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Olympiapark München: abnutzen, ausbeuten, zerstören

Text: Krausen, Norbert, München

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Foto: Norbert Krausen

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Olympiapark München: abnutzen, ausbeuten, zerstören

Text: Krausen, Norbert, München

Die Stadt München hat den Olympiapark der Profitgier von Privatunternehmen ausgeliefert. Auf niedrigstem Niveau wird das bedeutendste Bauensemble der BRD geschändet. Wie lange wird die Öffentlichkeit das unwürdige Geschehen noch ertragen müssen?
Unlängst hat der BDA den Planern und Gestaltern des Münchner Olympiaparks die Klassik-Nike verliehen (Bauwelt 26). Die Ehrung lenkt einmal mehr Aufmerksamkeit auf dieses herausragende Ensemble – und darauf, wie wenig achtsam es gegenwärtig behandelt wird. Zuallererst sind da die Begehrlichkeiten an den Rändern des Olympiaparks zu nennen (Bauwelt 8.2008) – das Hotelprojekt der ECE am Parkeingang beim U-Bahnhof Olympiazentrum taucht gerade wieder einmal aus der Versenkung auf im Zusammenhang mit dem dort befindlichen Busbahnhof. Der ist, seit die U-Bahnstrecke nach Norden verlängert wurde, als Umsteigeknoten überflüssig geworden und gilt seitdem, quasi von einem Tag auf den anderen, als so baufällig, dass er vom Eigentümer, den Stadtwerken München, abgesperrt und mit einem Verhau von Abstützungen versehen werden musste – jedenfalls in den Bereichen, die nicht mehr benötigt werden. Sogar die dort installierte Normaluhr gab urplötzlich ihren Geist auf. Die Teile der Dachkonstruktion, die man für den U-Bahn-Betrieb noch braucht, sind hingegen (ein Wunder!) nicht baufällig und werden munter weiter genutzt. Otto Normalverbraucher findet wunschgemäß, dass das hier ein Saustall ist, der abgerissen gehört; da sei doch das Hotel wenigstens neu und mache was her.
Zubauten im Inneren
Über die „Landnahmen“ an den Rändern des Parks hinaus wird auch im Inneren des Geländes lustig gebaut und verändert: Das ging 2006 los mit dem Aquariumsbau Sea-Life, der eine bis dahin ruhige Ecke des Parks dem allgegenwärtigen Verwertungsrummel erschloss. Es folgte 2010 das „Restaurant Coubertin“, das man mit der Ausrede schmackhaft zu machen versuchte, es sei ein Ersatz für den Wildwuchs an Kiosken und Würstlbuden. Inzwischen ist es zu einer „exklusiven VIP-Location“ mit „hochwertigen Hospitality-Packages“ (O-Ton Olympiapark GmbH) geworden, geöffnet nur zu Veranstaltungen in der Olympiahalle und ansonsten verwaist (Kioske und Würstl­buden stehen selbstverständlich immer noch rum). Dann musste 2011 die „Kleine Olympiahalle“ unbedingt gebaut werden, obwohl man angeblich doch vorher schon so große Probleme hatte, die bestehende Olympiahalle auszulasten. Neuester Coup ist der (ziemlich einstimmige) Beschluss der Stadtverwaltung, das Gelände des ehemaligen Radstadions – zwischenzeitlich heruntergewirtschaftet durch Veranstaltungen des Leichenfledderers Gunther von Hagens und einige dilettantische, in der Pleite endende Versuche als „Olympia-Erlebnispark“ und „Event-Arena“ – nunmehr dem Brausehersteller Red Bull zu überlassen zwecks Errichtung einer Eishockey- und Basketballhalle. Noch eine weitere Halle hilft bestimmt dabei, die bestehenden Hallen jetzt aber wirklich auszulasten!
