Bauwelt

Maki kritisiert Hadid

In der japanischen Architekturszene rumort es. Fünf Jahre vor den Olympischen Spielen in Tokio geht es um die Frage, wie sich das Land in Bezug auf Großprojekte künftig positioniert – Fukushima hat auch in der Architektur Spuren hinterlassen. Auslöser der Debatte ist Zaha Hadids riesiges Stadion, das auch drei Jahre nach der Präsentation des Entwurfs nicht aus der Schusslinie kommt. Inzwischen ist klar, wie sehr der Bau, der einem brütenden Vogel Strauß gleicht, das städtische Umfeld sprengen wird. Initiator der Kritik ist Fumihiko Maki, neben Arato Isozaki unbestrittene Autorität und Doyen der japanischen Architektur. Zaha Hadid hat sich gegen Makis Kritik vor einigen Monaten bereits zur Wehr gesetzt. Bei einem Besuch in Europa hat Maki die Kritik an der Maßstabslosigkeit des Stadions jetzt noch einmal präzisiert. Wir können an dieser Stelle neugierig sein, was sich – mit Blick auf die Olympia-Planungen in Hamburg – aus Makis Kritik am Hadid-Bau lernen lässt. Kaye Geipel

Text: Krause, Ellen, Hamburg

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    Anlass für Fumihiko Makis Deutschland-Besuch war ein Werkvortrag am Frankfurter DAM zum 50-jährigen Bestehens seines Büros. Das Interview fand Ende Mai im Büro der „Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung“ statt, die sich in Japan mit einem sozialen Projekt engagiert hat.
    Foto: Kirsten Bucher

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    Anlass für Fumihiko Makis Deutschland-Besuch war ein Werkvortrag am Frankfurter DAM zum 50-jährigen Bestehens seines Büros. Das Interview fand Ende Mai im Büro der „Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung“ statt, die sich in Japan mit einem sozialen Projekt engagiert hat.

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    Skizzen von Fumihiko Maki zur Illustration seiner Kritik. Der Bau überträfe eine in der Stadt gestrandete „Queen Elisabeth“ mit ihren hohen Aufbauten.
    Abbildung: Fumihiko Maki

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    Skizzen von Fumihiko Maki zur Illustration seiner Kritik. Der Bau überträfe eine in der Stadt gestrandete „Queen Elisabeth“ mit ihren hohen Aufbauten.

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    Sportstätten in Tokio: Yoyogi Schwimmhalle von 1964, neugebaute Ringerhalle von 1991 und Hadids Stadion
    Abbildung: Fumihiko Maki

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    Sportstätten in Tokio: Yoyogi Schwimmhalle von 1964, neugebaute Ringerhalle von 1991 und Hadids Stadion

    Abbildung: Fumihiko Maki

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    Künftiges Olympia-Stadion von Zaha Hadid in Shinjuku, Tokio. An derselben Stelle stand das Leichtathletik-Stadion der Spiele 1964. Für den Neubau wurde das alte Stadion mit einer Kapazität von 57.000 Plätzen im Mai abgerissen.
    Simulation: Zaha Hadid Architects

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    Künftiges Olympia-Stadion von Zaha Hadid in Shinjuku, Tokio. An derselben Stelle stand das Leichtathletik-Stadion der Spiele 1964. Für den Neubau wurde das alte Stadion mit einer Kapazität von 57.000 Plätzen im Mai abgerissen.

    Simulation: Zaha Hadid Architects

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    Gemeinschaftszentrum „Haus der Hoffnung“ in der vom Tsunami im März 2011 stark zerstörten Stadt Natori
    Foto: Maki & Associates

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    Gemeinschaftszentrum „Haus der Hoffnung“ in der vom Tsunami im März 2011 stark zerstörten Stadt Natori

    Foto: Maki & Associates

Maki kritisiert Hadid

In der japanischen Architekturszene rumort es. Fünf Jahre vor den Olympischen Spielen in Tokio geht es um die Frage, wie sich das Land in Bezug auf Großprojekte künftig positioniert – Fukushima hat auch in der Architektur Spuren hinterlassen. Auslöser der Debatte ist Zaha Hadids riesiges Stadion, das auch drei Jahre nach der Präsentation des Entwurfs nicht aus der Schusslinie kommt. Inzwischen ist klar, wie sehr der Bau, der einem brütenden Vogel Strauß gleicht, das städtische Umfeld sprengen wird. Initiator der Kritik ist Fumihiko Maki, neben Arato Isozaki unbestrittene Autorität und Doyen der japanischen Architektur. Zaha Hadid hat sich gegen Makis Kritik vor einigen Monaten bereits zur Wehr gesetzt. Bei einem Besuch in Europa hat Maki die Kritik an der Maßstabslosigkeit des Stadions jetzt noch einmal präzisiert. Wir können an dieser Stelle neugierig sein, was sich – mit Blick auf die Olympia-Planungen in Hamburg – aus Makis Kritik am Hadid-Bau lernen lässt. Kaye Geipel

