Hochhausmeile London
Aufholjagd
Text: Brensing, Christian, Berlin
Hochhausmeile London
Aufholjagd
Text: Brensing, Christian, Berlin
In die Londoner Hochhausmeile ist neue Bewegung gekommen. Mit dem Abebben der Finanzkrise haben die Investoren wieder Oberwasser, und die Architekten profitieren davon. Nach über zehnjähriger Planungsgeschichte hat die Stadt mit dem Heron Tower eine neue Höchstmarke. Sie wird nicht lange halten.
Der berühmt-berüchtigte englische Humor war noch nie darum verlegen, zeitgenössische Architektur mit Spitznamen zu versehen. Zwei der bekanntesten Beispiele aus der City von London sind Norman Fosters „Erotic Gherkin“ für die Swiss Re und Renzo Pianos „Shard“, Glasscherbe, für den London Bridge Tower. Mit dem Hereinbrechen der Welt-Wirtschaftskrise im Herbst 2008 blieb so manchem der Witz im Halse stecken, sie entzog vielen Großprojekten die wirtschaftliche Grundlage. Nicht nur Banker saßen plötzlich auf der Straße, die folgenden Monate entpuppten sich auch für Architekten und Planer als Alptraum. Alle, die ihren Lebensunterhalt in der so genannten Square Mile – dem Weltfinanzplatz schlechthin – bestritten, schlitterten mit dem „Downswing“ in eine massive Existenzkrise. Aber trotz des Rückgangs der Architektenleistung um 40 Prozent und einer Sinnkrise der Architektur – die Tageszeitung The Independent beschrieb unlängst „The death of architecture“ – geht es nach der Verstaatlichung einiger Banken und mit einem zwei Milliarden Euro schweren Rettungspaket wieder aufwärts. Langsam, aber stetig.
Aufbruchstimmung
Das weithin sichtbare Zeichen des architektonischen Aufbruchs in der City ist der Heron Tower von PLP Architecture. Zur Zeit ist er mit 230 Meter hoch, 46 Geschossen und 43.000 Quadratmeter BGF das höchste Gebäude in London. Allerdings wohl nur bis zum nächsten Jahr. Dann wird er von Renzo Pianos Shard, 310 Meter Höhe und 66 Geschosse, übertroffen werden. Mit 127.000 Quadratmeter Fläche wird er dreimal so groß – allerdings steht der Shard nicht in der City, sondern in Southwark, auf dem südlichen Themseufer. Beide Bauten sind derzeit die augenscheinlichsten Zeichen für Londons erstaunlich schnelle Erholung von der Rezession. Und bei genauerem Hinsehen zeigen sich weitere Parallelen. Der Heron Tower des Immobilienentwicklers Gerald Ronson lag hinsichtlich Beauftragung 2000, und Bauantrag, zwei Jahre später, zunächst zeitgleich mit Pianos Glasscherbe. Er wurde aber wesentlich früher fertig. Investor Ronson ist in der City kein unbeschriebenes Blatt. In der vorangegangenen Rezession, Anfang der neunziger Jahre, legte er einen satten Bankrott hin, inklusive einer sechsmonatigen Haftstrafe. Doch jetzt ist der Tycoon wieder oben auf. Der Heron Tower kommt genau in dem Augenblick auf den Markt, da die Geschäfte kräftig anziehen. Ronsons Konkurrent Irvine Sellar, der vor elf Jahren Renzo Piano beauftragte, ist ein gleichermaßen umtriebiger wie erfahrener Londoner Immobilienentwickler. Jedoch wird seine Investition erst 2013 bezugsfertig sein. Trotzdem, neben den Architekten sind die Immobilienentwickler die Gewinner der Krise. Das Eis für neue Hochhäuser in London scheint gebrochen zu sein.
