Bauwelt

UNITED COLORS im Fondaco

Text: Kusch, Clemens F., Venedig

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Michele Crosera

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UNITED COLORS im Fondaco

Text: Kusch, Clemens F., Venedig

Manchem Venedig-Besucher noch als Postamt im Gedächtnis, soll im Fondaco dei Tedeschi neben der Rialto-Brücke künftig Mode verkauft werden. Mit dem Umbau wurde Rem Koolhaas beauftragt. Jeder Kritik an der Planung wird mit den „wissenschaftlichen Vorgaben des Marketing“ begegnet – was die Zweifel an dem Projekt nur wachsen lässt.
Moderne Architektur hatte in Venedig schon immer kein leichtes Los. Viele Projekte, unter anderem von Le Corbusier, Frank Lloyd Wright oder Louis Kahn, sind auf dem Papier geblieben, weil sich die Stadt gegen jeden Eingriff zur Wehr setzte. So weit ist es bei der Planung von Rem Koolhaas für den Umbau des Fondaco dei Tedeschi direkt an der Rialtobrücke noch nicht, aber die Gegenstimmen in der Bevölkerung und besonders auch in der deutschen „Kolonie“ in Venedig, die sich aus geschichtlichen Gründen für das Gebäude mitverantwortlich fühlt, verstärken sich.

Der Fondaco dei Tedeschi wurde als Handelshaus für die deutschen Kaufleute gebaut. Dadurch hatte die venezianische Republik bessere Möglichkeiten, den Handel der Nicht-Venezianer zu kontrollieren und zu verhindern, dass sich Handelsbeziehungen entwickelten, die gegen das Interesse Venedigs verstießen. Das auf das 13. Jahrhundert zurückgehende Gebäude wurde im 15. Jahrhundert in Folge eines Brandes nach der Planung des Architekten Frà Giocondo (1433–1515) neu errichtet und gehört zu den wichtigsten Renaissancebauten der Stadt. Ursprünglich war die schlichte Fassade mit Fresken dekoriert, von denen heute jedoch keine Spuren mehr übrig sind. In der Nachkriegszeit und bis zum Kauf durch Benetton im Jahr 2008 war der Bau der Sitz der Hauptpost. Zu diesem Zweck wurden die Innenräume stark verändert und der große schlichte Innenhof überdacht. Er blieb aber in seiner Gestaltung mit den übereinander gelegenen Bogenöffnungen, die nach oben kleiner werden, unverändert.

Destination Shopping-Center?


Als Benetton das Gebäude für 53 Millionen Euro von der Stadt Venedig erwarb, fürchteten viele, dass damit ein weiterer großer Schritt in Richtung der unaufhaltbar scheinenden Verwandlung Venedigs zu einer einzigen Vergnügungs- und Einkaufsstadt gemacht wäre. Eifrig war man darum bemüht, die Venezianer mit Sprüchen der Art zu beruhigen, man wolle das Gebäude behutsam und respektvoll sanieren und den Hof für die Öffentlichkeit zugänglich machen, sodass die Stadt das Gebäude wieder zurückerobern könne. Die ersten Planungen, die auf der Architekturbiennale 2010 vorgestellt wurden, widersprachen diesen Versprechungen gänzlich. Rem Koolhaas schlug vor, den Hof mit gleich mehreren grell-roten Rolltreppen zu durchschneiden und die Hofüberdachung so zu verändern, dass ein Versammlungsraum entstehen könnte. Das Dach sollte in eine Dachterrasse verwandelt werden. Als sogleich Kritik laut wurde, wiegelte man ab, es seien ja nur Vorüberlegungen, erste Ideen, und die Planung keineswegs abgeschlossen.

Das wachsende Interesse an dem Projekt ließ publik werden, dass die Stadt Venedig sich bei der Vereinbarung mit Benetton verpflichtet hatte, das Projekt zügig durch die verschiedenen Genehmigungsinstanzen zu bringen (wo sich banale Genehmigungen für den Umbau einer Wohnung über Jahre hinziehen können). Im Fall einer Genehmigung innerhalb der vereinbarten Frist, würde Benetton einen Extra-Zuschuss von sechs Millionen Euro in die leeren Kassen des Stadthaushaltes zahlen. Was sollte das bedeuten? Reicht es, großzügig zu sein, um schnell eine Baugenehmigung zu bekommen und dann tun zu können, was man will? Das Misstrauen gegenüber dem Bürgermeister und seiner Verwaltung und auch gegenüber dem „Handel“ mit Benetton wuchs immer mehr.

Eine vermittelnde, aber zeitweise auch zwiespältige Haltung wurde von dem sonst so strengen Denkmalschutzamt eingenommen. Gegen die erste vorgestellte Planung wurden keine Gegenstimmen vom Amt erhoben. Erst hieß es, sie habe eine grundsätzliche Freigabe bekommen, dann aber, dass es keinerlei formale Genehmigung gäbe, sondern nur Vorgespräche stattgefunden hätten. Um welchen Stand der Planung es dabei eigentlich geht, ist unbekannt, da sich sowohl die Stadt als auch Benetton geweigert haben, die eingereichten Pläne zu veröffentlichen.

In der (mündlichen) Erläuterung des aktuellen Stands des Projekts durch einen Mitarbeiter des Büros OMA wurde geäußert, es sei nurmehr eine Rolltreppe vorgesehen und diese sei auch nicht mehr rot. Es handele sich um eine reine „Funktionskonstruktion“, auf die nach den „wissenschaftlichen“ Vorgaben des Marketing (so der Koolhaas-Mitarbeiter) nicht verzichtet werden könne. Die Rolltreppe sei außerdem beweglich, man könne sie hochziehen, um den Hof bei besonderen Nutzungen frei zu machen: Ein in technischer wie ästhetischer Hinsicht fragwürdiger Kompromiss. Auch sei die Terrasse keine Terrasse mehr, man wolle das Dach lediglich zum Ausblick auf die Dachlandschaft Venedigs öffnen. Wie diese „Öffnung“ aussehen soll, ist nicht bekannt.

Tatsache ist, dass sich die Planung von OMA über die verbindlichen Vorgaben des Denkmalschutzes für den behutsamen Umgang mit der historischen Bausubstanz hinwegsetzt, wie Mario Piano von der venezianischen Universität erläutert: Volumen und Dach des Gebäude werden stark verändert, die Überdachung des Hofes mit der Schaffung eines neuen nutzbaren Raumes entspricht nicht der ursprünglichen Gestaltung, seine Nutzung mit der Einfügung der Rolltreppe ist mit seiner ursprünglichen Form nicht im Einklang zu bringen.

Bei einer solchen Entwicklung der Planung kommen Zweifel auf, ob sich Benetton für dieses Vorhaben nicht vielleicht besser einen Architekten hätte suchen sollen, der im Umgang mit der historischen Substanz mehr Behutsamkeit walten lässt. Auch hätten sich Benetton und die Stadtverwaltung offener im Dialog mit den Venezianern zeigen sollen – so wäre das Misstrauen gegenüber dem Projekt nicht ständig gewachsen, und man müsste heute dem „konservativen“ Teil der Stadtbevölkerung nicht Recht geben, der sich auch diesmal wünscht, dass der Entwurf – wenigstens in der aktuell bekannten Form – besser auf dem Papier bliebe.
Fakten
Architekten OMA, Rotterdam
aus Bauwelt 19.2012
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