Chinati. Marfa, Texas
Der Kosmos Judd
Text: Drewes, Frank F., Herzebrock-Clarholz
Chinati. Marfa, Texas
Der Kosmos Judd
Text: Drewes, Frank F., Herzebrock-Clarholz
Künstler- und Sammlermuseen sind eine sich immer weiter ausbreitende Spezies. Auf der einen Seite sind es Städte, die ihre zu Ruhm gelangten Künstler ehren wollen und als touristische Attraktion instrumentalisieren, auf der anderen Seite sind es Sammler, die ihr Ego polieren bzw. die Kontrolle über ihre Sammlung und die Kuratoren behalten wollen.
Vor allem die Sammlermuseen bieten die Chance, eine starke (persönliche) Position zu beziehen, da sie oft weder von der öffentlichen Hand noch von Gremien und egalisierendem Konsens bestimmt werden. Diese Gründe waren es auch, die Donald Judd dazu trieben, 1973 zwei alte Flugzeughangars in Marfa zu erwerben, um dort zu leben und seine Kunst zu behausen.
Einerseits war Judd desillusioniert von der New Yorker Kunstszene, andererseits suchte er nach einem Ort, den er ganz nach seinen eigenen Vorstellungen erdenken konnte. Sowohl die Produktion und dauerhafte Präsentation seiner eigenen Arbeiten als auch die von befreundeten Künstlern waren das erklärte Ziel. Abgelegener und isolierter als Marfa im südlichen Texas ist kaum ein Kunstort dieser Welt, was aber eine beachtliche Anzahl von Besuchern nicht davon abhält, die lange Reise auf sich zu nehmen. Marianne Stockebrand präsentiert nun, quasi erstmals in einer umfassenden und gewichtigen Monografie, den Kosmos Judd, wie er sich in der von ihm selbst ins Leben gerufenen Chianti Foundation darstellt. Für Judd hatte die Präsentation der Kunst die gleiche Bedeutung wie die Kunst selbst und war im Idealfall dauerhaft angelegt. Dieser idealtypische Rahmen einer weitläufigen Ausstellung bezieht seine Stärke aus dem Dialog von Kunst, Natur und Architektur.
In einem ausführlichen Essay beschreibt Marianne Stockebrand Judds Reise von Manhattan, dem Epizentrum zeitgenössischer Kunst, nach Texas, wo er seine Vorstellungen von Kunst und Architektur verwirklichen konnte. Seit Anfang der siebziger Jahre widmete er sich dort dem Auf- und Ausbau der Chinati Foundation. Judd verstand sich als Künstler, aber mit den Jahren zunehmend auch als Architekt. Konversion und Erhalt waren hier seine Themen und entsprachen seiner minimalistischen Grundhaltung, ging es ihm doch primär um Zurückhaltung und Respekt. Besonders die einfachen Nutz- und Zweckbauten zogen Judd in ihren Bann, da sie kraftvoll mit seinen Skulpturen in Dialog treten. Mit dem Erwerb von Artillerie-Hallen, Hangars und weiteren Bauten im Zentrum Marfas entwickelte Judd eine weitläufige Anlage aus fast 30 Gebäuden, die den Ort zu einem wahrhaften Kunst-Mekka machte.
Alle Projekt werden ausführlich in Bezug auf die Entstehung, den Umbau und die Integration der Kunst beschrieben, sind mit einem Lageplan versehen und reichhaltig bebildert. Der chronologische Aufbau des Buches ermöglicht eine gute Vorstellung von Marfa, was insofern bedeutsam ist, als dass Marfa der vielleicht bekannteste Kunstort ist, der primär durch Fotos rezipiert wird. Somit kommt
den Fotografien, die durchgängig großformatig und oft sogar doppelseitig abgebildet werden, besondere Bedeutung zu. Neben den Arbeiten von Judd selbst zeigen komplette Gebäude und große Areale die Werke von Andre, Arnasson, Chamberlain, Flavin, Horn, Kabakov, Long, Oldenburg und van Bruggen, Rabinowitch sowie Wesley.
den Fotografien, die durchgängig großformatig und oft sogar doppelseitig abgebildet werden, besondere Bedeutung zu. Neben den Arbeiten von Judd selbst zeigen komplette Gebäude und große Areale die Werke von Andre, Arnasson, Chamberlain, Flavin, Horn, Kabakov, Long, Oldenburg und van Bruggen, Rabinowitch sowie Wesley.
Chinati ist von einem Künstler für Künstler geschaffen worden, und da Judd mit den hier gezeigten Künstlern enge Kontakte und Freundschaften pflegte, konnte ein sehr persönlicher und homogen wirkender Ort entstehen, der den hohen Anforderungen Judds an Präzision und ethische Werte gerecht wird. Donald Judd schrieb als versierter Kenner regelmäßig Kritiken für Kunstmagazine, er war ein passionierter Sammler und ein Architekt aus Leidenschaft. Am Ende des Buches finden sich neben dem illustrierten Gesamtverzeichnis der Sammlung auch einige Texte Judds, die von gleicher Klarheit und Präzision wie seine Kunst sind.
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