Bauwelt

L’hôtel particulier

Pariser Adelssitze im Museum für Architekturzeichnung in Berlin

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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Pierre-Charles Prévotel, Hôtel de Belle-Isle, 1721, Ansicht der Hoffassade, Schnitt durch den Haupttrakt und Ansicht des Seitenflügels, 202 x 623 mm
© bpk – Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte

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Pierre-Charles Prévotel, Hôtel de Belle-Isle, 1721, Ansicht der Hoffassade, Schnitt durch den Haupttrakt und Ansicht des Seitenflügels, 202 x 623 mm

© bpk – Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte


L’hôtel particulier

Pariser Adelssitze im Museum für Architekturzeichnung in Berlin

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Der Elysée-Palast ist das bekannteste Gebäude jenes eigentümlichen Bautyps, der sich im Paris des 17. Jahrhundert zu voller Blüte erhob: das „Hôtel particulier“, eigentlich das Privathaus, aber am besten zu übersetzen mit „Adelssitz“. Denn die Adligen aus allen Teilen des immer stärker zentralisierten Frankreich waren es, die sich in Paris ansiedelten, sich dort ansiedeln mussten, wollten sie der Gunst des Königs nahe sein.
Dieser Bautyp in der Mitte zwischen einfachem Wohnhaus und aufwendigem Palast zeichnet sich durch eine entsprechende Mittelstellung im Stadtbild aus. Seine Schaufassade, das eigentlich wichtigste Element der Repräsentation, ist von der Straße aus nicht zu sehen, sondern schaut auf einen Hof, der zur Straße hin von Mauer und Tor abgeteilt und in der Regel von Seitenflügeln flankiert wird. Hinter dem Gebäude erstreckt sich idealiter ein privater Garten, dem das Gebäude eine anfangs unscheinbare und erst im Laufe der Zeit dekorierte Rückfront zuwendet.
Stilbildend in ganz Europa
Diesem besonderen, pariserischen Bautyp widmet die Berliner Tchoban Foundation, das Museum für Architekturzeichnung, ihre neue Ausstellung. Sie umfasst 64 zart aquarellierte Zeichnungen aus dem reichen Bestand der Pariser École des Beaux-Arts, die ebensolche Hôtels particuliers abbilden. „Abbilden“ ist hier das richtige Wort, denn es handelt sich nicht um Entwürfe, sondern um präzise Wiedergaben bestehender Gebäude. Der wohlhabende Verleger Jean Mariette hatte damit zwei junge Architekturzeichner beauftragt, Jean Michel Chevotet und Pierre-Charles Prévotel, um nach Vorlage ihrer Zeichnungen die Platten für seine Veröffentlichung der „Architecture françoise“ – ursprünglich tatsächlich mit „o“ – anfertigen zu lassen. Das dreibändige Werk erschien zwischen 1727 und 1732 und spiegelt die Hochblüte der französischen Architektur unter dem Sonnenkönig Louis XIV., die in ganz Europa stilbildend wirkte und sich im heimatlichen Frankreich bis zum Aufkommen der so genannten Revolutionsarchitektur gegen Ende des 18. Jahrhunderts hielt.
Spekulation des 18. Jahrhunderts
Es waren die Baumeister des Königs, die an der Spitze der mit dieser Aufgabe betrauten Architekten standen, der mit einer Ämterfülle ohnegleichen ausgestattete Jules Hardouin-Mansart (1646–1708) und sein durch Einheirat in die Familie auch privat verbundener Mitarbeiter und Nachfolger Robert de Cotte (1656–1735). Dazu kommen Architekten wie Jean-François Blondel (1705–1774), der hauptsächlich für eine bürgerliche Klientel und ihre Immobilienspekulationen arbeitete. Denn längst nicht alle Stadthäuser wurden auf Bestellung errichtet, sondern häufig auch ohne Auftrag – mit der Aussicht, sie nach Fertigstellung verkaufen oder zumindest vermieten zu können.
Alle Bauten, die der Verleger zeichnen und stechen ließ, gehören dem klassizistischen Barock an, zeigen darin aber eine enorme Variationsbreite, ob in Dachform oder Dekor, Zahl der Fensterachsen oder Gestaltung des Mittelrisalits. Sogar auf das piano nobile konnte verzichtet werden, nachdem mit dem 1687 von Hardouin-Mansart errichteten Trianon in Versailles ein reiner Erdgeschossbau stilprägend geworden war. Ihm tat es Anfang des 18. Jahrhunderts Pierre Cailleteau beim Hôtel de Béthune gleich, das 1877 für den Bau des Boulevard Saint-Germain abgerissen wurde. Vieles fiel der Verdichtung von Paris zum Opfer, befanden sich doch die meisten Adelssitze entweder in Saint-Germain oder Saint-Honoré, zwei Vorstädte vor den Mauern des alten Paris. Immerhin: Rund 500 Hôtels aus allen Entstehungszeiten sind erhalten.
Hinreißende Schnittzeichnungen
Der Adel wollte „entre soi“, unter sich, bleiben und baute seine Hôtels am liebsten Grundstück an Grundstück, und wenn es ging, wie auf dem linken Seine-Ufer, mit Blick auf den Fluss und darüber hinweg. So kam es auch zur Erfindung des „jardin suspendu“, des auf Obergeschossebene angelegten rückwärtigen Gartens mit entsprechend besserer Aussicht, wie beim Hôtel de Belle-Isle von François Burand, das, 1721 fertiggestellt, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Mariettes Sammelband die neueste Entwicklung verkörperte. Prévotel hat das unter der Pariser Commune im Mai 1871 abgebrannte Bauwerk in einer hinreißenden Schnittzeichnung dargestellt, wie überhaupt alle Zeichnungen durch ihre Perfektion und zugleich Eleganz begeistern. Einen Höhepunkt bildet auch die Darstellung der weit älteren Place des Victoires, 1671 von Mansart entworfen – kein Privathaus, sondern die Umbauung eines der königlichen Plätze und in der zeichnerischen Wiedergabe besonders delikat, weil Chevotet die runden Gebäude maßstabsgetreu auf die Fläche abbilden musste.
Nachzuschauen und -zulesen ist das im Katalog, der so großartig ist wie die Ausstellung selbst und ein wahres Kompendium der französischen Adelsarchitektur im Zenit ihrer Bedeutung. Der Verleger Mariette hat ihr einst ein Denkmal gesetzt. 160 Jahre später gelangten die Zeichnungen durch Schenkung in die École des Beaux-Arts – und nun auf Zeit nach Berlin.

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