Investoren eine Bresche schlagen
Der Weg bis zur Fertigstellung war für beide Hochhäuser langwierig, verworren und wohl auch kostspielig. Wirtschaftskrise und bauliche Auflagen der City of London verzögerten den Bau. Beim Heron Tower kam noch ein Architektenwechsel hinzu. Und beim Shard gingen die Planungen erst wieder weiter, nachdem die Qatar National Bank als 80-Prozent-Anteilnehmer in die Finanzierung eingestiegen war. Eines war beiden Investoren jedoch von Anfang an klar: Ohne das entsprechende Renommee von Star-Architekten waren das Stadtplanungsamt und die Öffentlichkeit von den Hochhausentwürfen nicht zu überzeugen. Architekten wie Renzo Piano und die Londoner Niederlassung der amerikanischen Architekten KPF mussten für die Investoren eine Bresche schlagen. Unter den kritischen Augen der English Heritage, einer Abteilung des Kulturministeriums zum Schutz historisch wertvoller Bauten, und begleitet von öffentlichen Anhörungen feilten die Architekten an ihren Entwürfen. Piano stapelt hinter seiner geneigten Glasfassade bis auf eine Höhe von 232 Metern edle Nutzungen; von exklusiven Büros und Restaurants über Luxusapartments und ein 5-Sterne-Hotel bis zur krönenden Aussichtsplattform ist so ziemlich alles im Angebot, wonach es der internationalen High Society gelüstet. Selbst bei den jetzt wieder üblichen Preisen von über 1000 Pfund/ftµ werden sich Interessenten finden. Auch der Heron Tower wurde nach dem Architektenwechsel zu PLP Architecture – eine unter der Führung von Lee Polisano, David Leventhal und Fred Pilbrow aus KPF hervorgegangene Bürogründung – auf die Höhe der Zeit gebracht. Er ist nun geradliniger, vier Geschosse höher, besser proportiniert und mit einer 3200 Quadratmeter großen Photovoltaikfassade versehen. Das geschossübergreifende Village-Concept aus eigenständigen Büroeinheiten ließ den Investor vollmundig von einem „six star advanced business life environment“ sprechen. Seitdem reißen sich Boutique-Finanzdienstleister um das neueste architektonische Produkt der London City Haute Couture.
Ken Shuttleworth
Derweil steht schon die nächste Reihe von Hochhausprojekten an, allesamt vor der Krise von Star-Architekten entwor-fen und auch schon mit Spitznamen versehen, so unter anderen das „Cheesegrater“ von Richard Rogers, das „Walkie-Talkie“ von Rafael Viñoly und das „Helter-Skelter“ von KPF. Nur einer wollte jüngst nicht mehr zu den Taten seiner Vergangenheit stehen: Ken Shuttleworth, maßgeblich am Entwurf von Fosters Gherkin beteiligt, distanzierte sich öffentlich von seinem Werk. Was hinter diesem spektakulären Frontwechsel steckt? Die Rhetorik mag gezielte Vorarbeit sein für „5 Broadgate“, das erste City-Hochhaus aus Shuttleworths eigenem Büro, Make, mit dessen Bau noch in diesem Jahr begonnen werden soll.
Aufbruchstimmung
Das weithin sichtbare Zeichen des architektonischen Aufbruchs in der City ist der Heron Tower von PLP Architecture. Zur Zeit ist er mit 230 Meter hoch, 46 Geschossen und 43.000 Quadratmeter BGF das höchste Gebäude in London. Allerdings wohl nur bis zum nächsten Jahr. Dann wird er von Renzo Pianos Shard, 310 Meter Höhe und 66 Geschosse, übertroffen werden. Mit 127.000 Quadratmeter Fläche wird er dreimal so groß – allerdings steht der Shard nicht in der City, sondern in Southwark, auf dem südlichen Themseufer. Beide Bauten sind derzeit die augenscheinlichsten Zeichen für Londons erstaunlich schnelle Erholung von der Rezession. Und bei genauerem Hinsehen zeigen sich weitere Parallelen. Der Heron Tower des Immobilienentwicklers Gerald Ronson lag hinsichtlich Beauftragung 2000, und Bauantrag, zwei Jahre später, zunächst zeitgleich mit Pianos Glasscherbe. Er wurde aber wesentlich früher fertig. Investor Ronson ist in der City kein unbeschriebenes Blatt. In der vorangegangenen Rezession, Anfang der neunziger Jahre, legte er einen satten Bankrott hin, inklusive einer sechsmonatigen Haftstrafe. Doch jetzt ist der Tycoon wieder oben auf. Der Heron Tower kommt genau in dem Augenblick auf den Markt, da die Geschäfte kräftig anziehen. Ronsons Konkurrent Irvine Sellar, der vor elf Jahren Renzo Piano beauftragte, ist ein gleichermaßen umtriebiger wie erfahrener Londoner Immobilienentwickler. Jedoch wird seine Investition erst 2013 bezugsfertig sein. Trotzdem, neben den Architekten sind die Immobilienentwickler die Gewinner der Krise. Das Eis für neue Hochhäuser in London scheint gebrochen zu sein.
