Gottes Crowd
Bauwelt-Redakteurin Doris Kleilein macht sich Sorgen um das "Haus of One" am Berliner Petriplatz
Text: Kleilein, Doris, Berlin
Gottes Crowd
Bauwelt-Redakteurin Doris Kleilein macht sich Sorgen um das "Haus of One" am Berliner Petriplatz
Text: Kleilein, Doris, Berlin
Bauaufgaben verändern sich. Bei Bahnhöfen kennt man das, auch bei Bankfilialen und Bibliotheken. Auf Gotteshäuser hingegen war Verlass: Funktion und Raumprogramm stehen seit vielen Jahrhunderten. Vor kurzem ist allerdings Schwung in die Sache gekommen: Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hatte einen Bauplatz übrig, nur wenige Schritte von der Berliner Schlossbaustelle entfernt, und da sie selbst ihre Kirchen nur mit Mühe füllt, hat sie sich Verstärkung von der jüdischen und muslimischen Community geholt. Die Architektur liefern Kühn Malvezzi: Ein „fertiger Rohbau“ aus Ziegelmauerwerk, die Beteiligten verzichten auf religiöse Symbole und Dominanz im Stadtraum, kein Muezzin wird rufen und keine Glocke läuten. Das mit dem Raumprogramm wurde pragmatisch gelöst: Jeder Bauherr bekommt einen Kubus, in dem er machen kann, was er will, und für alle zusammen gibt es eine Halle – eine Bauaufgabe, die als kleinster gemeinsamer gebauter Nenner in die Architekturgeschichte eingehen wird, ein wunderbarer Grundriss voller Optimismus und Glauben an die Menschheit! Seit dem Wettbewerb 2012 ist das Projekt als „Bet- und Lehrhaus am Petriplatz“ bekannt, doch das war irgendwie sperrig, und jetzt heißt es „The House of One“. Klingt gut, und das muss es auch, denn von den veranschlagten 43,5 Millionen Euro Baukosten fehlten bei Redaktionsschluss noch 43.349.680 Euro. Es werden also gut vier Millionen Follower gesucht, die jeder für 10 Euro einen Ziegelstein kaufen. Sollte an sich kein Problem sein: Das Schloss nervt, Olympia wird sowieso wieder nichts – warum nicht Crowd-Funding für das erste basisdemokratische Gotteshaus? Wenn ich jetzt allerdings auf der Webseite das Foto von dem Pfarrer, dem Rabbi und dem Imam sehe, die jeder strahlend einen Ziegelstein in der Hand halten, muss ich gestehen, dass die religionspolitische Weltlage Schmauchspuren in meiner Wahrnehmung hinterlassen hat: Was, wenn sie damit nicht ein Haus bauen, sondern sich die Köpfe einschlagen? Wenn Terroristen das Projekt nicht als abrahamitische Ökumene, sondern als Gotteslästerung einstufen? Oder wenn der Neubau wie eine der vielen französischen Bibliotheken endet, die der Brandstiftung zum Opfer fallen? Fehlt auf dem Rendering nicht die bewaffnete Spezialeinheit? Aber jetzt male ich natürlich den Teufel an eine Wand, die noch gar nicht steht.
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