Bauwelt

Die Restaurierung der Villa Tugendhat

Text: Krohn, Carsten, Berlin

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    Der Eingangsbereich. Auf einer Tafel lässt sich der Zeitpunkt der nächsten Führung ablesen.
    Dirk Brömmel

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    Der Eingangsbereich. Auf einer Tafel lässt sich der Zeitpunkt der nächsten Führung ablesen.

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    Spielende Kinder im großzügigen Garten der 1250-Quadratmeter-Villa.
    Dirk Brömmel

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    Spielende Kinder im großzügigen Garten der 1250-Quadratmeter-Villa.

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    Fritz Tugendhat und Sohn auf der Dachterrasse.
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    Fritz Tugendhat und Sohn auf der Dachterrasse.

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    Nach der Beschlagnahmung der Villa durch die Gestapo wird sie an Willy Messerschmitt vermietet. Dieser lässt massive Trennwände einziehen.
    Dirk Brömmel

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    Nach der Beschlagnahmung der Villa durch die Gestapo wird sie an Willy Messerschmitt vermietet. Dieser lässt massive Trennwände einziehen.

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    Später dient das Haus als Pferdestall für die russischen Armee, danach als Turnhalle des örtlichen Kinderkrankenhauses.
    Dirk Brömmel

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    Später dient das Haus als Pferdestall für die russischen Armee, danach als Turnhalle des örtlichen Kinderkrankenhauses.

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    Ernst und Herbert Tugendhat vor der versenkbaren Glasfassade. Bei der ersten Renovierung werden die letzten Originalteile durch Repliken ersetzt.
    Dirk Brömmel

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    Ernst und Herbert Tugendhat vor der versenkbaren Glasfassade. Bei der ersten Renovierung werden die letzten Originalteile durch Repliken ersetzt.

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    Mies zu Besuch. Stahlskelettkonstruktion und große Fensterflächen der Villa ähneln dem zeitgleich entstandenen Barcelona Pavillon.
    Dirk Brömmel

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    Mies zu Besuch. Stahlskelettkonstruktion und große Fensterflächen der Villa ähneln dem zeitgleich entstandenen Barcelona Pavillon.

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    Einige wertvolle Möbel kann die jüdische Familie bei ihrer Flucht vor den Nazis mitnehmen, das meiste wird zerstört.
    Dirk Brömmel

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    Einige wertvolle Möbel kann die jüdische Familie bei ihrer Flucht vor den Nazis mitnehmen, das meiste wird zerstört.

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    Weihnachten im Kreis der Familie vor der Wand aus marokkanischem Onyx.
    Dirk Brömmel

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    Weihnachten im Kreis der Familie vor der Wand aus marokkanischem Onyx.

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    Die Kinder im eigens für die Villa entworfenen Brno Chair, ...
    Dirk Brömmel

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    Die Kinder im eigens für die Villa entworfenen Brno Chair, ...

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    ... Grete Tugendhat im hinterbeinlosen "Freischwinger".
    Dirk Brömmel

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    ... Grete Tugendhat im hinterbeinlosen "Freischwinger".

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    Im Wintergarten.
    Dirk Brömmel

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    Im Wintergarten.

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    Dass die Villa wirklich bewohnbar ist, wird zur Entstehungszeit durchaus in Frage gestellt ...
    Dirk Brömmel

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    Dass die Villa wirklich bewohnbar ist, wird zur Entstehungszeit durchaus in Frage gestellt ...

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    ... zu Unrecht, wie die Fotos der Ikone in Benutzung zeigen.
    Dirk Brömmel

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    Die Arbeit "Villa Tugendhat" von Dirk Brömmel ist noch bis zum 5.April 2012 in der Galerie f75 in Stuttgart zu sehen.
    Dirk Brömmel
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    Die Arbeit "Villa Tugendhat" von Dirk Brömmel ist noch bis zum 5.April 2012 in der Galerie f75 in Stuttgart zu sehen.
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Foto: Carsten Krohn

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Die Restaurierung der Villa Tugendhat