Investoren eine Bresche schlagen
Der Weg bis zur Fertigstellung war für beide Hochhäuser langwierig, verworren und wohl auch kostspielig. Wirtschaftskrise und bauliche Auflagen der City of London verzögerten den Bau. Beim Heron Tower kam noch ein Architektenwechsel hinzu. Und beim Shard gingen die Planungen erst wieder weiter, nachdem die Qatar National Bank als 80-Prozent-Anteilnehmer in die Finanzierung eingestiegen war. Eines war beiden Investoren jedoch von Anfang an klar: Ohne das entsprechende Renommee von Star-Architekten waren das Stadtplanungsamt und die Öffentlichkeit von den Hochhausentwürfen nicht zu überzeugen. Architekten wie Renzo Piano und die Londoner Niederlassung der amerikanischen Architekten KPF mussten für die Investoren eine Bresche schlagen. Unter den kritischen Augen der English Heritage, einer Abteilung des Kulturministeriums zum Schutz historisch wertvoller Bauten, und begleitet von öffentlichen Anhörungen feilten die Architekten an ihren Entwürfen. Piano stapelt hinter seiner geneigten Glasfassade bis auf eine Höhe von 232 Metern edle Nutzungen; von exklusiven Büros und Restaurants über Luxusapartments und ein 5-Sterne-Hotel bis zur krönenden Aussichtsplattform ist so ziemlich alles im Angebot, wonach es der internationalen High Society gelüstet. Selbst bei den jetzt wieder üblichen Preisen von über 1000 Pfund/ftµ werden sich Interessenten finden. Auch der Heron Tower wurde nach dem Architektenwechsel zu PLP Architecture – eine unter der Führung von Lee Polisano, David Leventhal und Fred Pilbrow aus KPF hervorgegangene Bürogründung – auf die Höhe der Zeit gebracht. Er ist nun geradliniger, vier Geschosse höher, besser proportiniert und mit einer 3200 Quadratmeter großen Photovoltaikfassade versehen. Das geschossübergreifende Village-Concept aus eigenständigen Büroeinheiten ließ den Investor vollmundig von einem „six star advanced business life environment“ sprechen. Seitdem reißen sich Boutique-Finanzdienstleister um das neueste architektonische Produkt der London City Haute Couture.
Ken Shuttleworth
Derweil steht schon die nächste Reihe von Hochhausprojekten an, allesamt vor der Krise von Star-Architekten entwor-fen und auch schon mit Spitznamen versehen, so unter anderen das „Cheesegrater“ von Richard Rogers, das „Walkie-Talkie“ von Rafael Viñoly und das „Helter-Skelter“ von KPF. Nur einer wollte jüngst nicht mehr zu den Taten seiner Vergangenheit stehen: Ken Shuttleworth, maßgeblich am Entwurf von Fosters Gherkin beteiligt, distanzierte sich öffentlich von seinem Werk. Was hinter diesem spektakulären Frontwechsel steckt? Die Rhetorik mag gezielte Vorarbeit sein für „5 Broadgate“, das erste City-Hochhaus aus Shuttleworths eigenem Büro, Make, mit dessen Bau noch in diesem Jahr begonnen werden soll.
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