Bauwelt

Angiolo Mazzoni

Architekt der italienischen Moderne

Text: Brinkmann, Ulrich,Berlin

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Angiolo Mazzoni

Architekt der italienischen Moderne

Text: Brinkmann, Ulrich,Berlin

Na also, geht doch, war mein erster Gedanke, als das Buch „Angiolo Mazzoni. Architekt der italienischen Moderne“ von Katrin Albrecht in der Redaktion eintraf: Denn was die inhaltlich so überzeugende Piacentini-Monografie von Chris­tine Beese, vor einem Jahr ebenfalls im Reimer Verlag erschienen (Bauwelt 14.2016), noch vermissen ließ – aktuelle, gute Fotografien der im Buch behandelten Gebäude und historisches Material von wenigstens lesbarer Größe –, springt hier dem Betrachter sogleich ins Auge: ganzseitige Farbtafeln, die Mazzonis Bauten im Ganzen wie im Detail ins Bild setzen und so zur Lektüre des voluminösen Bandes verlocken. Das ist umso erfreulicher, als seine Architektur in ihrer sorgfältigen Materialisierung, Detaillierung und Formbildung zu ei­-ner derartig opulenten Darstellung einlädt. Doch halt – Angiolo Mazzoni, wer war das eigentlich?
Der Name des 1894 in Bologna Geborenen, im Kindesalter aber schon nach Rom Verzogenen dürfte hierzulande weitgehend unbekannt sein, dabei begegnet man seinen Werken in Italien fast unausweichlich. Denn als Architekt im Kommunikationsministerium war Mazzoni in den 1920er und ‘30er Jahren für wichtige öffentliche Gebäude verantwortlich: für die Postämter in den neugegründeten Städten Latina und Sabaudia etwa oder, in Teilen zumindest, für die neu-­en Bahnhöfe in Florenz, Venedig und Rom, um nur ein paar besonders prominente Beispiele zu nennen. Katrin Albrecht, Architektin in Zürich, hat Mazzonis Schaffen bis zu seiner Emigration nach Kolumbien Ende der ‘40er Jahre zum Gegenstand ihrer Dissertation erhoben, womit eine weitere Lücke in der deutschsprachigen Architekturgeschichtsschreibung der Moderne geschlossen ist. Und zwar eine durchaus besondere.
Die Autorin kontextualisiert Mazzonis Schaffen, indem sie dem architekturtheoretischen und denkmalpflegerischen Diskurs im Italien der vorletzten Jahrhundertwende, sei es nun die Beschäftigung mit der „Architettura minore“, sei es die Rezeption ausländischer Stadtbautheorien in der römischen Associazione Artistica, ebenso nachgeht wie Ausbildungsfragen und solchen der Architekturpraxis jener Jahre; ein umfang­reicher Anhang umfasst Anmerkungen, Werk-, Abbildungs- und Literaturverzeichnis. So weit, so komplett.
Gewinnbringend ist diese Studie zunächst aufgrund des weiten Horizonts, den Albrecht aufzieht, um Mazzonis frühe beruflichen Prägungen zu fassen. Ausführlich zeichnet sie den Einfluss seines Lehrers Gustavo Giovannoni nach, vor allem, wie dessen städtebauliches Denken, Stichwort „Ambientismo“, das Stadt- und Architekturverständnis Mazzonis geformt hat: Das Einzel­gebäude nicht isoliert zu betrachten, sondern mit Blick auf seine Rolle in einem erweiterten räum­lichen, (kunst-) historischen und ideellen Kontext, zieht sich wie ein roter Faden durch seine Projekte; es ist eine Haltung, die auf den Weiterbau des Vorhandenen, nicht auf den Bruch damit zielt.
Was das Buch aber besonders empfehlenswert macht, ist der Einblick, den es in die Organisation der Bau-Arbeit des Ministeriums gewährt und mit dem es aufzeigt, wie ein Architekt im Gefüge eines solchen Verwaltungsapparats in den 20er und 30er Jahren entwerfen und planen konnte; wie er Ideen der Avantgarde (Mazzoni war kurzzeitig Mitglied der Futuristischen Bewegung) in einer solchen Behörde und unter dem Einfluss unberechenbarer, an Kunstfragen nicht immer interessierter Politiker verfolgen und zu­mindest gelegentlich auch durchsetzen konnte.

Ziel all dieser Untersuchungen ist letztlich die Analyse von ausgewählten Bauten Mazzonis, nicht zuletzt, um ihrer in der italienischen Geschichtsschreibung nicht immer günstigen Beurteilung eine fundiertere Einschätzung entgegenzusetzen. Hier gelingt es Albrecht, überraschende typologische Herleitungen oder zumindest Analogien zu finden, wobei es für sie unerheblich ist, ob diese tatsächlich vom Architekten intendiert waren – „vielmehr liegt der Wert darin, dass sein Werk die Konstruktion solcher Bezüge überhaupt erst zulässt“. Eine Architekturbefragung, die eigene Nachbetrachtungen anregt: Auf nach Ostia, beim nächsten Rom-Besuch!
Fakten
Autor / Herausgeber Katrin Albrecht
Verlag Reimer Verlag, Berlin 2017
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aus Bauwelt 7.2017
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