Bauwelt

Ruhrgebietslandschaften

Albert Renger-Patzsch auf der Suche nach Sinnbildern des Ruhrgebiets um 1930. Eine Ausstellung in der Pinakothek der Moderne in München zeigt seine Fotos aus jener Zeit

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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    Bergmannshäuser in Essen-Stoppenberg, 1929
    © Albert Renger-Patzsch/Archiv Ann und Jürgen Wilde/VG Bild-Kunst, Bonn 2016

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    Bergmannshäuser in Essen-Stoppenberg, 1929

    © Albert Renger-Patzsch/Archiv Ann und Jürgen Wilde/VG Bild-Kunst, Bonn 2016

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    An der Ruhrmündung bei Duisburg, 1929/30
    © Albert Renger-Patzsch/Archiv Ann und Jürgen Wilde/VG Bild-Kunst, Bonn 2016

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    An der Ruhrmündung bei Duisburg, 1929/30

    © Albert Renger-Patzsch/Archiv Ann und Jürgen Wilde/VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Ruhrgebietslandschaften

Albert Renger-Patzsch auf der Suche nach Sinnbildern des Ruhrgebiets um 1930. Eine Ausstellung in der Pinakothek der Moderne in München zeigt seine Fotos aus jener Zeit

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

In keiner Ausstellung zur Kultur der 20er Jahre dürfen seine Fotografien fehlen. Der Titel seines Buches von 1928, „Die Welt ist schön“, ist zum geflügelten Wort geworden. Umso mehr ärgert es, dass immer noch keine auch nur annähernd vollständige Übersicht über sein Werk vorliegt. Allenfalls Teildarstellungen; so auch jetzt wieder, da die Münchner Pinakothek der Moderne „Ruhrgebietslandschaften“ von Albert Renger-Patzsch (1897–1966) zeigt.
Immerhin – könnte man sagen, läge nicht die erste Ausstellung zu diesem Arbeitsfeld des vielseitigen Fotografen bereits 34 Jahre zurück. Gegenüber der seinerzeit erschienenen Publikation stellt der diesmalige Katalog sogar einen Rückschritt dar, nicht zuletzt was die Qualität der Reproduktionen anbelangt. Seit 2010 bringt das Sammlerpaar Ann und Jürgen Wilde den Nachlass von Renger-Patzsch nach und nach als Stiftung in das Münchner Museum ein. Die Probleme, denen sich die Stifter und die Kuratorin Simone Förster gegenübersehen, mögen erheblich sein, was Zuordnung und Datierung angeht. Doch müsste es möglich sein, ein veritables Buch zustande zu bringen – statt der Broschüre, die die derzeitige Schau begleitet. Sie wartet mit Grundinformationen zu Renger-Patzsch auf: „...vorrangig zwischen 1928 und 1932 entstanden (...) über 150 verschiedene Aufnahmen zum Ruhrgebiet und seinen Landschaften. Sie stellen die einzige größere, zusammenhängende Werkgruppe in Renger-Patzschs Gesamtwerk dar, die er gänzlich ohne Auftrag fotografierte.“
Renger-Patzsch hat zeitlebens als Landschafts-, Architektur- und Objektfotograf gearbeitet. In den Ruhrgebietslandschaften verschmelzen Landschaft und Gebautes. Renger-Patzsch ist an so etwas wie Sinnbildern, Inbegriffen „des“ Ruhrgebiets interessiert. Häufig lässt er die ärmlichen, aus der Kaiserzeit stammenden Arbeiter-Wohnhäuser mit dem noch landwirtschaftlich genutzten Boden kontrastieren. Hinter Feldern ragen einzelne Häuser auf; die Industrie mit ihren Bergwerksanlagen, ihren Fördertürmen und Schornsteinen bildet den Hintergrund, gewissermaßen die sinnbestimmende Folie, vor der sich das Leben in Mittel- und Vordergrund abspielt.
Wie genau hat Renger-Patzsch seine Aufnahmen komponiert? Darüber ließe sich mehr erfahren, vergliche man die beiden titelgleichen Aufnahmen „Bergmannshäuser in Essen-Stoppenberg“ im Buch von 1982 und in der jetzigen Broschüre. Sie müssen unmittelbar nacheinander entstanden sein, doch in welcher Reihenfolge? Sie unterscheiden sich nämlich in einem ganz wesentlichen Detail, dem – der Kuratorin Simone Förster zufolge – für den Fotografen besonders wichtigen Laternenmast, der in der 1982 veröffentlichten Aufnahme gerade nicht das trostlose Bild von Feld und Arbeiterhäusern akzentuiert. Laternenmasten hat Renger-Patzsch immer wieder ins Bild gerückt, als einsame, quasi symbolische Leuchten in einer Welt der Finsternis. Bei einem so skrupulösen Fotografen wie Renger-Patzsch spielen solche Details eine große Rolle.
In der Ausstellung sind die 83 gezeigten Fotografien – durchweg Originalabzüge von Renger-Patzsch – vorzüglich gerahmt, teils mit Abstand zwischen Foto und Glas, um ihre physische Beschaffenheit als Kartonpapier sichtbar zu machen. Diese Sorgfalt entspricht der Arbeitsweise des Fotografen. Ihm war alles Nicht-Fotografische zuwider, das gilt es bei allen Interpretationsversuchen im Auge zu behalten. So verwahrte er sich auch gegen den Buchtitel „Die Welt ist schön“, den der Verleger Kurt Wolff geprägt hatte. Wenn Renger-Patzsch eines war, dann unsentimental; „pompöse Sonnenuntergänge“, wie er einmal bemerkte, waren seine Sache nicht, vielmehr war ihm „die Wiedergabe der ,Landschaft als Dokument’“ eine „Verpflichtung“.
Warum es nie zu einer Publikation der Ruhrgebiets-Fotos kam, vermag auch die jetzige Broschüre nicht mitzuteilen. Immerhin gab es um 1930 eine ganze Reihe von Büchern, die die Eigenart der Industrie und Industriearbeit darstellten, teils auch mit pathetischem, nach 1933 erkennbar politischem Einschlag. Renger-Patzsch blieb als Industriefotograf etwa für den Architekten Fritz Schupp aktiv. Doch Gesamtaufnahmen von Fabriken und Wohnhäusern, von Industrie und Landwirtschaft, wie sie in der jetzt gezeigten Quasi-Serie vorherrschen, hat er nicht mehr angefertigt. An die leidenschaftslose, dokumentierende Sicht der Industriebauten knüpften erst Bernd und Hilla Becher ab den 60er Jahren an, freilich ohne einen Blick für die sozialen Zusammenhänge zu erübrigen, die Renger-Patzsch immer wieder, wenn auch ohne explizite Stellungnahme, einbezieht. Er wahrt die Distanz des Chronisten. Gerade das macht seine Fotografien für Spätere so wertvoll. Eine Buchveröffentlichung, die der Qualität der Münchner Präsentation entspräche, steht weiterhin aus.

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