Text: Krause, Ellen, Hamburg

Beginnen wir mit einem deutsch-japanischen Gemeinschaftsprojekt. Sie haben für die 2011 vom Tsunami weitgehend zerstörte Kleinstadt Natori ein „Haus der Hoffnung“ entworfen. Wie kam es zu diesem Projekt?
Schon vor einigen Jahren hatte ich für das Unternehmen Harmonic Drive, einer Holding, die in mehreren Firmen vor allem Antriebstechnik für die Automobilindustrie entwickelt, in den Japanischen Alpen bei Nagano gebaut hatte, ein gemischtes Ensemble, das Entwicklungslabore und eine Galerie beinhaltet. Mit Herrn Ernst, dem Aufsichtsratsvorsitzenden dieser Firma, entwickelte sich im Lauf der Zeit eine Freundschaft. Als es am 11. März 2011 zum Tsunami kam, rief er mich sofort an, er wolle mit seiner Stiftung den besonders betroffenen Kindern helfen. Ich hatte 1997 in einem Park der Stadt das Natori Performing Arts Center gebaut. Dieser Park war glücklicherweise vom Tsunami verschont geblieben, viele Menschen konnten hier eine Notunterkunft finden. Der Gedanke lag nahe, das „Haus der Hoffnung“ in diesem Park zu bauen.
Im Gegensatz zu Ihren sonstigen Bauvorhaben ist dieses Gemeinschaftszentrum für Kinder und Jugendliche nicht besonders groß.
Es war eine seltene Gelegenheit für uns, ein derart überschaubares Haus zu bauen. Auch hatten wir bisher noch keine Holztragwerke realisiert. Wir sahen das als Herausforderung.
Warum haben Sie sich für eine Holzkonstruktion entschieden?
Unter anderem aus Kostengründen. Aber auch, weil durch das Material eine warme Atmosphäre vermittelt wird.
Was waren Ihre räumlichen Ziele bei diesem Projekt?
Kinder sollten sich in Architektur möglichst ungezwungen bewegen und auf diese reagieren können. In unserem Haus sollten sie wirklich das Gefühl haben, machen zu können, was sie möchten. Wenn man so will, ist dieses Haus auch ein Symbol der Freundschaft. Wir sind der Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung sehr dankbar für dieses Geschenk.
Auch Sie haben Ihre Arbeitszeit und die Ihrer Mitarbeiter zur Verfügung gestellt und kein Honorar verlangt. In Ihrem Vortrag sprachen Sie von einem „humanen Ansatz“ der Architektur: Die Verantwortung der Architekten gelte nicht nur dem Bauherrn, sondern auch der Gesellschaft.
Unbedingt, gerade in einer Zeit, in der viele Bauherren weder sozial noch gesellschaftsorientiert sind, sondern sich allein für ihr Investment interessieren.
Bewog Sie dieses Bewusstsein auch zur Kritik an Zaha Hadid’s Entwurf für das neue Olympia-Stadion in Tokio?
Meine Kritik bezieht sich nicht nur auf den Entwurf von Zaha Hadid. Sie gilt auch dem vorgegebenen Raumprogramm, das viel zu groß ist an diesem Ort. Die Forderung von 80.000 Plätzen und einem komplett zu öffnenden Dach sind überspannt, und – gerade was die Nachnutzung betrifft – viel zu teuer. All diese Sitzplätze werden nur für die Eröffnungs- und Abschlusszeremonie benötigt, wie inzwischen selbst das IOC zugegeben hat. In London hat man es anders gemacht, da wurde mit temporären Lösungen die geforderte Platzzahl erreicht, die danach wieder reduziert werden konnte.
Als 2012 die Ergebnisse des internationalen Wettbewerbs für dieses Stadion veröffentlicht wurden, stand Tokio als Austragungsort der Olympischen Spiele noch gar nicht fest. Waren Sie eigentlich der einzige, der damals öffentlich Kritik geübt hat?
Ich war nicht der einzige, aber der erste. Ich habe damals einen langen Artikel im Magazin der japanischen Architektenkammer veröffentlicht. Die meisten Menschen können sich die wirkliche Größe eines Architekturprojekts nicht vorstellen, bevor es realisiert ist. Fachleute sollten aber in der Lage sein, die Größenproblematik im jeweiligen städtischen Kontext zu erkennen. Auch das „Vogelnest“ für die Olympischen Spiele in Peking ist sehr groß, aber da gibt es immerhin ausreichend Platz um das Stadion. In Tokio muss das Grundstück bis an den Rand genutzt werden, um das riesige Stadion unterzubringen. Zur Straße hin bleiben nur schmale Fußwege. Damit sind massive Sicherheitsprobleme verbunden, zum Beispiel im Falle eines Erdbebens. Ferner ist mit gewaltigen Problemen bei dem riesigen schließbaren Dach zu rechnen. In Japan gibt es zahlreiche Beispiele von solchen mechanischen Dachkonstruktionen, die viel kleiner sind und eine Warnung sein könnten – die meisten versagten nach rund zehn Jahren.
