Bauwelt

A Visual Inventory

John Pawson

Text: Drewes, Frank F., Herzebrock-Clarholz

Bild 1 von 20
  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    John Pawson, Jahrgang 1949, Architekturstudium abgebrochen. In den 90er Jahren wird er mit der Gestaltung von Calvin Klein-Shops bekannt. Von seinen zahlreichen Entwürfen für Privathäuser wurden nicht alle gebaut.
    © Orla Connolly

    • Social Media Items Social Media Items
    John Pawson, Jahrgang 1949, Architekturstudium abgebrochen. In den 90er Jahren wird er mit der Gestaltung von Calvin Klein-Shops bekannt. Von seinen zahlreichen Entwürfen für Privathäuser wurden nicht alle gebaut.

    © Orla Connolly

Eventteaser Image
  • Social Media Items Social Media Items

  • Social Media Items Social Media Items


A Visual Inventory

John Pawson

Text: Drewes, Frank F., Herzebrock-Clarholz

Der erste Eindruck von John Pawsons Visual Inventory changiert zwischen Architektur- und Kunstbuch. Die dezente Aufmachung in creme-weißem Schutzumschlag mit einem Treppendetailfoto zeugt von der Reduktion, die auch Pawsons Architektur bestimmt, und das Foto passt gleichermaßen in die Rubriken Architektur wie zeitgenössische Fotografie.
Tatsächlich ist dieses Buch ein bebildertes Reisetagebuch mit Kommentierungen von John Pawson. Schon in den neunziger Jahren hat Pawson mit „Minimum“ ein visuelles Kompendium zum Thema Purismus und Reduktion herausgebracht, was sich dichter an architektonischen Situationen und Design bewegte und mithin zu einer Stilbibel avancierte.
Die erstaunlichste Offenbarung dieses Visual Inventory ist die Tatsache, dass ein Minimalist wie Pawsons ein exzessiver Fotograf sein kann, der seiner Digitalkamera mehr zu trauen scheint, als seinen Augen und seinem Gedächtnis. Eingangs erwähnt er, dass eine Kamera für ihn im Wesentlichen ein Auge mit Gedächtnis ist. Seit dem Erwerb seiner ersten Digitalkamera hat Pawson über 250.000 (sic!) Fotos archiviert. Aus diesem Pool hat er nun 272 ausgewählt, zu 136 Paaren je Doppelseite gefügt und zu jedem einen kleinen Kommentar geschrieben, der seine Intention und Sichtweise erklärt.
Viele Fotos sind von bestechender Qualität, erinnern aber auch daran, dass jeder, der seine Kamera bzw. sein Smart-Phone rege nutzt, fast automatisch zu einer großen Anzahl von außergewöhnlichen Fotos kommt. Wenn dann noch ein kritische und geschulte Blick hinzukommt, wie ihn Pawson besitzt, entstehen Bilderserien von großer Anziehungskraft. Sie sind im Sektor Fotografie der zeitgenössischen Kunst zuhauf zu finden: gestochen fokussiert oder unscharf, Typologien oder Zufälligkeit und Chaos, Realitätsabbildungen oder Manipulationen, banale Situationen oder inszenierte Settings – es gibt alles, und es stellt sich die Frage, welche Position Pawson hier ergänzt oder erweitert.
In Zeiten von Facebook, Twitter und Blogs wird es zunehmend penetranter, dass jeder sein Privatleben und seine Sicht der Dinge mit allen teilen möchte. Und bei aller Distanziertheit und dem strengen Fokus, der Pawson zueigen ist, wirkt diese Ansammlung von Fotos irgendwie exhibitionistisch und kann auch als extrovertiertes Statement seiner Weltgewandtheit gelesen werden. Heute Rio, morgen Stockholm und nächste Woche Angkor Wat, alles nachvollziehbar und im Index potenziert, denn dort befinden sich alle Bilder nochmals in Briefmarkengröße (32 Fotos auf jeder Doppelseite) mit Ortsangabe und Datum (Monat und Jahr). Spätestens seit Koolhaas seine S,M,L,XL-Bibel vorgelegt hat, wissen wir, dass es möglich ist, fast 400 Nächte im Jahr
in Hotels zu verbringen und Flugstrecken zu absolvieren, die einem Flug zum Mond gleichen...
Der Zauber und das Geheimnis, das dem Minimalismus innewohnt, entweiht Pawson mit seinem Visual Inventory gewissermaßen, zumal dieser Band zu wenig fokussiert, um an sein „Minimum“ anzuknüpfen. Letztendlich ist es nur ein wunderschönes Buch, das man eigentlich nur für sich selbst macht, um bei all den Reisen den Überblick zu behalten. Aber natürlich regt es auch an, darüber nachzu­denken, dem eigenen Fotowahnsinn eine Struktur zu geben.
Fakten

Verlag Phaidon, Berlin 2012
Zum Verlag
Zum Buchshop
aus Bauwelt 12.2012
Artikel als pdf

0 Kommentare


loading
x
loading

8.2025

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.