Text: Krohn, Carsten, Berlin

Highheels müssen draußen bleiben – ansonsten ist Mies’ programmatisches Wohnhaus der Zwischenkriegszeit seit dem 6. März wieder für das Publikum geöffnet: dienstags bis sonntags, mit Führungen zur vollen Stunde.
Das Haus präsentiert sich, als wäre es gerade erst erbaut. Alles strahlt derart homogen in neuem Glanz, dass es nicht mehr möglich ist zu erkennen, was original und was nachgebildet ist. Dass die Restaurierung nach jahrzehntelanger Vernachlässigung dennoch auf wundersame Weise geglückt ist, beruht auf einem Synergieeffekt. Von all dem, was Mies van der Rohes Villa Tugendhat in Brünn in ihrer über 80-jährigen Geschichte durchmachen musste, sind kaum mehr Spuren zu sehen. Gleich mit der Vertreibung der jüdischen Eigentümer und der Plünderung des Hauses setzte die schrittweise Überformung und Verunklarung der Architektur ein – und setzte sich paradoxerweise auch dann fort, als der Bau in den 1980er Jahren wieder instand gesetzt wurde. Damals wurden originale Fliesen abgeschlagen, und das Gebäude wurde mit einer weißen Kunstharzfarbe angestrichen, die sich mit der Bauphysik nicht vertrug. Damals ging auch die letzte noch erhaltene 15 Quadratmeter große Glasscheibe verloren, die in den Boden versenkbar war.  
Wer das Haus früher schon einmal besucht hat, wird überrascht sein, denn es ist nicht mehr weiß. Der hydraulische Kalkputz ist mit lokalem Sand versehen, sodass eine leicht gelbliche Färbung in Erscheinung tritt. Auch im Inneren sind die Wände nicht mehr schneeweiß. Sie sind extrem fein verputzt, ohne Anstrich, und beim genauen Betrachten zeigt sich auch hier der Sand. Selbst die Fliesen sind nicht weiß, sondern leicht cremefarben, sodass sie eine Einheit mit dem Travertin-Boden bilden. Wenn man von einer intendierten Homogenität der Farbigkeit ausgeht, sind die rekonstruierten Fliesen in der Küche wohl etwas zu gelb geraten, der Linoleumboden im offenen Wohnraum hingegen wirkt etwas zu braun. Hier stehen grüne Barcelona-Sessel neben einer roten Liege. Eine derartige Polychromie findet sich bei keinem anderen Mies-Bau. Doch im Gegensatz zu diesen auch auf Mies’ Partnerin Lilly Reich zurückzuführenden Farben der Möbel und Textilien wird beim Gebäude selbst nur die Farbigkeit der Materialien zum Ausdruck gebracht.
Die kunstvoll ummantelten Stützen des Stahlskeletts sind im Inneren verchromt und im Außenbereich künstlich patiniert, sodass das Messingblech mit einem hohen Kupferanteil wie Bronze erscheint. Mies’ Präzision der Detaillierung zeichnet auch die Renovierung/Rekonstruktion aus. Die zerstörten Bäder wurden aufgrund von historischen Schwarzweiß-Aufnahmen nachgebildet. Von den Waschbecken wurden nach den Fotos Computermodelle erstellt, die dann produziert wurden. So sind auch Wasserhähne und Lichtschalter penibel nachgebildet. Auch sämtliche Möbel sind rekonstruiert, und das auf eine perfekte Art. Die Akribie, mit der hier vorgegangen worden ist, trägt zum Effekt bei, dass sich die Besucher wie auf einer Zeitreise fühlen und glauben, nun plötzlich das Haus zum Zeitpunkt der Schlüsselübergabe betrachten zu können.
Leider fehlt die wichtige Skulptur von Lehmbruck, während man im Obergeschoss an den Stellen, an denen früher einmal Bilder hingen, andere Bilder aufgehängt hat, sodass ein Puppenstubeneffekt entsteht. Es wäre schön, die noch erhaltenen Möbel wieder an Ort und Stelle zu sehen. Nachbesserungsbedarf besteht auch beim Teppich vor der Onyx-Wand und bei den Vorhängen, deren Qualität sicher nicht dem Anspruch von Mies und Reich genügt hätte.
Eine Sensation ist die von Miroslav Ambroz wiederentdeckte Makassar-Holzverkleidung der halbrunden Wand um den Esstisch, die bis dahin als verschollen galt. Ambroz war nach langer Recherche auf das Tagebuch eines Wehrmachtsoldaten gestoßen, in dem genau beschrieben stand, wie die edlen Holzpaneele aus dem Haus entfernt und in den Festsaal des Gestapo-Hauptquartiers eingebaut wurden. In dem später als Mensa der Masaryk-Universität genutzten Saal blieb die Herkunft der Paneele jahrzehntelang unbemerkt.
Die knapp sieben Millionen Euro teure Sanierung wurde zu 85 Prozent von der EU getragen. Schon im Vorfeld hat eine durch private Sponsoren finanzierte „konservierungswissenschaftliche Untersuchung“ unter Leitung von Ivo Hammer die Materialität erforscht. An dem Projekt waren mehrere Hochschulen beteiligt. Erst das Zusammenwirken von internationalen Spezialisten ermöglichte die erfolgreiche Umsetzung dieses Restaurierungsvorhabens. So ist das Ergebnis mehr als die Summe seiner Einzelteile.
Eine neue Erkenntnis über Mies’ Werk ist die Genauigkeit, mit der er den jeweils spezifischen Materialcharakter herausgearbeitet hat. Auch die Ausgewogenheit der Proportionen bis in die Details ist nun wieder erfahrbar. Allerdings sind auch Fehler passiert. Die erneuerten Travertin-Stufen der monumentalen Freitreppe wurden nicht analog der Schichtung des Steins verlegt, sondern quer dazu. Gerade der Sohn eines Steinmetzes wird sehr genau überlegt haben, ob die Maserung vertikal oder horizontal verlaufen soll.
Nach zweijähriger Bautätigkeit sind nun nicht nur die Wohnräume wieder zugänglich, sondern auch der rekonstruierte Garten und die Technikräume im unteren Geschoss. Hier können die Zentrale der Klimaanlage und der Mechanismus der herunterfahrbaren Fensterscheiben besichtigt werden, und es ist ein Glück, dass die gesamte Mechanik des Hauses nach wie vor funktioniert. Mit einem für Einfamilienhäuser irrsinnigen Aufwand wurde eine technische Perfektion erzielt, die sich der Architektur unterordnet. Es wird hier keine Maschinenästhetik zum Ausdruck gebracht. Die in Mies’ Architektur thematisierte Versöhnung von Gegensätzen ist nach Jahrzehnten nun wieder in ihrer Vollkommenheit erlebbar. 
Fakten
Architekten Mies van der Rohe, Ludwig (1886-1969)
aus Bauwelt 14.2012
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