Als dann feststand, dass die Olympischen Spiele 2020 in Tokio stattfinden werden ...
… wurden die tatsächlichen Baukosten des Entwurfs auf das 2,5-fache des vorhandenen Budgets geschätzt. Was wurde getan? Man hat ein Architektenteam vor Ort zusammengestellt, das gemeinsam mit dem Büro von Zaha Hadid die Größe reduzierte. Aber es blieb immer noch sehr teuer – und die Verantwortlichen waren sehr still.
Wie ist der aktuelle Stand?
Kurz bevor ich nach Deutschland abgereist bin, wurde beschlossen, das Dach erst nach den Spiele zu bauen und einen Teil der Sitzplätze doch temporär auszuführen.
Reicht das aus, um das Projekt zu verbessern?
Ich meine, das Stadion sollte komplett neu entworfen und nicht an Zaha Hadid’s Entwurf festgehalten werden. Die Probleme, die dieser Entwurf mit sich bringt, sind nur mit großem Kostenaufwand zu lösen. Allein die benötigte Tragstruktur ist enorm (siehe Diagramm oben). In den Querschnitt dieses riesigen Trägers passt ein ganzes Apartment. Japan ist kein reiches Land mehr. Die Summe, mit der hier kalkuliert wird, ist gewaltig. Und natürlich müssen auch die Instandhaltungskosten bedacht werden: Die Beträge hierfür steigen von Jahr zu Jahr und belasten die nächsten Generationen. Das neue Olympia-Stadion ist größer als das Kreuzfahrtschiff „Queen Elisabeth“. Allerdings verlässt die „Queen Elisabeth“ den Hafen auch wieder – aber dieses Schiff hier wird immer an Ort und Stelle bleiben. [lacht]
Sie kritisieren nicht nur die Größe und den Entwurf von Zaha Hadid, sondern auch den Prozess.
Im Vorfeld wurde nicht ausreichend geklärt, warum wir dieses riesige Stadion brauchen. Es ist auch ein generelles Problem japanischer Entscheidungsprozesse bei wichtigen Themen: Es fehlt an politischer Transparenz. Es wurde ein sogenanntes Expertenkomitee berufen. Aber in diesem Fall wurden die Entscheidungen nicht von Experten getroffen. Es gab keine ernsthaften Diskussionen darüber, was das Beste für das Grundstück sei, das Beste für Japan und so weiter.
Aber in der Wettbewerbs-Jury saßen doch Experten?
Den Vorsitz hatte Tadao Ando – er hat ja als Wohnhaus-Architekt angefangen. Vielleicht kennt er sich mit solch großen Strukturen nicht wirklich aus. [lacht]
Ando hatte zuvor selbst schon einen Olympia-Entwurf vorgelegt, als sich Tokio für die Spiele 2016 bewarb. Er entwarf damals ein Olympia-Stadion auf Odaiba, einer künstlichen Insel in der Bucht von Tokio. Das Stadion wäre über eine Kette aus Grünräumen mit den größeren Parkanlagen der Stadt verbunden gewesen.
Ja, das war damals eine sensible Lösung. Aber Tokio hat die Spiele 2016 nicht bekommen, und das IOC kritisierte damals, dass das Stadion für „kompakte Spiele“ zu weit außerhalb liege. Das ist in Erinnerung geblieben, und daher wurde für 2020 entschieden, zurück in die Stadt zu gehen.
Was hätte im aktuellen Wettbewerb anders gemacht werden sollen?
Es hätte von Anfang an auch über temporäre Lösungen wie das Pressezelt in London nachgedacht werden sollen. Aber die Verantwortlichen dachten, etwas Großes wäre beeindruckender und könne helfen, die Spiele nach Tokio zu bringen. Alles fand hinter verschlossenen Türen statt. Und plötzlich gab es diesen internationalen Wettbewerb mit vielen Problemen.
Was sagen Sie zu den Hamburger Olympia-Plänen? Hamburg hat die Möglichkeit, auf einem Areal, das derzeit noch vom Hafen genutzt wird, sehr zentral ein neues Gebiet zu bebauen. Temporäre Lösungen sind geplant, und nach den Spielen soll das Areal gemischt mit hohem Wohnanteil genutzt werden.
Das scheint mir eine exzellente Ausgangsbasis für die Planung.
Was können wir aus der Diskussion in Tokio mitnehmen?
In Tokio wurde nicht ausreichend versucht, aus Erfahrungen zu lernen. Und damit meine ich nicht nur die Bauten an den früheren Olympia-Standorten, sondern auch allgemeine technische Probleme. Der entscheidende Punkt ist die Nutzung nach den Olympischen Spielen. Architektur kann nicht einfach so, mir nichts, dir nichts, entfernt werden. Daher ist es wichtiger, gut für die nächsten 50 Jahre zu planen als nur für die 16 Tage der Spiele.

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