Bauwelt

Schmuckstück oder Blechbüchse?

Das Diözesanmuseum, Gottfried Böhm und Paderborn

Text: Hartmann, Karin, Paderborn

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Der Innenraum des Paderborner Diözesanmuseums im Jahr 1983. Seit dem Umbau 1993 sind die Fenster verschlossen, die filigranen Geländer durch massive Brüstungen ersetzt.
Foto: Wolfgang Noltenhans

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Der Innenraum des Paderborner Diözesanmuseums im Jahr 1983. Seit dem Umbau 1993 sind die Fenster verschlossen, die filigranen Geländer durch massive Brüstungen ersetzt.

Foto: Wolfgang Noltenhans


Schmuckstück oder Blechbüchse?

Das Diözesanmuseum, Gottfried Böhm und Paderborn

Text: Hartmann, Karin, Paderborn

Bauten von Gottfried Böhm stehen in Neviges, Köln und Bensberg. Fast 100 Gebäude hat der Kölner Architekt und Pritzker-Preisträger in Deutschland realisiert – viele haben Diskussionen ausgelöst, einige, wie das Wohnhaus Fasanenstraße 62 in Berlin-Wilmersdorf, sollen bereits wieder abgerissen werden.
In Paderborn errichtete Böhm nach einem Realisierungswettbewerb im Jahr 1967/68 das Erzbischöfliche Diözesanmuseum, einen solitären Museumsbau mit angegliedertem Wohntrakt; angeordnet fast direkt vor dem romanischen Paradiesportal, dem Haupteingang des Doms. Dies war keine Provokation, sondern entsprach der Wettbewerbsaufgabe, der Standort des ehemaligen Bischofspalasts sollte wieder bebaut und dem Domplatz die im Zweiten Weltkrieg verlorene Fassung zurückgegeben werden. Ein-zig das Museum sollte – abweichend von der vorherigen Bebauung – noch einige Meter weiter in Richtung Domeingang platziert werden, um Platz zu lassen für eine Straße in die Unterstadt, die jedoch nie realisiert wurde.
Böhm hatte einen für diese Zeit revolutionären Museumsbau entworfen, der sich von der klassischen Enfilade von Sälen und Kabinetten verabschiedete und stattdessen die Verkehrsflächen zur Ausstellungsfläche machte. Der Grundgedanke des Entwurfs, die mittelalterlichen Kellermauern des Bischofspalastes als Schatzkammer auszubauen und den Innenraum aufstrebend so anzuordnen, dass es von jedem Punkt der Ausstellung Kontakt zum Schatz, zum Herzen der Sammlung geben sollte, wurde zugleich Fallstrick und Alleinstellungsmerkmal des Hauses.
Nach außen präsentierte sich das an einer Stahlkonstruktion hängende Gebäude über dem zum Domplatz komplett verglasten Erdgeschoss mit einer weitgehend geschlossenen Bleiverkleidung, deren Falze auf das Kupferdach des Doms anspielen; zudem war die Fassade zum Dom hin abgestuft – unter den Wettbewerbsarbeiten ein behutsamer Entwurf. Doch schon zur Bauzeit gab es Kritik sowohl am Standort des Gebäudes als auch an seiner vermeintlichen Hässlichkeit, „Schuhkarton“ und „Blechbüchse“ waren noch freundlichere Bezeichnungen. Die katholisch-konservative Bevölkerung war regelrecht aufgebracht. Von „Mord am Dom“ war die Rede, es gab Schmierereien am Haus. Noch während der Bauphase bildete sich eine Bürgerinitiative, die den sofortigen Abriss des Gebäudes forderte, Spenden und testamentarische Verfügungen sollten das Budget hierfür stellen. Die Antipathie animierte sogar den Dichter Robert Gernhardt, ein Gedicht zu dieser Posse zu verfassen: „Paderborn, arme Stadt, / wie er dich verschandelt hat,/dieser Architekt./Hat dir dreist den Dom verstellt,/ kriegte dafür auch noch Geld,/dass er den versteckt./ Architekten, holt Freund Hein!/Aber so ein Werk aus Stein/bleibt im Fleisch ein Dorn./ Macht in alle Ewigkeit/sich vor Turm und Kirche breit./Arme Stadt Paderborn.“
