Neues Entree für den Reichstag
Der Wettbewerb für ein Besucher- und Informationszentrum suchte nach Alternativen zum provisorischen Sammelsurium aus Containern vor dem Reichstagsgebäude in Berlin.
Text: Kellermann, Sascha, Berlin
Neues Entree für den Reichstag
Der Wettbewerb für ein Besucher- und Informationszentrum suchte nach Alternativen zum provisorischen Sammelsurium aus Containern vor dem Reichstagsgebäude in Berlin.
Text: Kellermann, Sascha, Berlin
Update
Am 11.01.2017 fiel die abschließende Entscheidung zugunsten des überarbeiteten Entwurfes der Züricher Markus Schietsch Architekten mit Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur.
Am 11.01.2017 fiel die abschließende Entscheidung zugunsten des überarbeiteten Entwurfes der Züricher Markus Schietsch Architekten mit Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur.
Mit Norman Fosters Interventionen, nicht zuletzt mit der begehbaren gläsernen Kuppel, wandelte sich der Reichstag in den neunziger Jahren in ein Haus für die parlamentarische Demokratie. Es sollte ausdrücklich ein Haus für die Bürgerinnen und Bürger sein. Transparent, übersichtlich und offen wollte sich der Deutsche Bundestag geben. Dieser Anspruch geriet in eine Schräglage, als Ende 2010 auf Grund von Terrorwarnungen die Sicherheitsmaßnahmen verschärft wurden. Seither ist es nur mit Anmeldung und nach Personenkontrollen möglich, die Kuppel zu besichtigen und einen Blick in den Plenarsaal zu werfen. Die zur Abwicklung der Prozedur vor dem Reichstag aufgestellten Container sind ein Provisorium, das sich nun schon sechs Jahre hält.
Um die rund 2,4 Millionen Touristen pro Jahr angemessen zu empfangen, beschloss der Ältestenrat des Bundestags im November 2015 den Bau eines Besucher- und Informationszentrums südlich der Scheidemannstraße. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie hatte ein Fachkomitee das ca. 5800 m² große Grundstück am Rand des Großen Tiergartens als Standort für einen Neubau empfohlen; ein neu aufgestellter Bebauungsplan sichert das Grundstück als Sondergebiet. Der Souvenir- und Gastronomie-Pavillon, der sich heute an dieser Stelle befindet, wird weichen müssen.
Der Bundestag und das Bundesbauministerium lobten in Abstimmung mit dem Land Berlin einen offenen zweiphasigen Planungswettbewerb für Teams aus Architekten und Landschaftsarchitekten aus. Die Wettbewerbsaufgabe umfasste nicht nur ein Haus für die Sicherheitskontrollen, für Besucherinformation, Gastronomie und Seminare, sondern auch die Ausgestaltung eines Tunnels. Über diesen sollen künftig alle Besucher das Reichstagsgebäude erreichen. Lage und Verlauf des Tunnels sind im Entwurf des Bebauungsplans vorgegeben. Die Tiefbauarbei-ten werden einen Großteil der mit 150 Millionen Euro veranschlagten Baukosten in Anspruch nehmen. Der Neubau muss sich in das bestehende Gefüge aus Reichstag und Großem Tiergar-ten einordnen; er darf die Baumkronen der denk- malgeschützten Parkanlage nicht überragen. Insgesamt 187 Beiträge wurden eingereicht. Aus diesen wählte die Jury um den Vorsitzenden Arno Lederer 28 Beiträge für die zweite Phase aus. Anfang November letzten Jahres wurden zwei erste Preise und fünf Anerkennungen vergeben.
Die beiden Sieger sind zwei vergleichsweise junge Architektenteams. Markus Bonauer, Michael Bölling und rw+ Architekten mit capattistaubach Landschaftsarchitekten aus Berlin entwickeln auf einer polygonalen Grundfläche einen Baukörper, dessen Figur sich aus den Richtungen der angrenzenden Wege ableitet. Der überdachte Vorplatz bietet eine wettergeschützte Wartezone mit Blick auf den Reichstag. Die Jury lobte die Besucherführung im Innern des Gebäudes. Das Foyer, der Seminarbereich im Obergeschoss und der Zugang zum Tunnel stehen in direkter Blickbeziehung zu einander und bilden, so die Preisrichter, ein „geschossübergreifendes Raumkontinuum“.
Der Entwurf vom Markus Schietsch Architekten und Lorenz Engster Landschaftsarchitek-tur und Städtebau aus Zürich ist dem deutschen Beitrag in seiner äußeren Anmutung nicht unähnlich, unterscheidet sich aber im Grundriss. Die Architekten platzieren einen rechteckigen Baukörper parallel zu Scheidemannstraße. Indem sie das Gebäude von der Straße zurücksetzen, entsteht ein Vorplatz, der „eine selbstverständliche großzügige Eingangssituation für die Besucher“ verspreche, so die Preisrichter. In dem „umlaufenden, gebäudehohen Stützenkranz“ sah die Jury eine Analogie zum Portikus des Reichstags.
Beiden Siegerentwürfen gemein ist eine dezente gestalterische Sprache. Sie vermeiden jegliche städtebauliche Konkurrenz zum Reichstagsgebäude. Dem Urteil der Preisrichter nach versprechen sie auch, die ökonomischen Anforderungen am besten zu erfüllen. Beide Siegerteams waren aufgefordert, für die endgültige Entscheidung ihre Beiträge ein weiteres Mal zu überarbeiten und dabei auf Kritikpunkte der Jury zu reagieren. In Kürze soll bekanntgegeben werden, wer den Zuschlag erhält.
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