Bauwelt

Flucht nach vorn

Editorial

Text: Kleilein, Doris, Berlin; Meyer, Friederike, Berlin

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    Stadtbauwelt-Redakteurin Doris Kleilein und Oliver Elser, Kurator am Deutschen Architekturmuseum, beim Sichten aktueller Projekte zum Bauen und Planen für Flüchtlinge
    Foto: Friederike Meyer

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    Stadtbauwelt-Redakteurin Doris Kleilein und Oliver Elser, Kurator am Deutschen Architekturmuseum, beim Sichten aktueller Projekte zum Bauen und Planen für Flüchtlinge

    Foto: Friederike Meyer

Flucht nach vorn

Editorial

Text: Kleilein, Doris, Berlin; Meyer, Friederike, Berlin

Was viele Jahre als Problem der anderen galt, ist spätestens in diesem Sommer vor unseren Haustüren angekommen. Knapp 400.000 Schutz suchende Menschen haben zwischen Januar und November einen Asyl­antrag in Deutschland gestellt. In etwa noch einmal so viele warten darauf, oft nur notdürftig untergebracht, einen Asylantrag stellen zu können. Noch ist unklar, wie viele der Asylsuchenden im Land bleiben werden. Doch eines ist sicher: Die Menschen brauchen Wohnraum und zwar schnell.
Wer derzeit mit Flüchtlingen zu tun hat, muss vor allem mit Zahlen operieren. Wie viele? Wohin? Wer zahlt? – Fragen, die Betreuer, Helfer, Busfahrer und Beamte immer wieder stellen. Auch Architekten, die sonst Schulen und Museen entwerfen, müssen sich neuerdings mit dem Existenzminimum beschäftigen, mit Zehntelquadratmetern und Gemeinschaftsduschen – Aufgaben, um die sich niemand reißt. Doch was wäre, wenn man diese Aufgaben der Verwaltung und der Bauwirtschaft überließe, die notfalls auch ohne Architekten auskommen?
Planen und Bauen für Flüchtlinge und Migranten – mit diesem Thema hat sich die Stadtbauwelt bereits mehrfach beschäftigt. Im Jahr 2006 widmete sie die Ausgabe „Wir Flüchtlinge“ der globalen Dimension der Flüchtlingsbewegungen und der Rolle der Lager. Im Jahr 2012 zeigte sie unter dem Titel „Neue Haymat“, wie Immigranten in Deutschland und im europä­ischen Ausland zu Akteuren der Stadtentwicklung geworden sind. Die vorliegende Ausgabe entstand in einem unruhigen Jahr. Selten hat sich ein Konzept für die Stadtbauwelt so dynamisch verändert wie dieses. Sind die Zahlen noch aktuell? Wie entwickelt sich die Debatte in Tageszeitungen und Fernsehanstalten? Ja, worum geht es eigentlich in diesen Tagen?
Im ersten Teil dieser Ausgabe machen wir eine Bestandsaufnahme der Ankunftsorte. Kay Wendel kritisiert die Zustände in Gemeinschaftsunterkünften und Massenlagern und das abgestufte Unterbringungssystem in Deutschland. In der „Lagerinventour“ protokollieren Mitglieder des Bayerischen Flüchtlingsrats Orte, an denen Asylbewerber untergebracht sind. Manuel Herz erläutert im Gespräch, was wir von Flüchtlingslagern außerhalb Europas lernen können. Hans Stimmann wirft einen Blick auf die Flüchtlingsstadt Lübeck nach dem Zweiten Weltkrieg und Benedikt Crone berichtet von seinem Besuch im Grenzdurchgangslager Friedland in Hessen, wo seit 70 Jahren Flüchtlinge aufgenommen werden.
Im zweiten Teil blicken wir nach vorn. Im November hatten wir einen Aufruf gestartet und Projekte zum Planen und Bauen für Flüchtlinge gesucht – mehr als 70 Einsendungen haben innerhalb von zwei Wochen die Redaktion erreicht. Unsere Auswahl „Bauaufgabe Asyl“ zeigt einen Querschnitt. Umstrittene Bauaufgaben wie Registrierzentren, Leichtbauhallen und Containerdörfer sind ebenso dabei wie experimentelle Ansätze für das Zusammenleben von Einheimischen und Asylsuchenden. Alle Projekte, auch die, die nicht Eingang in dieses Heft gefunden haben, werden im Frühjahr 2016 auf einer Webseite veröffentlicht, die wir gemeinsam mit den Kommissaren des deutschen Pavillons in Venedig 2016 konzipieren – ein offener Pool für alle, die sich mit der Flüchtlings- und Wohnungsfrage beschäf­tigen.
Am Ende dieses Heftes steht ein Ausblick. Stefan Rettich fasst zusammen, welche politischen Instrumente in Zeiten der Zuwanderung für die Stadtentwicklung nötig sind. Um aus dem Krisenmodus der Erstunterbringung herauszukommen, das wird an vielen Stellen im Heft deutlich, sind mittel- und langfristige Strategien gefragt. Die Flüchtlinge bringen Bewegung in die Wohnungsfrage, die sich schon lange vor 2015 gestellt hat. Bis 2021 müssen, nach neuen Zahlen, mindestens 400.000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, bezahlbare Wohnungen sind Mangelware in Deutschland. Das Thema wird uns in den kommenden Jahren begleiten.

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Rubriken Neue Haymat
Rubriken „Wir müssen ein bisschen gelassener werden“ 

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