Gefährdete Substanz
Im Zuge der Errichtung des „Restaurants Coubertin“ wurde das dort störende Carillon abgebaut und eingelagert; auf Forderungen der Bürger, es wieder aufzustellen, antwortete die Lokalpolitik, dass man da erst mal einen Sponsor für die Kosten von 50.000 Euro finden müsse. Für den Abbau war kein Sponsor nötig gewesen. Die spektakuläre Wasserwolke von Heinz Mack, das Hauptkunstwerk der Olympischen Spiele 1972, wurde 2009 ganz beiläufig im Rahmen eines „großen Herbstputzes“ (Pressemeldung der OMG vom 7. Oktober 2009) demontiert und stört damit nicht mehr bei der kommerziellen Verwertung, die selbst vor dem Olympiasee nicht haltmacht. Im Olympiastadion wurde das Rasenspielfeld durch eine Betonplatte ersetzt für Autorennen der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft (die allerdings außerhalb der Wertung durchgeführt wurden, da wohl selbst den Veranstaltern der Parcours nicht geeignet schien). Weil der Profit ausblieb, wurde die Veranstaltung nach zwei Jahren aufgegeben, aber das betonierte Stadion ist jetzt halt da – und es ist ja auch viel praktischer für die Aufbauarbeiten von Großkonzerten, und wenn sich doch mal eine Sportveranstaltung ins Stadion verirrt, wird eben Kunstrasen ausgerollt (nein, keine Satire). So hat die für Erhalt und Bewirtschaftung des Parks vorgesehene Gesellschaft erfolgreich und unter Verwendung öffentlicher Mittel erreicht, dass im schönsten Leichtathletikstadion der Welt definitiv keine Leichtathletik mehr stattfindet.
Zerstörung des Erscheinungsbilds
Die bauzeitlichen Kioske im Stadion sind schon weg, ersetzt durch Allerweltskonfektion; die Einbauten von Günter Domenig in der Schwimmhalle desgleichen. Wen interessiert denn schon der Denkmalschutz in der „Kulturstadt München“? Stattdessen: Ballermann im Olympiapark. Haufenweise werden fahrbare Würstlstände irgendwelcher Catering-Anbieter aufgestellt, x-beliebige Container, Frittenbuden, Tropical-drink-Zelte, Pseudo-Jodlerhütten. Der ehemalige Biergarten ist mit Thuja-bepflanzten Kübeln umstellt. Attrappen von Bierfässern dienen als Tische, darüber 08/15-Reklame-Sonnenschirme mit egal welchem Werbeaufdruck. Das ist billig und sieht auch so aus. Über der filigranen Zeltdachkonstruktion wurden eigens Gitterroststege angebracht, und der schmale Rand des Stadiondachs wurde mit einer plumpen Aufkantung versehen, um das ganze Jahr über Klettertouren anbieten zu können. Zu der Forderung während einer Veranstaltung der Architektenkammer nach Rücksichtnahme auf das Gestaltungskonzept von 1972 fiel dem SPD-Fraktionsvorsitzenden des Stadtrats und Beinahe-OB-Kandidaten einzig ein: „Ja, wenn Sie dann für die Würstl das Doppelte bezahlen wollen.“ Kann einer der führenden Politiker der Landeshauptstadt München denn nicht in anderen Kategorien denken? Das Erscheinungsbild von Otl Aicher, das Farbkonzept – alles egal. Da werden braunlackierte Imbissbuden mit knallroter Schrift installiert, die originalen Olympiaplakate als Hintergrund für hilflos zusammenkopierte Anschlagzettel verwurstet, Fahnen in willkürlichen Farben und Mustern aufgehängt – Hauptsache, der Sponsor ist zufrieden. Und das, obwohl selbst nach Auskünften von Münchner Stadträten diese Sponsoren alle zusammen nur eine marginale Summe zahlen für das Recht, den Park bis in die letzte Ecke zu dominieren und zu einem x-beliebigen Rummelplatz zu degradieren.
