Bauwelt

Städtische Inspektionen

Rund 50, auch mehrteilige künstlerische Stationen überziehen alle Bezirke Bremens, sie arbeiten mit bescheidenen Formaten, etwa an Litfaßsäulen, in Schaufenstern oder mit Schriftzügen im öffentlichen Raum, fragen auch nach virtuellen Erweiterungen des Realen.

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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    400 laufende Meter Bauzaun-Galerie am Bahnhofsvorplatz.
    Foto: Bettina Brach

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    400 laufende Meter Bauzaun-Galerie am Bahnhofsvorplatz.

    Foto: Bettina Brach

Städtische Inspektionen

Rund 50, auch mehrteilige künstlerische Stationen überziehen alle Bezirke Bremens, sie arbeiten mit bescheidenen Formaten, etwa an Litfaßsäulen, in Schaufenstern oder mit Schriftzügen im öffentlichen Raum, fragen auch nach virtuellen Erweiterungen des Realen.

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Wer derzeit nach Bremen kommt, ist vielleicht von der Bauaktivität in der Innenstadt beeindruckt. Der Rohbau der Landesbank am Domshof – Caruso St. John Architects London-Zürich – erhält gerade sein onduliertes Fassadenkleid aus dunklem Klinker. Vor dem Bahnhof war erster Spatenstich für die in der Stadt so bezeichneten Zwillings-Hochhäuser, zwei Siebengeschosser mit Sichtschneise zum historistischen Bau, Architekt Max Dudler. Von ihm stammt bereits ein Stadthaus in der nahen Bahnhofsstraße (Bauwelt 7.2015), vis à vis des Contrescarpe-Centers, einem späten Ungers. Die prominenten Bauten wurden (und werden auch zukünftig sicherlich) mit den üblichen Architekturpreisen bedacht – und werfen doch Fragen auf. Etwa: Warum durfte sich die Brache vor dem Bahnhof nicht zu einer großstädtisch öffentlichen Freifläche qualifizieren, sondern muss nun einer x-beliebigen Packung aus Filialisten, zwei Hotels und Verwaltungsflächen weichen?
Den Finger in derartige urbane Wunden legt augenblicklich ein großes Kooperationsprojekt dreier Bremer Kulturinstitutionen, die mit leichtfüßigen lokalen Interventionen dem Inneren der Stadt und ihrem metaphorischen Frei-Raum nachspüren. Rund 50, auch mehrteilige künstlerische Stationen überziehen alle Bezirke Bremens, sie arbeiten mit bescheidenen Formaten, etwa an Litfaßsäulen, in Schaufenstern oder mit Schriftzügen im öffentlichen Raum, fragen auch nach virtuellen Erweiterungen des Realen. Da steht beispielsweise, kaum zu bemerken, ein blaues Fernrohr vor der Kneipenmeile an der Schlachte. Schaut man hindurch, ohne vorher eine Münze einwerfen zu müssen, sieht man eigentlich nichts. Oder doch wichtiges, wenn der Blick nämlich auf die Teerhof-Insel fällt: hier sind zwei der Ausstellungsinitiatoren ansässig, das Sammlermuseum Weserburg und die Gesellschaft für aktuelle Kunst, jedoch auf sehr unsicherem Posten. Die Weserburg soll, je nach neu-estem Erkenntnisstand des Bremer Senats, verkleinert, gar ausverkauft, zur reinen Ausstellungshalle oder transloziert werden, der Kunstgesellschaft droht wohl ähnliches. Das Fernrohr fixiert nun beide ganz subtil, zumindest temporär, als Attraktionen an ihrem angestammten Ort. Offensiv schwärmen hingegen 900 grafische Plakate von 150 internationalen Künstlern in über zehn Plakataktionen durch die Innenstadt, ihr Kumulationspunkt: der Bauplatz am Bahnhofsvorplatz. Die 400 Meter lange Bauzaun-Galerie durchweg ironisch kritischer Positionen lässt dort noch einmal den Möglichkeitsraum erahnen, den unsere Städte jenseits ökonomischer Verwertungsinteressen vorhalten, eine (traditions-) reiche Bürgerschaft hier aber nicht verstand.

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