Costa Smeralda
Text: Ulrich, Brinkmann, Berlin
Costa Smeralda
Text: Ulrich, Brinkmann, Berlin
Ferienarchitektur wird selten in der seriösen Stadt- und Baugeschichtsschreibung betrachtet; als zu trivial, zu kitschig, zu leicht konsumierbar gilt gemeinhin diese Spielart der Spät- und Postmoderne. Nele Dechmann hat sich in ihrer Dissertation an der ETH Zürich an die Costa Smeralda gewagt, und das daraus hervorgegangene Buch ist nun bei Park Books erschienen. Die ab Anfang der 60er Jahre von einem privaten Konsortium unter Führung von Karim Aga Kahn zum Resort des internationalen Jetset entwickelte Küste im Nordosten Sardiniens lag bis dahin brach; nicht mal die vielen Schafe und Ziegen der Insel fanden hier etwas, das den Weg dorthin zu lohnen schien, die einheimischen Grundbesitzer schon gar nicht. Das sollte sich bald ändern: Die von mehreren Architekten unter Aufsicht eines
eigenen Komitees entwickelte Formenwelt des Ferienorts wurde mindestens für den Mittelmeerraum zum Exportschlager, sogar bis nach Südafrika ist sie zu verfolgen.
eigenen Komitees entwickelte Formenwelt des Ferienorts wurde mindestens für den Mittelmeerraum zum Exportschlager, sogar bis nach Südafrika ist sie zu verfolgen.
Diese Spurensuche der charakteristischen Elemente des „Stilo Costa Smeralda“ – verwitterte Granitfelsen als Wegzeichen, knorrige Äste als Geländerstäbe, wellenförmige Mauerabschlüsse, auf dem Kopf stehende Bogenöffnungen – steht am Ende von Dechmanns Forschung (und dürfte eine der beschwingtesten Zeiten ihrer Dissertation gewesen sein, die Fotos zeugen davon). Zuvor hat die Autorin das überbordende Archiv des in die Realisierung einbezogenen Architekten Enzo Satta gesichtet und ausgewertet; zahllose Fotos und Zeichnungen gewähren auf den rund 300Seiten einen tiefen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Ferienorts. Als „Vision einer Lebenswelt“ beschreibt sie die Entdeckung der Küste, die Idee zu ihrer touristischen Verwertung und die Entstehung der Planungsleitbilder; wie die hauptverantwortlichen Architekten (allen voran der in Norditalien Villen bauende Luigi Vietti, der in Südfrankreich mit Ferienanlagen berühmt gewordene Jacques Couelle und der bei Rom Villen bauende Michele Busiri Vici) Anknüpfungspunkte in der lokalen vernakulären Architektur für ihre Bauten gesucht und zu jenem berüchtigten „Stil Costa Smeralda“ amalgamiert haben, dervor fünfzig Jahren in manchen Aspekten durch-aus mit dem italienischen Neorealismo der frühen Nachkriegszeit in Verbindung gesetzt werden konnte und der heute inselweit anzutreffen ist, auch an privaten Bauvorhaben, die mit dem exklusiven Resort nicht das geringste zu tun haben.
Ob das Ergebnis als „seriöse Architektur“ tatsächlich bislang vollkommen zu Unrecht keine Rolle spielte in der Architekturgeschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts, war mir nach dieser sommerlich-leichten Lektüre, die von den vielen zeitgenössischen Bildern anspechend nostalgisch inszeniert wird, zwar nicht unbedingt klarer – ein willkommener Blick auf eine konzeptionell streng durchkalkulierte Konsumwelt der Postmoderne aber ist das Buch, und leicht genug für den nächsten Strandurlaub ist es auch, von daher: eine glatte Empfehlung.
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