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Scheinheilig wird jeder Missbrauch und jede Zerstörung der Grünflächen mit Günther Grzimeks Forderung nach „demokratischem Grün“ gerechtfertigt. Ist man wirklich nicht in der Lage, den Unterschied wahrzunehmen zwischen der Aufforderung an die Bürger, sich den Park anzueignen und ihn zu nutzen, und seiner Überlassung an ausschließlich kommerzielle Interessen, die ihn rücksichtslos abnutzen, ausbeuten, zerstören? Im Winter werden Hunderte Tonnen Schnee aus den Alpen herangekarrt und im abgelassenen Olympiasee zu Haufen zusammengeschoben, wo sie tagelang vor sich hinschmelzen. Die verbackenen und verdreckten Reste werden dann kurz vor dem „Event“ wieder auf Lastwagen geladen, auf die zermatschten Wiesen des Olympiabergs gekippt und mit Pistenraupen festgewalzt, ehe zum Schluss mit Schneekanonen ein wenig Illusion von Winter für die TV-Übertragung erzeugt wird. Was macht’s da schon, wenn außen rum alles grün ist? Umweltschutz? Klimaschutz? Landschaftsschutz? Energieeinsatz? Interessiert uns doch nicht! Die folgenden Monate kann die meterdicke Eisplatte auf dem Hang dann allmählich dahintauen, bevor das übriggebliebene Geröllfeld abschließend mit Rollrasen zugedeckt wird.
Im Sommer das gleiche Bild: Wochen vor dem „Event“ fahren Baumaschinen auf, zerwühlen den Olympiaberg, schütten bis zu 7 Meter hohe Rampen und Schanzen und Hügel auf, ruinieren en passant Wege und Pflanzungen. Der See ist wieder abgelassen, um aberwitzige Gerüstkonstruktionen aufbauen zu können, die, Originalton, dann für drei Tage „so aussehen, als schwebten diese Rampen schwerelos auf dem See“. Derweil stinkt der verbliebene brackige Tümpel gottserbärmlich, Besucher können sich über schlammverschmierte Wege und Platzflächen zwischen Baumaschinen, Absperrgittern und haufenweise Werbung hindurchschlängeln. Und wofür das alles? Der „Event“: ein Wanderzirkus von professionellen Skateboard-, BMX- und Motorradfahrern, ausgerichtet von einem US-Fernsehsender. Anschließend wieder wochenlang abgelassener, stinkender See, Baumaschinen, Autoverkehr, verdorrender Rollrasen auf kaputten Bergflanken (zur Erinnerung: Grzimek wollte da ausdrücklich magere Blumenwiesen, da diese besonders anspruchslos und billig im Unterhalt sind). Wenige Tage später ein 24-Stunden-Radrennen mit angeschlossenem, den gesamten Park überziehendem Campingbetrieb auf allen noch nicht ruinierten Grasflächen, wonach diese dann auch erledigt sind und zudem der gesamte Park stinkt wie ein gigantisches Pissoir; danach weiträumige Absperrung des Geländes für ein Feuerwerk mit Rummel und Heino als Gesangsstar, Titel „Münchner Sommernachtstraum“; anschließend Kirmes mit den schon vom Winter bekannten Jodlerhütten, Würstchenbuden und Verkaufsständen für jede Art von Ramsch.
Qualität?
Zu den Olympischen Spiele 1972 gab es ein umfangreiches Kunst- und Kulturprogramm; bewusst und mit großer Selbstverständlichkeit als integraler Teil eines Konzepts verstanden, mit dem sich die Stadt in ihrem Anspruch weltoffen und selbstbewusst präsentierte. Architektur, Landschaft, Erscheinungsbild ergänzten sich zu einem perfekt abgestimmten, unmittelbar einprägsamen Auftritt. Heute wird jede noch so lächerliche Veranstaltung damit gerechtfertigt, dass sie „dem Image des Parks nutzt“. Welches Image ist da gemeint? Das von 1972 kann es nicht sein. Die im Olympiapark gegenwärtig abgehaltenen „Events“ sind einfallslos, banal, beliebig; die Inhalte sind seicht, die Anmutung ist trashig. Krawall und Kommerz dominieren, alles ist optisch und akustisch aufdringlich grell, bunt und laut. Da wechseln Hundeschauen mit Katzenmessen ab, Schuhbörsen mit „Red Bull X-Fighters“, Hochzeits- mit Erotikmessen. Was andere Städte irgendwo im Gewerbegebiet verstecken, München präsentiert es mit großem Geschrei im Olympiapark. „Der Verzicht auf Monumentalität und das Spiel mit der Landschaft haben den Münchnern einen Sportpark von großer Anmut und liebenswerter Urbanität beschert. Wenn seine Attraktion jedoch nicht nachlassen soll, bedarf es einer phantasievollen Intendanz“, schrieb Peter M. Bode in der Süddeutschen Zeitung am 9. September 1972. Vierzig Jahre später gilt das mehr denn je – und wird weniger denn je beachtet.
