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Goldfinger in Andermatt

Text: Geipel, Kaye, Berlin

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Foto: Andermatt Swiss Alps

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Goldfinger in Andermatt

Text: Geipel, Kaye, Berlin

Weil der Ort ohne Zukunft war, holten die Bewohner eines abgelegenen Bergdorfs am Rande des Gotthardpasses einen ägyptischen Investor zu Hilfe. Seit 2009 probt das Dorf den städtebaulichen Großumbau. 
In diesen Tagen eröffnete mit „The Chedi“ eines der teuersten Hotels der Schweiz  –  ein erster Baustein, um sich auf der globalen Landkarte des 5-Sterne-Reisens zu positionieren. Die Story des neuen Andermatt ist auch die Geschichte eines David, der den Goliaths der Luxusdestinationen St. Moritz und Zermatt Paroli bieten will. Wie sie ausgeht, wird man in 10 Jahren wissen.

Als der Kleinbus bei der Besichtigungstour Anfang Januar dem Dorfausgang entgegenfährt, hebt der Fahrer die Stimme und ist begeistert. „Links die Tankstelle aus ‚Goldfinger‘. Wie damals!“ Vor 40 Jahren setzte James Bond unter diesem Tankstellendach das Bondgirl Tilly Masterson ab, nachdem er ihren Wagen bei einer Verfolgungsjagd ins Gras abgedrängt und sie dann gentlemanlike ins Tal mitgenommen hatte. Die Tankstelle sieht bis auf die neuen Anbauten aus wie im Film, der Ortseingang in das 1300-Seelen-Dorf wirkt wie 1964. Der Busfahrer hat eine weitere Geschichte parat. Er sei bei den Dreharbeiten dabei gewesen, habe sogar einen Mähdrescher gelenkt, in dem einer der Gangster „geschreddert“ wurde. Vier tote Schafe habe man damals in den Dreschflügel geworfen, bevor die Szene anschaulich im Kasten war. Ob die Story wahr ist, bleibt offen. In „Goldfinger“ ist von einem Tod im Mähdrescher nichts zu sehen.
Das neue Andermatt braucht mehr als aufregende Stories. Es braucht Gründungsmythen für die hochfliegenden Pläne, die hier von dem ägyptischen Investor Samih Sawiris umgesetzt werden. Denn bis vor kurzem gab es hier nichts, was Touristen zum Stopp verlockt hätte, schon gar nicht Luxustouristen. Das war auch nicht nötig, denn seit den 1920er Jahren ist hier das Schweizer Militär vor Ort. Die Berge wurden als Schießstand genutzt, und Andermatt war Teil des Schweizer Reduits – jenen legendären, in den Berg gehauenen Verteidigungsräumen für den Kriegsfall. Der Militärbetrieb sicherte den Dorfbewohnern ein einträgliches Auskommen. Ein luxuriöses Großhotel besaß Andermatt auch, das 1870 erbaute Bellevue, das aber seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts zusehends verfiel und zum Abbruch freigegeben wurde.
Seit dem 6. Dezember 2013 ist alles anders. Vis-a-vis vom Bahnhof steht auf dem Gelände des ehemaligen Bellevues ein glitzerndes Luxushotel-Ensemble im Châletstil. Es gibt 120 Zimmer, die im einfachsten Fall für 550 Franken zu haben sind, dazu 13 Penthouses, 42 Residenzen und jene Art von Großzügigkeit, die heute Luxus kennzeichnet. Die Eingangshallen sind fünf Meter hoch, das Spa hat eine 33-Meter-Bahn, die Lobbys sind von Eichenholzregalen und gläsernen Schränken umstellt, in denen ausgesuchte Rothschild-Weine präsentiert werden. Im Hauptrestaurant wird man aus vier frei gestellten Atelierküchen heraus bekocht, abends leuchten unzählige Kerzen auf den Fluren, dazu kommt das heimelige Licht von 201 Gaskaminen. Die rohe Ruppigkeit der neuen Schweizer Architektur braucht man im Chedi nicht zu suchen. „The Chedi“ heißt wohl Tempel, das gibt den entscheidenden Hinweis für das Gestaltungskonzept. Der internationale Geschmack misst sich in Einheiten, die das Globale und das Lokale mit großer Geste zur Deckung bringen. Monumentale Skulpturen Schweizer Künstler aus dem Bruchholz der Gotthard-Bergwelt werden von chinesischen Lampions in rotes Licht getaucht. „Alpiner Chic, kombiniert mit asiatischem Style“ – die Salesmanagerin bringt es auf den Punkt. The Chedi ist ein eindrucksvoller erster Baustein. Aber die städtebauliche Entwicklung steht erst am Anfang. Geboren wurde die Idee eines neuen Andermatt an einem Februartag vor neun Jahren. Das Dorf suchte nach dem Abzug des Militärs nach Möglichkeiten, um dem drohenden wirtschaftlichen Abstieg zu begegnen. Samih Sawiris, ägyptischer Investor von legendärem Ruf, wurde mit dem Hubschrauber eingeflogen, um sich die Gegebenheiten anzusehen. Sawiris spricht Deutsch, vor allem hat er den trockenen Humor, der nötig ist, um die Dörfler des Kantons Uri von Visionen zu überzeugen. Sawiris kam wieder, und Ende 2005 präsentierte er den Bewohnern seine Ideen: Wenn Andermatt auf die Karte der internationalen Top Destinations kommen will, braucht es viel mehr als bloß luxuriöse Hotelanlagen. Es braucht viel mehr Geld – von 1,8 Mrd. CHF Gesamtinvestitionen ist heute die Rede – und viel mehr Fläche – 1,3 Mio. Quadratmeter sollen es sein. Für fünf weitere Hotels unterschiedlicher Kategorie, 500 Apartments, Kongresseinrichtungen, für eine Schwimmhalle, einen Golfplatz. Schließlich muss der Skizirkus völlig neu ausgebaut werden.

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