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Middle Ground

Text: Kleilein, Doris, Berlin

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    Die kleinste Arbeit der Biennale:
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    Auch Biennale-Kurator David Chipperfield hat sich Zeit genommen für einen Song mit der Akustik-Gitarre.
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    Das größte Projekt der Biennale: Im dänischen Pavillon geht es um die Zukunft Grönlands.
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    Das größte Projekt der Biennale: Im dänischen Pavillon geht es um die Zukunft Grönlands.
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    Die populärste Arbeit: Urban Think Tank ( Alfredo Brillembourg, Hubert Klumpner), Gewinner des "Goldenen Löwen", dokumentieren die Aneignung einer Hochhausruine in Caracas.
    Torre David
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    Über ähnliche Wohnbedingungen haben Brillembourg und Klumpner bereits 2003 in der Stadtbauwelt "Caracas" geschrieben.
    Stadtbauwelt-Artikel als pdf

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    Die am besten dokumentierte Arbeit: Die 124 "spontanen Interventionen" im US-Pavillon können ohne Kraftanstrengung von zuhause aus betrachtet werden.
    Spontaneous Interventions

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    Architekturgeschichte und Pop: FAT kopiert Palladio
    Villa Rotonda Redux

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    Die Newcomer: das Architekturmagazin
    San Rocco

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    Der verblüffenste Pavillon. Die Niederlande präsentieren: einen Vorhang. Gespräch mit
    Petra Blaisse

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    Von Belfast nach Berlin: Die Briten verzichten auf die Leistungsschau und schicken Architekten rund um den Globus
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    Von Berlin nach Venedig: Robert Burghardts
    Denkmal für die Moderne

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    Der leere Tisch: die Arbeit im serbischen Pavillon als Querformat
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    Doch lieber die Originale betrachten? Weitere Informationen auf der
    Webseite der 13. Architekturbiennale

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Jan Liebscher

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Jan Liebscher


Middle Ground

Text: Kleilein, Doris, Berlin

David Chipperfield , Kurator der 13. Architekturbiennale in Venedig, richtet mit dem Motto „Common Ground“ in aller Bescheidenheit den Blick auf „das Normale, das Soziale und das Gemeinsame“ – und geht damit den Weg weiter, den Kazujo Sejima 2010 eingeschlagen hat. Dabei hätte die saturierte Veranstaltung dringend eine Neuausrichtung nötig.
Die Ära der narzisstischen Nabelschau ist nun auch in Venedig endgültig vorüber – man kann das Arsenale wieder betreten, ohne sich über wabernde Hochhausprojekte und Kurvenmodelle zu ärgern. Die Metallblüten von Zaha Hadid finden sich erst an 23. Stelle und sind kaum mehr als ein Abgesang, und auch den Einzelkämpfer Peter Zumthor, der sich von Wim Wenders ein filmisches Denkmal setzen ließ, trifft man erst ganz am Ende des Ausstellungsmarathons. Statt dessen: Teamarbeit, Partizipation, Handwerk, Fotografien, Statements, viel Dokumentarisches. Das ist, bei aller Bereitschaft, dann doch schnell ermüdend, und man vermisst die Arbeiten, die sich der Kernkompetenz der Profession widmen: Räume schaffen und gestalten. Warum überlassen Architekten dies eigentlich weitgehend den Künstlern? Eine der wenigen raumgreifenden Installationen, Valerio Olgiatis weißer Riesentisch, wirkt zwischen den meist kleinteilig bespielten Räumen wie ein Befreiungsschlag, entpuppt sich aber leider als geschlossene Gesellschaft: „Die 25 besten Architekten der Welt“ zeigen die Bilder, die sie persönlich bei ihrer Arbeit inspirieren – eine Interpretation des Chipperfield-Mottos „Common Ground“, wie sie irrelevanter nicht sein könnte.

Common Ground – was ist das?

Damit ist man auch gleich bei einem Kernproblem dieser Biennale: Das Motto ist gut gemeint, aber sehr offen, die Auslegung reicht vom Organisatorischen („Arbeiten im Kollektiv“) über das Physische („der Boden, den wir betreten“) bis ins Politische. Hinzu kommt, dass die im Mai eingeladenen Teams nur wenige Monate Zeit hatten, um Gemeinschaftsprojekte zu entwickeln, sodass einige offensichtlich nur die Modelle des letzten Großauftrags ausstellen und dazu eine Begründung hinbiegen, wie etwa Vittorio Magnago Lampugnani, der den Basler Campus des Chemiekonzerns Novartis präsentiert – „Common Ground“, reduziert auf „Human Interaction“. Eine Biennale, die dem großen Publikum zeigen will, dass Architektur eine gesellschaftliche Bedeutung jenseits von Prestigeprojekten hat, kann sich solche Ausrutscher eigentlich nicht leisten. Dennoch – in einigen Räumen des Arsenale bekommt man dieses Jahr einen Vorgeschmack darauf, was eine Biennale jenseits von Glamour und Showbiz sein könnte: ein Ort des Diskurses; ein Ort der Prozesse, nicht der Ergebnisse.

