Bauwelt

Platz mit Partizipation

In Berchem-Sainte-Agathe wurde ein Platz und Verkehrsknotenpunkt neu gestaltet. Warum man sich im vorausgegangenen Partizipationsprozess für ein Muster aus Dreiecken und einen Partizipationspavillon entschied, dafür findet sich keine Erklärung

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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Die Place Dr.Schweitzer, der Entwurf stammt von T2 spatialwork (Theo Lorenz, Tanja Siems), London, und B612 Associates (Li Mei Tsien, Olivier Mathieu) Brüssel; unten links das Dach des Partizipationspavillons
Foto: © 1082 Berchem

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Die Place Dr.Schweitzer, der Entwurf stammt von T2 spatialwork (Theo Lorenz, Tanja Siems), London, und B612 Associates (Li Mei Tsien, Olivier Mathieu) Brüssel; unten links das Dach des Partizipationspavillons

Foto: © 1082 Berchem


Platz mit Partizipation

In Berchem-Sainte-Agathe wurde ein Platz und Verkehrsknotenpunkt neu gestaltet. Warum man sich im vorausgegangenen Partizipationsprozess für ein Muster aus Dreiecken und einen Partizipationspavillon entschied, dafür findet sich keine Erklärung

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Partizipative Arbeitsweisen sind das Thema, mit dem sich Tanja Siems beschäftigt. An der Bergischen Universität Wuppertal befasst sich die Professorin für Städtebau am Institut für Umweltgestaltung (IUG) seit Jahren damit, nicht nur in Forschung und Lehre, sondern auch in der Praxis. Gerade in letzterer werden immer wieder Hürden deutlich, die überwunden werden müssen, um verschiedene Akteure zur Zusammenarbeit zu aktivieren. „Häufig konnte der gesamte Partizipationsprozess“, so Tanja Siems, „nur mit Hilfe langwieriger, angewandter Workshops mit den unterschiedlichsten Akteurskonstellationen gelingen.“ Eine partizipative Vorgehensweise ist ganz offensichtlich, trotz wissenschaftlich erforschter und eigener Erfahrungen, mit allen Beteiligten schwer in Schwung zu setzen und danach auch in den Griff zu bekommen. Wichtig scheint, dass die Ausgewählten auch bereit sind, überall zu partizipieren und dass dabei jeder einzelne Partizipierende eine tragende, eine ebenso verantwortungsvolle wie rücksichtsvolle Position einnimmt. Partizipation mit einer ganzheitlichen, integralen Herangehensweise kann dann zu Ergebnissen führen, auch wenn es mit viel Input manchmal extrem anstrengend ist.
Siems hat uns exemplarisch ein Beispiel aus ihrer Praxis geschickt. Es handelt sich um die nach acht Jahren Partizipationsplanung und -realisierung fertiggestellte Gestaltung der Place Dr.Schweitzer, mitten im eher gemischten Viertel Berchem-Sainte-Agathe, einem Stadtteil im Nord-Westen von Brüssel, mit bisher wenig Partizipationserfahrung. In der Nähe steht die Nationalbasilika des Heiligen Herzens zu Kuckelberg, die fünftgrößte Kirche der Welt, erdacht von König Leopold II. und erbaut, mit Unterbrechungen, zwischen 1905 und 1970. Man ordnet dieses Bauwerk dem Art déco zu. Im Südwesten liegt der beliebte Scheutbospark. An der Planung des Platzes waren neben dem, von Siems als Direktorin geleiteten, interdisziplinären Büro T2 spatialwork, London, auch die Planer B612 Associates aus Brüssel beteiligt.
Besonders bei diesem Platz bot sich eine Partizipation mehrerer, auch sehr unterschiedlicher Gruppen an. Hier, so Tanja Siems, sei versucht worden, „neben den Prinzipien der klassischen, formalen Beteiligungsinstrumente sowie den informellen partizipativen Beteiligungsprozessinstrumenten, neue ,mediative‘ Konzepte zu entwickeln, um während des gesamten Planungs-und Bauprozesses zu jeder Zeit Raum für Diskussion zu schaffen“. Wer hier wie partizipieren konnte, ist auf Nachfrage zu erfahren: Gruppen, Schüler und Ältere, in Workshops, dazu die Brüsseler Verkehrsbetriebe STIB.
Was ist das Ergebnis? Die Place Dr.Schweitzer, bisher eher ein heterogener Verkehrsknotenpunkt des Quartiers, hat nun unverkennbar eine einheitliche Grundstruktur erhalten. Statt Parkplätzen gibt es jetzt deutlich mehr Flächen für Fußgänger. Und diese Flächen sind, unübersehbar, mit sehr eigener Handschrift gestaltet. Das Bodenmuster setzt sich Dreiecken unterschiedlicher Größe und mit voneinander abweichenden Winkeln zusammen. Zwei Bahnen weißer Steine markieren die Kanten, die Flächen sind abwechselnd mit Steinen in drei verschiedenen Grautönen gefüllt. Die Schutzgitter entlang der Straßen sind aus Stäben zusammengesetzt, die ebenfalls Dreiecke bilden. Bei den Aufenthaltsflächen denkt man ohne jeden Zweifel an Partizipation. Ordnung ist dabei allerdings weniger entstanden. Das Auge schweift über ein Muster, auf dem zusätzlich eigens entworfene Sitzelemente herumstehen, teilweise mit integrierten Lavendelbüschen. An der Straßenbahn-Haltestelle der Linien 19, 20 und 82 wurden die weißen Bänder von den Freiflächen auf den Asphalt weitergemalt, damit alles zu einer Einheit zusammenwächst. Wartehäuschen gibt es auch, aus Stahlgestänge und Glas. Sie wirken so filigran, dass man Zweifel an ihrer Stabilität haben kann.
Die Partizipation bei der Planung geht nun in die Partizipation bei der Nutzung über. Diesen Prozes zu unterstützen, wurde ein mittlerweile schon etwas ramponierter Partizipationspavillon entworfen und gebaut. Zu ihm gehören kleine Sitzblöcke, Stahlgestänge und viel gläserne Transparenz in der Komposition der Wand- und Dachelemente. Er ist noch gewagter gestaltet als die Wartehäuschen, was ihm wohl eine herausgehobene künstlerische Note verleihen soll. Auf den Sitzblöcken unter dem Dach kann man direkt an diesem und jenem partizipieren, was ein Sitznachbar von sich gibt. Deutlich bequemer sitzt man am Platz aber vor der sympathischen Taverne Pol bei einem Chèvre chaud, Filet américain à la minute sauce poivre vert crème mit Pommes Frites, Moules au Vin Blanc oder der Choucroute mit Pommes duchesse des Hauses – und partizipiert an den heftigen Diskussionen der Anwohner über den Sinn ihrer neu gestalteten Place Dr.Schweitzer.  

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Bilder Die Quadratur des Dreiecks

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