Schlimmer noch als das umstrittene Äußere aber wirkten sich schon bald funktionale Mängel aus. Das Innere wurde den konservatorischen Anforderungen schlicht nicht gerecht. Klimatisch führte die Ausführung der bleiverkleideten Fassade je nach Temperatur zu einer raschen Auskühlung oder Erhitzung des Innenraums. Die sensiblen Objekte hielten den Schwankungen nicht stand – eine Lösung musste her. Nach Versuchen einer einvernehmlichen Lösung mit Gottfried Böhm entschied das Erzbischöfliche Generalvikariat 1992 einen Umbau durch den amerikanischen Architekten Michael Brawne. Die meisten Fensterflächen wurden geschlossen, der Innenraum wurde verkoffert, der Eingang von der Domebene auf den Platz verlegt, auf der Nordseite entstand, von Gottfried Böhm abgesegnet, der Anbau für eine Klimaanlage. Die umfassenden Eingriffe konterkarierten zum Teil zwar die Architektursprache des Erbauers – von der einst transparent-filigranen Innenraumgestaltung war fortan nichts mehr zu spüren –, ermöglichten aber eine pragmatische, flexible, gut nutzbare Ausstellungsgestaltung: Das Museum funktionierte endlich als Museum. Ans Herz gewachsen ist das Gebäude den Paderbornern damit aber noch immer nicht.
Christoph Stiegemann nimmt es gelassen. Der Museumsdirektor arbeitet tagtäglich mit dem Haus, seit 1991 ist er Direktor des Museums. Durch die Großausstellungen „799 – Kunst und Kultur der Karolingerzeit“ (1999), „Canossa“ (2006), „Credo“ (2013) und derzeit „Caritas“ konnte er Hunderttausende Besucher anlocken. Ihnen gegenüber sieht er sich auch immer wieder mit der Frage nach der Architektur konfrontiert. Er selbst schätzt zwar das für die siebziger Jahre wegweisende Gebäudekonzept, seine Objekte aber verlangen nach einem konservatorisch funktionierenden Haus.
Im Januar lief der Film „Die Böhms – Architektur einer Familie“ in den Kinos, eine poetische, bildgewaltige Dokumentation über das Leben und Schaffen der Architektenfamilie mit Gottfried Böhm im Zentrum. In Paderborn wurde im Rahmen einer Sondervorstellung eine Podiumsdiskussion veranstaltet. Hierzu waren auch der Architekt Peter Böhm, einer der Söhne Gottfried Böhms , eingeladen, der Regisseur, Zeitzeugen und lokale Persönlichkeiten. Anstatt das abgerissene Gespräch, nunmehr zu Peter Böhm, wieder aufzunehmen, landete man wieder ungefedert in der lokalen Diskussion um das verschmähte Museum. So bleibt die zementierte Meinung der Stadtbevölkerung, in den achtziger Jahren in der Stadtzeitschrift Skylight karikiert durch Aufkleber mit dem Sponti-Spruch: „Weg mit dem Dom – freie Sicht aufs Diözesanmuseum!“, scheinbar weiter bestehen.
In Paderborn bedarf es einer grundsätzlichen Diskussion darüber, wie die Zukunft des Hauses aussehen könnte. Mit den großen Ausstellungen ist ein Magnet geschaffen, der nun auch der Architektur zugute kommen könnte. Ziel müsste es sein, das Haus in eine Fassung zurückzuführen, die selbstverständlich mit der räumlichen Konzeption Böhms arbeitet und die Anforderungen an ein modernes Museum erfüllt, – und damit die Architektur und das Museumskonzept zu befrieden. 2017 plant Christoph Stiegemann eine Ausstellung zu Böhms Bauten. Vielleicht ist 42 Jahre nach Einweihung des Gebäudes der Zeitpunkt gekommen, über zukunftsfähige Lösungen zu diskutieren.

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