Kollhoff und das Kopiergerät

Der erfolgreichste Raum des Arsenale ist die überraschende Gegenüberstellung vom „Museum of Copying“ (kuratiert vom Londoner Kollektiv FAT) mit den Modellen von Hans Kollhoff. Auf der einen Seite eine Hommage an die Kunst des Nachmachens mit einem 1:1-Teilmodell der Villa Rotonda und einem Kopiergerät mit der Aufforderung, sich sein eigenes Architekturmagazin zusammenzustellen – auf der anderen Seite die altbekannten „Morphologien städtischer Fassaden“ in spröden Gipsmodellen. Kollhoff und das Kopiergerät – kontroverser kann man den Umgang mit tradierten Architekturelementen- und typologien wohl kaum interpretieren, zumal zwischen diesen beiden Polen noch die Arbeit des Südafrikaners Jo Noero hängt, ein fast zehn Meter breiter, handgezeichneter Plan eines Township in Port Elizabeth, kombiniert mit einem ebenso großen Wandteppich – ein Remake auf Picassos Guernica, das nicht die Folgen eines Bombardements, sondern der Aids-Epidemie zum Thema hat. Das mag disparat klingen, doch der Besucher kann ein feines Geflecht von Beziehungen zwischen den Arbeiten aufbauen, kann Ähnlichkeiten und Strategien herauslesen. Was ist eine Straße – in Europa und in einem von der Apartheit gezeichneten Armenviertel in Südafrika, in dem es keine Plätze und Versammlungsräume gibt? Kann man Konzepte von Öffentlichkeit kopieren? Welches Formenrepertoire lässt sich heute überhaupt noch mit Inhalt füllen?
Produktive Gegenüberstellungen dieser Art hätte man sich mehr gewünscht. Robert Burghardts „Denkmal für die Moderne“, ein zwei Meter langes Modell mit modernistischen Formfragmenten für den Berliner Schlossplatz, hätte bestens zu dem ebenfalls herausragenden Modell der vom Tsunami zerstörten Insel Miyato-Jima von SANAA gepasst – nicht nur, weil beide aus Graupappe sind, sondern auch, weil sie auf völlig unterschiedliche Weise die Frage nach Zerstörung und Wiederaufbau, nach gesellschaftlichem Konsens und den probaten architektonischen Mitteln stellen.
Der „Goldene Löwe“ für das Arsenale ging jedoch nicht an eine Arbeit mit Zwischentönen, sondern an die knallbunte, laute Installation von Urban Think Tank, die Fotos und Filme der provisorisch bewohnten Hochhausruine des „Torre de David“ in Caracas in einem ebenso roh gemauerten Salsa-Café zeigt – eine bildstarke Arbeit (nicht zuletzt wegen der Fotos von Iwan Baan), allerdings mit einem Hang zum Sozialkitsch und leider wenig mehr als eine pure Dokumentation.

