“, will er innerstädtische Verkehrs- und Parkflächen ganz abschaffen, um dort den dringend nötigen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wenn es um die Verdichtung geht, darf groß gedacht werden. Nicht alle sind begeistert. Zumindest unter Stadtplanern herrscht aber weitgehend Konsens über die grundsätzliche Richtung. Das Leitmotiv „Urbanität durch Dichte“ wird heute nicht mehr in Frage gestellt. Das war nicht immer so. In den sechziger Jahren organisierten der BDA und die TH Aachen eine legendäre Städtebautagung unter dem Stichwort „Gesellschaft durch Dichte“, nachzulesen in den Bauwelt Fundamente 107. Die damals von Lucius Burckhardt, Gerd Fehl, Yona Friedman und vielen anderen diskutierte These, durch Dichte ließe sich „Gesellschaft erzeugen“, stieß auf starken Widerspruch – zu sehr kollidierte sie auf der einen Seite mit dem Leitbild der aufgelockerten Stadt und auf der anderen mit dem bereits absehbaren Scheitern der Großwohnsiedlungen.
Was sich bis heute gehalten hat, ist die Misslichkeit, dass die bauliche Dichte zuallererst in Zahlen gemessen wird. Wo genau versteckt sich der Hinweis auf die notwendigen städtebaulichen oder architektonischen Qualitäten – wenn von einer GFZ von 3,7 die Rede ist? Die Nachverdichtung der Städte sollte uns jedenfalls auch zum Nachdenken über die räumlichen und architektonischen Konsequenzen zwingen. Die dichte Stadt baut sich eben nicht nach der Devise, alles ein Stück enger zusammenzustellen wird schon genügen.
Vier Fallbeispiele
Die Beispiele in diesem Heft stehen für vier ganz unterschiedliche Modelle, mit baulicher Verdichtung und Nachverdichtung umzugehen. Am Rande von Wien, in der Seestadt Aspern, wird ein aktualisierter Klon der Stadt des 19. Jahrhunderts in die Peripherie gebaut, und die plötzlich zwischen Wiesen und künstlichem See auftauchende vielgeschossige Stadtkulisse sieht so überraschend und theatralisch aus, wie eine Stadtkrone von Bruno Taut. In der Berliner Europacity geht es nüchterner zu. Der Städtebau des neuen Quartiers, das gerade am Hauptbahnhof gebaut wird, ist von einer geradezu rüden Blockstruktur geprägt, die allerdings gemildert wird durch ein Bündel von Bauten renommierter Architekturbüros, die der „dichten Packung“ ein freundliches Antlitz geben sollen. Beim Hunziker-Areal in Zürich leisten Baugenossenschaften Vorbildliches. Die dicken Geschosswohnungsbauten, die hier gleich im Dutzend zusammengestellt wurden, haben erstaunliche Qualitäten bei extrem tiefen Grundrissen. Schließlich, am Rand von Paris, das wohl ausgefallenste Modell städtebaulicher Verdichtung. Dort wurde eine ausgediente, 600 Meter lange und 80 Meter breite Lagerhalle aus den späten sechziger Jahren zu einem ganzen Stadtquartier mit aufgestellten Wohnbauten transformiert – Mitte Februar wurde eröffnet, das Experiment im 19. Arrondissement kann besichtigt werden. Die Herausforderung, wie wir die dichte Stadt der nächsten Jahre gestalten, stellt sich heute an vielen Orten. Wir hätten an dieser Stelle auch den Stand der Dinge am Nordbahnhof in Wien, das neue Quartier Billancourt Paris, die sich nach Osten erweiternde Hafencity in Hamburg, das Projekt am Deutzer Hafen in Köln oder das unten abgebildete Wohnhochhausquartier am Hirschgraben in München zeigen können. Das Modell der Europäischen Stadt ist dabei, sich weiter zu verändern, und das nicht nur in Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise.

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