Streit um Potsdams Lustgarten
Seit dem Beschluss über die Sanierungsziele für die Potsdamer Mitte und der Eröffnung des Landtags in der Stadtschlossreplik ist der Lustgarten wieder in den Fokus gerückt. Ein mehrstufiges Werkstattverfahren mit Bürgerbeteiligung soll Vorschläge für die künftige Gestaltung erarbeiten. Dabei geht es auch um die emotional diskutierte Frage, ob das Hotelhochhaus aus DDR-Zeiten stehen bleiben soll oder nicht? Mitte März wurden erste Entwürfe präsentiert
Text: Grünzig, Matthias, Berlin
Streit um Potsdams Lustgarten
Seit dem Beschluss über die Sanierungsziele für die Potsdamer Mitte und der Eröffnung des Landtags in der Stadtschlossreplik ist der Lustgarten wieder in den Fokus gerückt. Ein mehrstufiges Werkstattverfahren mit Bürgerbeteiligung soll Vorschläge für die künftige Gestaltung erarbeiten. Dabei geht es auch um die emotional diskutierte Frage, ob das Hotelhochhaus aus DDR-Zeiten stehen bleiben soll oder nicht? Mitte März wurden erste Entwürfe präsentiert
Text: Grünzig, Matthias, Berlin
Wer die aktuelle Diskussion um den Lustgarten in Potsdam verstehen will, muss die wichtigsten Punkte seiner Geschichte kennen. Der um 1600 angelegte Park, den man knapp einhundert Jahre später zum Barockgarten umgestaltete, war beliebt wegen der weiten Aussicht über den Templiner See bis zum Schloss Caputh. Ab 1713 wurde er erneut umgestaltet, zum Exerzierplatz. Mitte des 19. Jahrhunderts verlegte man die Bahnstrecke Berlin-Magdeburg über seinen südlichen Teil, der Bahndamm blockiert seitdem die Sicht von der Stadt auf die Seenlandschaft. 1969 entstand das „Interhotel Potsdam“ (heute „Mercure“). Der von Sepp Weber entworfene 17-Geschosser markierte das Herzstück eines größer angelegten Silhouettenkonzeptes, das dem seinerzeit als provinziell empfundenen Stadtbild einen großstädtischen Maßstab verleihen sollte. 2001,
im Rahmen der BUGA, gestalteten Dietz Joppien Landschaftsarchitekten den Lustgarten neu.
im Rahmen der BUGA, gestalteten Dietz Joppien Landschaftsarchitekten den Lustgarten neu.
Die Diskussion um die Potsdamer Mitte und der neue Landtag in Form des Stadtschlosses (Bauwelt 11.2014) haben die Frage nach Funktion und Gestalt des Lustgartens nun neu aufgeworfen. Die Debatte entzündet sich vor allem an der Frage, ob das Hotel stehen bleiben soll oder nicht. Auf der einen Seite gibt es das „Bündnis Potsdamer Mitte“, das eine möglichst umfassende Wiederherstellung des Zustandes von 1713 anstrebt. Für seine Anhänger ist vor allem das Hotelhochhaus ein Störfaktor. Diese Position wird auch von Potsdams Baudezernent Matthias Klipp (Bündnis 90/Die Grünen) unterstützt. Auf der anderen Seite gibt es die Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“. Ihre Anhänger betrachten das Nebeneinander von Barock und Nachkriegsmoderne nicht als Problem, sondern als spannenden Kontrast. Und es gibt noch eine dritte Gruppe, Politiker und Geschäftsleute, die den Hotelabriss aus pragmatischen Gründen ablehnen. Das „Mercure“ sei das einzige große Hotel in der Innenstadt und daher für den Tourismus unverzichtbar. Außerdem würden Ankauf und Abriss des Hotels Millionen kosten, die an anderer Stelle fehlten. Die „Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg“ bezif-fert den aktuellen Sanierungsbedarf für Baudenkmäler im UNESCO-Welterbebereich auf eine Milliarde Euro. Angesichts dieser Probleme halten auch viele Denkmalpfleger den Hotelabriss für verantwortungslos.
Ein Werkstattverfahren soll nun Vorschläge erarbeiten, wie der Lustgarten künftig aussehen könnte und was mit dem Hotel geschieht. Das im Mai 2014 gestartete Verfahren, organisiert vom Sanierungsträger Potsdam, der die städtebauliche Entwicklung in acht Teilbereichen der Stadt begleitet, ist mehrstufig angelegt: Zunächst sammeln ein Online-Forum und eine temporäre Infobox die Wünsche der Bürger ein. Diese fließen in die Aufgabenstellung für sieben Teams aus Architekten und Landschaftsarchitekten ein, die ein städtebauliches und freiraumplanerisches Konzept mit Nutzungsvorschlägen für den Lustgarten erarbeiten sollen. Nachdem sie ihre Entwürfe öffentlich vorgestellt und diskutiert haben, arbeiten sie die gesammelten Anregungen und die Empfehlungen der Gutachter für eine zweite Runde im Sommer 2015 ein. Ein Gutachtergre-mium soll schließlich entscheiden, welche Entwürfe den Stadtverordneten zur Abstimmung vorgestellt werden.
