Indische Forschungsstation in der Antarktis
Interview mit Andreas Nischke und Bert Bücking
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Indische Forschungsstation in der Antarktis
Interview mit Andreas Nischke und Bert Bücking
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Architektur in der Antarktis? Früher gab man sich bei Forschungsstationen mit einfachen Containergebäuden zufrieden. Heute möchte man sich als Staat auch in der Einsamkeit darstellen. Indien beauftragte für seine neue Station zwei Deutsche, einen Ingenieur und einen Architekten.
Herr Nitschke, wie kamen Sie zu diesem Auftrag?
Andreas Nitschke | Wir hatten als Ingenieurbüro die Planung der deutschen Antarktisstation Neumayer III gerade abgeschlossen. Die indische Regierung wollte auch eine neue Station bauen und hat auf einer internationalen Tagung herum gefragt, wer so etwas planen könnte. Sie wollten einen internationalen Ingenieur- und Architekturwettbewerb ausloben (Bauwelt 14.2007). Wir fanden das interessant und haben uns die Unterlagen besorgt. Als Büro für Ingenieurbau, Offshore-Bau und dergleichen brauchten wir für ein solch spezielles Projekt die Unterstützung durch Haustechniker. Das Gebäude ist ein selbstversorgendes. Für die Architektur haben wir das Hamburger Büro bof mit ins Boot geholt.
Sieht man es, dass bei der indischen Station im Gegensatz zur deutschen ein Architekt dabei war?
AN | Vergleichen Sie beide Gebäude (Bauwelt 35.2007).
Warum wird eine solche Station aufgestelzt?
AN | Wenn sie ein Gebäude auf den Boden stellen, dann lagert sich schnell Schnee ab, und es bilden sich gewaltige Schneeberge. Hinter dem Gebäude haben sie zudem Turbulenzen. Das führt zu Verwehungen und dazu, dass die Eingänge blockiert werden. Wir haben die Station deshalb hoch gestellt und mit der breiten Seite quer zum Wind, so wirkt das Gebäude wie die Tragfläche eines Flugzeugs. Der Wind pfeift drüber weg und drunter durch, wird sogar noch beschleu-nigt und bläst den Schnee vom Gebäude fort.
Mit welcher Windgeschwindigkeit haben Sie rechnen müssen?
AN | So um die 270 Kilometer pro Stunde maximal, also eine Riesenwindgeschwindigkeit. Gemessen haben wir dort aber nur 150 Kilometer pro Stunde. Das Problem war, dass es keine Messreihen gibt. Wir mussten für den Ort unsere Bemessungsparameter selbst entwickeln.
Wie ist die Station innen organisiert?
Bert Bücking | Es gibt drei Geschosse. Im mittleren Hauptgeschoss sind die Wohn- und Arbeitsräume mit dem gesamten Service sowie die Lounge untergebracht, im unteren die dienenden Funktionen, jede Menge Haustechnik, u.a. die Salzwasseraufbereitung und die drei Generatoren, außerdem, hinter einer Fensterreihe, die Labore. In der dritten Ebene, auf dem Dach, befinden sich die Klimaanlage und der Austritt auf die Terrasse.
Für wie viele Personen ist das Gebäude ausgelegt?
AN | Für 50 Personen im Sommer und für 15 im Winter. Wir haben das so gelöst, dass wir die Wohncontainer mit einem zusätzlichen Bett ausgestattet haben. Im Sommer wird das Bett herunter geklappt. Dann ist der Raum ein Doppelzimmer. Im Winter, der hier neun Monate dauert, hat jeder Forscher einen Raum für sich.
Welche Art von Containern haben Sie für die Station genutzt?
BB | Es sind eigentlich Stahlbaukästen mit den Abmessungen von Containern. Sie wurden speziell dafür hergestellt und bestehen wie diese aus einem Stahlrahmen und Trapezblechflächen. In den unteren Containern wirken höhere Lasten, dort stehen die Generatoren oder die Tanks für die Wasseraufbereitung. Dafür waren normale Container nicht stabil genug, deshalb wurden Module mit stärkeren Rahmen gebaut.
War die Verwendung von Containern eine Vorgabe derindischen Bauherrn?
AN | Nein. Aber das Gebäude sollte bei uns vorgefertigt und in der Antarktis schnell aufgebaut werden können. Dafür bieten sich Container an. Sie wurden in Duisburg zusammengefügt, dann wieder auseinander gebaut, nach Antwerpen transportiert und per Schiff über Südafrika in die Antarktis gebracht. Das ist ein Grund für unsere Wahl. Ein andere ist, dass man die Container fertig ausgestalten kann und nur noch nebeneinander stellen muss. Das spart Montagezeit.
BB | Es handelt sich also um eine modulare Bauweise mit Containern. Was uns sehr gefällt ist, dass die expressive Form der Fassadenhülle der Station funktional begründet werden kann. Es hat alles seinen Sinn, auch innen, z.B. dieser Zwischenraum zwischen den Containern und der Hülle, das ist ja kein leerer Raum, sondern ein Raum, den wir für die Installation und die Wartung nutzen. Bei der Verkleidung handelt es sich um standardisierte Stahlpaneele, da wir natürlich auch auf die Kosten achten mussten.
