SANAA und La Samaritaine
Das historische Kaufhaus wird zum Luxushotel
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
SANAA und La Samaritaine
Das historische Kaufhaus wird zum Luxushotel
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Wir tauchen ein in die Geschichte eines der weltweit größten Kaufhäuser. Es steht derzeit leer. Ein Investor, der weltweit größte Hersteller von Luxusgütern, hatte den Gebäudekomplex an der Pariser Pont-Neuf schon 2001 gekauft. Trotz Protesten im Quartier schloss er das Haus 2005; er verfolgt den Weg des größtmöglichen Profits. Für die Um- und Neuplanungen wurden Edouard François und SANAA beauftragt.
Der Spielfilm „Die Liebenden von Pont-Neuf“ von 1991 erzählt die dramatische und bewegende Geschichte des Clochards Alex (Denis Lavant) und der erblindeten Malerin Michèle (Juliette Binoche), die sich auf der ältesten Pariser Brücke nahe Notre Dame begegnen. In zahlreichen Szenen ist das Samaritaine im Hintergrund zu sehen, zumindest seine große Leuchtschrift auf dem Dach. La Samaritaine ist ein Grand Magasin des Architekten Henri Sauvage (1873–1932) direkt am Quai du Louvre. Während der Dreharbeiten glänzte es noch in alter Pracht. Im Film blicken die Wohnungslosen Alex und Michèle nicht zu ihm hinauf, es symbolisiert die Welt des maßlosen Konsums. Vor elf Jahren wurde der Bau und der gesamte dahinter liegende Block mit drei noch älteren Gebäuden des Kaufhauses – entworfen vom Art-déco-Architekten Frantz Jourdain (1847–1935) – an den illustren französischen Mischkonzern LVMH verkauft. Der produziert u. a. die Taschen von Louis Vuitton (LV), den Champagner von Moët et Chandon (M) und den Cognac von Hennessy (H) . Vor sieben Jahren hat der Konzern das Kaufhaus, trotz Protesten der Mitarbeiter und einer schockierten Klientel Pariser Nostalgiker, aufgegeben, angeblich wegen völlig ungenügender Brandschutzeinrichtungen. Seither ist es verwaist, wahrscheinlich sogar schon ziemlich marode, denn in den letzten Jahren wurde an den Gebäuden nichts mehr gemacht. Bei genauer Betrachtung der Fassade von Sauvage erkennt man, dass die Balkone mit Netzen gesichert sind, Teile der Brüstungen drohen herunterzufallen. Das Traditionshaus des Kaufmanns Ernest Cognacq und seiner Frau Marie-Louise Jaÿ, mit seinen kostbaren Emaille- und Kupferarbeiten und dem pompösen Glasdach, bleibt bis auf weiteres verrammelt.
François
Doch der Konzern plant auf Hochtouren an einer Mischnutzung in Top-Lage mit gigantischer Wertmaximierung. In den Obergeschossen des Sauvage-Baus wird die Luxus-Herberge „Le cheval blanc“ mit einem Maximum an Sternen entstehen. Die bisher nur begrenzt bekannten Pläne dafür stammen von Edouard François, einem Enfant terrible der französischen Architekturszene, dessen Selbsteinschätzung teilweise anmaßend anmutet. Er verfügt über beste Kontakte zur Finanzwelt Frankreichs. Man braucht dabei nur auf sein Hotel Fouquet’s-Barrière nahe der Avenue des Champs d’Elysées mit der Persiflage einer Haussmann-Fassade zu schauen (Bauwelt 46.2006). Zu dieser Fassade schrieb Axel Sowa: „François veredelt den Kitsch und verkitscht den Luxus; er spielt Verstecken und blinde Kuh mit Haussmann, Napoléon III., den Denkmalpflegern und seinen reichen Bauherren, … er arbeitet mit Attrappen, Kulissen und Effekten. Immer so, dass sich schließlich die Widersprüche zu einem bizarr-barocken Geflecht verknäulen.“ Bei einer Begegnung im Januar erzählte mir der Architekt von sagenhaften Wohlfühl-Suiten mit Wintergärten zur Seine. Für die bessere Vermarktung fügt er eine kräftige Prise grüne Architektur mit großem Dachgarten hinzu. Auch hierin kennt er sich aus. In Montpellier hat er einem Wohnblock einen hängenden Garten verpasst, der allerdings kaum wächst, und in Paris einen Wohnblock mit Blumentopf-Fassaden gebaut. Um seinem Schaffen ein angemessenes Flair zu verleihen, erwähnt Edouard François gern leicht amüsiert, dass er nachweislich aus der Familie des Perückiers von König Ludwig XIV. stammt. Das muss schon etwas heißen und setzt sicherlich Qualitätsmaßstäbe bei schönen Formen exquisiten Geschmacks.
SANAA
Der Konzern LVMH hat nicht nur den Samaritaine-Bau von Henri Sauvage gekauft, sondern den gesamten Block des Kaufhauses bis zur Rue de Rivoli. 160 Millionen hat das ganze Paket gekostet, rund eine halbe Milliarde soll jetzt verbaut werden. Der Investor hebt gerne hervor, dass in einer Seitenstraße, in einer Reihe von schmalen Häusern aus dem 17. Jahrhundert, auf 7000 Quadratmetern Sozialwohnungen entstehen werden, inklusive einer Kindertagesstätte. An der Rue de Rivoli, wo die Fassade des Samaritaine nicht unter Schutz steht, will man auch nach außen hin etwas ganz Neues schaffen. Für dieses Projekt wurde SANAA gewonnen, und das Büro hat alle Renderings bereits freigegeben. Entstehen soll ein neuer Shopping-Tempel ganz aus Glas, der sich in seinen vertikalen Fassadenachsen dennoch an Haussmann orientiert. Wie das geht, kann man sich in dem Showroom „Maison du projet“ anschauen. Die großer Fassadenumhüllung an der Ecke Rue de Rivoli/Rue de l’Arbre Sec macht auf ihn aufmerksam. Kritik an dem Projekt aus der Nachbarschaft ließ nicht lange auf sich warten: Zu mächtig und vor allem zu unpassend für die Rue de Rivoli seien die Planungen. Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa gehen hier, nach dem Flagship für Christian Dior in Tokio, zum ersten Mal ganz groß mit ihrer nicht mehr so minimalistischen Architektur „bummeln“ – mit einem Shopping-Glaspalast, der sich in der alten Glashalle von Jourdain im Gebäudeblock fortsetzen soll. SANAA, dessen Louvre-Dependence im Norden Frankreichs in diesem Jahr eröffnet werden wird, ist nun fest in die Hände eines Investors mit eigenen Spielregeln gelangt. Sie sind nicht alleine, schließlich sind andere Pritzker-Preisträger den gleichen Weg gegangen.
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