In Bezug auf das Thema Hotel äußerten sich bis Herbst 2014 vergleichsweise viele: 17,3 Prozent der rund 830 Kommentare (Online und Info-Box) sprachen sich für den Erhalt des Hotels aus, 9 Prozent für dessen Abriss, knapp 3 Prozent für dessen Verschönerung. 1,66 Prozent halten die Debatte um das Hotel aktuell für finanz- und eigentumsrechtlichen Unsinn. 11 Prozent kritisierten das Verfahren selbst, 8 Prozent meinten, dass das Geld für Wichtigeres ausgegeben werden sollte.
Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass alle sieben Entwürfe, die Mitte März zum zweiten öffentlichen Werkstattgespräch vorgestellt wurden, eine endgültige Lösung ohne Hotel vorschlagen. Allein zwei Teams – Machleidt mit Atelier Loidl und WES mit Hermann Krafft mit scheuvens + wachten präsentierten Entwürfe, die den Erhalt des Hotels als Zwischenstufe vorsehen. Das Team kleyer.koblitz.letzel.freivogel gesellschaft von architekten mit geskes.hack Landschaftsarchitekten sieht sogar die Wiederherstellung barocker Gartenstrukturen in dem Bereich vor, in dem der 2001 umgesetzte Entwurf von Dietz Joppien urheberrechtlich geschützt ist.
Wer beim ersten Werkstattgespräch im September 2014 anwesend war, wird sich über dieses Ergebnis weniger wundern. Baudezernent Matthias Klipp hatte dort bereits deutlich gemacht, dass die zentrale Aufgabe die Herstellung einer Sichtbeziehung zwischen dem nördlich vom Hotel gelegenen Stadtschloss und dem südlich vom Hotel gelegenen Neptunbecken sei. Nicht nur, dass dieser Sichtbezugs-Wunsch während der Bürgerbeteiligung so wenige Stimmen erhalten hatte, dass er in der Auswertung gar nicht gesondert aufgeführt wurde, die von ihm formulierte Aufgabe ist ohne Hotelabriss nicht umsetzbar. Und diesen wiederum fordert nicht einmal die Hälfte aller Bürger, die ihre Wünsche und Meinungen abgegeben hatten. Die ablehnende Haltung gegenüber dem Hotel wird auch in der Auslobung deutlich. Der Hotelkomplex, so ist dort formuliert, riegele die Fläche des Lustgartens von der Havel ab und störe die stadträumliche Beziehung zwischen Altem Markt/Landtag und Lustgarten. Auch verstelle er die ehemalige Schlossachse nach Süden bis zur Havel.
Im Juni dieses Jahres ist ein drittes, abschließendes Werkstattgespräch geplant, danach sollen die Entwürfe den Stadtverordneten vorgestellt werden. Es ist kaum anzunehmen, dass Baudezernent Klipp eine Variante mit Hotel akzeptieren wird. Der von ihm gewünschte Ankauf und Abriss des Hotels dürfte aber auch nicht durchsetzbar sein. Bei einer Umfrage der „Märkischen Allgemeinen“ im Januar 2015 sprachen sich 86 Prozent gegen den Abriss aus. Dieser Meinung trugen auch die Stadtpolitiker Rechnung. Im 2014 geschlossenen Vertrag der in Potsdam regierenden „Rathauskooperation“ aus SPD, CDU und Bündnis 90/die Grünen wurde festgeschrieben, dass keine öffentlichen Gelder für Ankauf und Abriss des Hotels ausgegeben werden sollen. Am 4. März 2015 bestätigte ein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung diese Position nochmals. Daher könnte sich das Werkstattverfahren am Ende als ein teurer Flop ohne Ergebnis erweisen.
Teilnehmer
Dietz Joppien, Frankfurt am Main/Potsdam, mit Rose Fisch, Landschaftsarchitektur, Berlin
WES, Landschaftsarchitektur Berlin, mit Hermann Krafft mit scheuvens + wachten, Architekten, Dortmund
kleyer.koblitz.letztel.freivogel gesellschaftvon architekten mit geskes.hack Landschaftsarchitekten, Berlin
Machleidt – Städtebau Stadtplanung mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten, Berlin
Gruppe Planwerk mit bgmr Landschaftsarchitekten, Berlin
Agence TER. de, Karlsruhe
Post Welters Architekten & Stadtplaner, Dortmund, mit RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten, Bonn
Dietz Joppien, Frankfurt am Main/Potsdam, mit Rose Fisch, Landschaftsarchitektur, Berlin
WES, Landschaftsarchitektur Berlin, mit Hermann Krafft mit scheuvens + wachten, Architekten, Dortmund
kleyer.koblitz.letztel.freivogel gesellschaftvon architekten mit geskes.hack Landschaftsarchitekten, Berlin
Machleidt – Städtebau Stadtplanung mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten, Berlin
Gruppe Planwerk mit bgmr Landschaftsarchitekten, Berlin
Agence TER. de, Karlsruhe
Post Welters Architekten & Stadtplaner, Dortmund, mit RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten, Bonn
Fachgutachter
Arnold Bartetzky, Leipzig; Rainer Emenlauer, Berlin; Carl Fingerhuth, Zürich; Axel Lohrer, München; Helmut Riemann, Lübeck
Arnold Bartetzky, Leipzig; Rainer Emenlauer, Berlin; Carl Fingerhuth, Zürich; Axel Lohrer, München; Helmut Riemann, Lübeck
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