OMA mit eigener Mini-Biennale


In den Giardini ist der Bezug zum großen Thema deutlich weniger erkennbar, was zum Teil auch dem fragwürdigen Zeitmanagement der Biennale geschuldet ist: Einige Länder hatten die Kuratoren und die Arbeiten für die Pavillons schon längst ausgewählt, als Chipperfield das Motto ausgab. Andere haben ihre Hausaufgaben gemacht. Das stärkste politische Statement zum Thema liefert OMA im Zentralen Pavillon mit einer Verbeugung vor den Architekten, die sich in den sechziger und siebziger Jahren in den Dienst des Staates stellten: „Public Works“ zeigt als eine eigene Mini-Biennale vierzehn große öffentliche Gebäude in Europa – von Werner Düttmanns Berliner Akademie der Künste bis zu Henry Bernards brutalistische Präfektur in Val d’Oise –, die unter der Regie von Staatsbauämtern gebaut wurden, und legt damit den Finger in die Wunde: Der „Common Ground“ ist in den letzten 30 Jahren durch neoliberale Regierungen an vielen Stellen erodiert – wie kann es eine gemeinsame Basis geben angesichts einer immer geringeren Anzahl öffentlicher Aufträge und Wettbewerbe? Auch in Deutschland werden viele Stadtplanungsämter verkleinert und agieren zunehmend nur noch als Facility Manager. Aber gibt es ein Zurück?
Auf jeden Fall gibt es den Blick zurück. Die „Old Stars“ haben Konjunktur in Venedig. Um die Gegenwart besser zu verstehen, werden sie zum Teil auch direkt auf die Bühne geholt: Der dänische Architekt Jan Gehl stellt sein 1970 erschienenes Manifest für den öffentlichen Raum „Leben zwischen den Häusern“ vor, und bekennt sich leidenschaftlich zur fußläufigen, kleinteiligen Stadt: „Alles, was nach Venedig kam, waren Kompromisse!“ Im Schweizer Pavillon ruft Miroslav Šik, der eine ganze Generation von Architekten mit seinem Konzept der Analogen Architektur geprägt hat, dem Publikum zu: „Jedes Gebäude kann sich in seine Umgebung einpassen!“, und wettert wortgewaltig gegen die Stararchitekten, die den „Common Ground“ für ihre narzisstischen Zwecke benutzen. Von Starallüren frei ist er allerdings selbst nicht, und die Prozesse des Miteinander bleiben im Schweizer Pavillon auf der Symbolebene stecken: Der Hauptraum zeigt lediglich eine Collage von Wohnungsbauten dreier Schweizer Büros.

Der „Goldene Löwe für Harmlosigkeit“

In Ermangelung öffentlicher Aufträge versuchen sich viele Architekten als Sozialarbeiter, und die Biennale-Jury honoriert dies auch mit dem Preis für den besten Länderpavillon an Toyo Itos Initiative „Home for all“, den Entwurf eines Gemeinschaftshauses für die vom Erdbeben zerstörten Gebiete Japans. Die Kritik an der Regierung bleibt dabei, wie in Japan üblich, verhalten-höflich, die Rolle des Architekten beschränkt sich auf den Helfer in der Not. Der US-Pavillon versammelt mehr als hundert „spontane“ Interventionen im öffentlichen Raum („Guerilla Bike Lanes“, „Chair-Bombing“) und beschwört damit die Macht der Zivilgesellschaft. Nur wenige Länder gehen große Fragestellungen an, etwa Dänemark („Was passiert eigentlich mit Grönland, wenn die zwei Kilometer dicke Eisschicht weiter schmilzt?“) oder Belgien mit der Suche nach einer neuen Raumordnung für sein gedankenlos zersiedletes Territorium. Der „Goldene Löwen für Harmlosigkeit“ hätte dieses Jahr dem spanischen Pavillon verliehen werden müssen, der mitten in der Wirtschaftskrise in hängende Gärten und zum Trampolinspringen einlädt. Man möchte die Architekten am liebsten in einen Raum mit einem Polit-Künstler wie Santiago Serra sperren, der den Spanischen Pavillon 2003 verschloss, mit einer „Mauer, die einen Raum einkapselt“.  

Die Biennale gegen den Strich bürsten?


Die Biennale ist, wie jedes Jahr, das große Nebeneinander: fast 70 Architektengruppen im Arsenale, 41 Länderbeiträge, ein immer weiter wachsendes Begleitprogramm – und am Ende kocht doch jeder sein eigenes Süppchen. Chipperfields Appell an das Gemeinsame prallt an der Schnelllebigkeit ab, an den nationalen Interessen – und leider stehen auch auf seiner Gästeliste zum großen Teil Namen aus den westlichen Industriestaaten. Der Brite hat sich in aller Bescheidenheit auf die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner gemacht und damit die Herangehensweise von Kazujo Sejima von 2010 fortgeführt. Herausgekommen ist dabei ein „Middle Ground“, um Jo Noero, den einzigen Vertreter Afrikas, zu zitieren: eine Hinwendung zu alltäglichen Bauaufgaben und Bedürfnissen, ein sympathischer Ansatz. Aber David Chipperfield, der sich ja vor allem durch Museumsbauten und die kritische Auseinandersetzung mit der Baugeschichte einen Namen gemacht hat, passt einfach nicht als Gallionsfigur einer umfassenden Neuausrichtung, die die saturierte Biennale in Venedig dringend nötig hätte. Vielleicht schafft es ja Rem Kolhaas, der bereits als Kurator der Architekturbiennale 2014 gehandelt wird, und, wenn es nach ihm geht, auch für 2016. Seine Forderung nach einem Double Feature mag anmaßend erscheinen, aber ein langer Atem wird notwendig sein, um das Biennale-Geschehen gegen den Strich zu bürsten und der weltweit größten Architekturschau tatsächlich zu politischer Bedeutung zu verhelfen.

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