Bauwelt

Schutzlos

Kirsten Klingbeil ... bleibt dann lieber beim Alten.

Text: Klingbeil, Kirsten, Berlin

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Schutzlos

Kirsten Klingbeil ... bleibt dann lieber beim Alten.

Text: Klingbeil, Kirsten, Berlin

Ich mag das Neue. Ich mag neue Architektur, auch wenn ich in einem Altbau wohne, mag neue Autos, fahre aber selbst ein altes, und ich schätze mein 16 Jahre altes Hollandfahrrad, um mit ihm Neues in der Stadt zu entdecken. Als ich aber von einem Angestellten meines Stamm­lokals neulich erfuhr, dass der Pachtvertrag ausläuft, war ich geschockt. Über die Veränderungen im eigenen Kiez kann man sich abendfüllend austauschen: Der Friseur weicht einem Café, den Gemüseladen, der auch sonntags geöffnet hatte, ersetzt ein Spätkauf, das Bankgebäude wird von einer Supermarktkette umgenutzt. All das sind Prozesse einer wachsenden, sich wandelnden Stadt. Schwindender Gastronomie hinterher zu trauern, erscheint übertrieben, eröffnet gefühlt doch täglich ein neues Café. Aber was man in Berlin-Kreuzberg vorfinden kann, kommt eben dem, was als Ideal der europäischen Stadt gepriesen wird, sehr nah: die kleinteilige, gewachsene und lebendige Stadt. Für ihren Erhalt fehlen jedoch die richtigen Instrumente. Denn ähnlich dem Wohnungsmarkt, steigen etwa durch Besitzerwechsel auch die Mieten für Gewerbe­räume in den beliebten Vierteln. Anders als beim Wohnraum gibt es für Gewerberäume keinen Bestandsschutz. Für das kleine Gewerbe wie Schreibwarenladen, Kurzwarengeschäft, Rahmenbauer, Buchladen, Schuster bedeutet das meist, dass es internationalen Flagshipstores und einer ungebremst wachsenden Zahl von Bars und Cafés weichen muss. In der Oranienstraße haben die Gewerbetreibenden unlängst mit einer Protestaktion, bei der sie ihre Schaufenster verdunkelten, auf diesen Missstand aufmerksam gemacht. Was aus Straßen wird, in denen die Gewinnsteigerung der Hausbesitzer treibende Kraft ist, kann man schon lange etwa in der Simon-Dach-Straße in Friedrichshain oder der Falkensteinstraße in Kreuzberg beobachten: Jedes Wochenende ziehen Pulks von Partytouristen durch die monofunktionalen Straßen und sichern den Gastronomen ihre Mieten. Anders als die Bewohner brauchen sie das kleine Gewerbe nicht. Und Souvenirs können sie ab nächstem Jahr in einer neuen Shoppingmall – der 68. in Berlin – auf halber Strecke zwischen diesen beiden Fressgassen erstehen. Aber wenn das das Neue ist...

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