AN | Die Station ist groß. Das Hauptgeschoss zum Beispiel misst 50 x 30 Meter.
BB | Und ein einzelner Raum misst 2,50x6 Meter. Das ist der klassische 20-Feet-Standard-Container. Dessen Höhe beträgt 2,59 Meter. Da wir aber nicht wollten, dass den Forschern die Decke auf den Kopf fällt, haben wir höhere Container genommen.
Das war bei der Containerproduktion kein Problem?
AN | Nein. 2,89 Meter ist ein Standard für einen anderen Transportcontainer.
Mit den Containern ließen sich auch die größeren Räume zusammenfügen?
BB | Ja, wir haben Räume, die aus bis zu acht Containern bestehen.
AN | Von den mittleren Containern sind dann aber nur noch Rückwand und Decke übrig. Für den Transport wurden Holzwände und Hilfsstützen installiert.
BB | Wegen der hohen Windbelastungen kragt das Gebäude im vorderen Bereich ziemlich weit aus. Um dort trotz der Schwingungen eine großzügige Verglasung hinzubekommen, mussten wir für die Statik in die Container zusätzlich diagonale Ausstrebungen einbauen.
Der Abstand zwischen den Containern und der Gebäudehülle ist relativ groß. Wie kann man sich da die Ausblicke vorstellen?
AN | Der Zwischenbereich ist 50 bis 60 Zentimeter breit und stört nicht. Die Fenster in den Containern sind kleiner, in der Außenhülle ist das breite Fensterband. Man kann gut hinaus sehen.
BB | Die Frage zu den Fenstern ist vollkommen berechtigt. Was passiert, wenn ich zweimal durch ein Fenster sehe? Und erschwerend kommt hinzu, dass es sich in der Schale um eine Sonnenschutzverglasung handelt. Wir haben es aber beim Mock-up in Duisburg geprüft. Und wir haben das Sichtfeld oben und unten durch Gitterroste gefasst. Das Fensterband hat natürlich auch gestalterische Gründe.
An einer der Stirnseiten gibt es eine große Fensterfront. Warum gerade hier?
BB | Dort ist die Lounge mit Blick auf die Bucht, die Berge und das Meer. Dieser, trotz der begrenzten Lichtverhältnisse in der Antarktis großartige Ausblick hat alle Erwartungen übertroffen. Das einzige Problem ist zurzeit, dass die Lounge noch immer nicht fertig ausgebaut wurde.
Wer hat über den genauen Bauplatz entschieden?
BB | Der Ort war beim Wettbewerb in etwa vorgegeben.
Handelt es sich um indisches Territorium?
AN | Nein, die Antarktis ist internationales Terrain. Sie ist sozusagen ein Weltkontinent und es gibt eine Antarktisgemeinschaft, die durch den Antarktisvertrag geregelt ist, dem man als Staat beitreten kann. Dann ist es möglich, wenn es von den anderen Mitgliedern genehmigt wird, dort Forschungsstationen zu errichten. Indien ist Mitglied des Antarktisvertrags und hatte beantragt, auf den Larsemann Hills eine Station zu bauen.
Wie viele Staaten sind dort mit einer Station vertreten?
AN | Mehr oder weniger alle großen europäischen und nord- und südamerikanischen Staaten sowie Südafrika, Japan, China, Südkorea, Russland und eben auch Indien.
Führen Wege von einer Station zur anderen?
AN | Das ist unterschiedlich. Die nächsten Stationen in der Nachbarschaft der indischen sind eine russische und eine chinesische. Sie liegen etwa zehn Kilometern entfernt direkt nebeneinander. Im Winter erreicht man sie per Schneeraupe. Dort befindet sich auch das Flugfeld der russischen Station, der einzige Ort, den man im Sommer anfliegen kann.
Gibt es bei der Anordnung der Räume oder Ausstattung etwas, von dem man sagen kann, es sei typisch für die indische Station?
BB | Während des Wettbewerbs haben wir über das umfangreiche Raumprogramm gestaunt. Das ist aber nicht typisch indisch. Entertainment/Kinoraum ist wichtig. Man kann sich aber darüber streiten, ob man eine Lounge und einen extra Speiseraum braucht. Es gibt auch einen Gymnastikraum mit Sportgeräten. Außerdem wurde in zwei Räumen eine Medizinstation für die Grundversorgung eingerichtet. Die Forscher leben im Winter von der Außenwelt abgeschnitten.
AN | Zu jedem Team gehört ein Arzt, der hier auch operieren kann. Über dem OP-Tisch ist eine Kamera installiert, damit kann online aus Indien assistiert werden.
Gibt es hinsichtlich der Forschung Unterschiede?
AN | Die Themen sind bei allen Ländern sehr ähnlich. Es wird Forschung zum Klima und zur Geologie betrieben; außerdem zum Leben der Menschen und Tiere und zur Pflanzenwelt unter diesen extremen Bedingungen.
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