„Der Park muss sich rechnen“
Das Argument für das Elend ist immer gleich: Der Park muss sich rechnen. Aber rechnet sich der Englische Garten? Rechnet sich Schloss Nymphenburg? Rechnet sich die Frauenkirche (Grundstück in bester Innenstadtlage)? Oder haben die nur das Glück, nicht in Besitz der Landeshauptstadt München zu sein? Davon abgesehen rechnet der Olympiapark sich trotz (oder vielleicht gerade wegen?) des Wirkens seiner Verwalter eben nicht. 2012 schaffte man laut Süddeutscher Zeitung vom 26. August 2013 ein Minus von fast 20 Millionen Euro – zusätzlich zu den Zuschüssen für die anfangs geschilderten und als „Sanierung“ getarnten Zerstörungen. Für den Stadtrat sind – abgesehen von allfälligen Lippenbekenntnissen – die Finanzen ausschlaggebend. Kultur? Geschichtsbewusstsein? Wenigstens Erhalt eines epochalen Erbes für die Nachwelt, die es vielleicht angemessen zu würdigen weiß? München leuchtet?
Bemühungen der Fachwelt um Erhalt
Im Jahr 2010 wurde von der Stadt München endlich eine Rahmenplanung verabschiedet mit dem Ziel, den Park im Sinn seiner Urheber zu pflegen und weiterzuentwickeln – von der Umsetzung aber fehlt jede Spur. Im Gegenteil: Eventisierung und Substanzverlust scheinen seitdem nur noch zugenommen zu haben. Die vor drei Jahren in Angriff genommenen „Leitlinien für ein visuelles Gesamterscheinungsbild“ sind im Entwurfsstadium stecken geblieben und vom Stadtrat bislang nicht behandelt worden. Die Planer des Parks veröffentlichten im Juli 2012 ein „Plädoyer für die Wiederherstellung des Gesamterscheinungsbilds“. Es verhallte ungehört. Ob die Verleihung der Klassik-Nike Konsequenzen zeitigt? Um in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für die Qualitäten des Olympiaparks zu wecken und auf die akuten Gefährdungen hinzuweisen, beginnt sich in München eine Initiative von Bewohnern des Olympischen Dorfes, von Architekten, Stadtplanern und Landschaftsarchitekten zu formieren, die eine Aufnahme des Olympiaparks in das Weltkulturerbe der Unesco anstreben. Der Kommentar des Pressesprechers der Olympiapark München GmbH dazu bei einer öffentlichen Veranstaltung: „Dass das nichts bringt und nur Schwierigkeiten macht, hat man ja in Dresden gesehen.“ So kann man seine wahren Absichten auch entlarven.
Sein und Haben
Schon 1998 mahnte der ehemalige Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel seine Nachfolger: „Die Gesellschaft muss Kraft für ein Denkmal haben. Was soll den Ausschlag geben: die Beibehaltung und Pflege einer Botschaft, die München in Gestalt dieses Bauwerks im Jahre 1972 an die ganze Welt gerichtet hat, oder die Mitteilung, dass diese Botschaft der Vergangenheit angehört und nun auch in München (in einem derartigen Fall) der Markt und der Wettbewerb das letzte Wort haben? Es muss Freiräume geben, die von den ökonomischen Prinzipien und den landläufigen Nützlichkeitserwägungen ausgenommen sind.“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Die Aussichten, dass sich von den Verantwortlichen jemand auf diese Worte besinnt, aber stehen schlecht.

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