Bauwelt

Deutschland, Deutschland ...

Fotografien aus zwei Ländern

Text: Hirnstein, Kendra, Berlin

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Deutschland, Deutschland ...

Fotografien aus zwei Ländern

Text: Hirnstein, Kendra, Berlin

„Deutschland, Deutschland ...“ ist ein Katalog zu einer Fotoausstellung, die Fotografien aus dem Ruhrgebiet der 60er und 70er Jahre von Rudolf Holtappel zeigt, denen in der zweiten Hälfte Aufnahmen aus der DDR der 70er, 80er und 90er Jahre von Thomas Kläber gegenübergestellt werden.
„Zwei Länder, zwei Fotografen, zwei Sichtweisen“ verkündet das Vorwort. Und tatsächlich – zwei Fotografen halten Distanz, ohne sich vom Gezeigten abzugrenzen.
Der Textanteil ist insgesamt sehr übersichtlich, die Fotografien sollen, wie sich das für einen Fotoband gehört, für sich sprechen. Zwei Kurzbiografien der Fotografen werden dem Leser an die Hand gegeben, in denen sich ein paar zusätzliche O-Töne der Künstler zu ihrer Arbeits- und Sichtweise gut gemacht hätten. Daneben bemühen sich zwei Textbeiträge, von Rolf Lindner, Soziologe und Stadtethnograf, sowie von Maria Schulte, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Situation Kunst in Bochum, um einen selektiven, jedoch fundierten interpretatorischen Rahmen.
Lösen die Bilder den Anspruch, für sich zu sprechen, ein? Ja. Ruhrgebietsteil des Bandes finden sich auf den ersten Blick die üblichen Verdächtigen: Qualmende Industrieschlote, rauchumwölkte Fördertürme, triste Hinterhöfe. Doch gelingt es Rudolf Holt­appel, der selbst im Ruhrgebiet aufgewachsen ist, Momentaufnahmen des Lebens in dieser Region einzufangen, indem er die Menschen vor häufig mon­ströser Industriekulisse genau beobachtet, ohne
sie bloßzustellen, sie liebevoll betrachtet, ohne ins Kitschige abzudriften. Als exemplarisches Beispiel soll hier die Aufnahme mit dem schönen Titel „Hochöfen der Hoag, im Hintergrund Sinteranlage, alle 15 Minuten diesen Qualm ausstoßend, 1960“ dienen. Ein Paar, vor qualmverhüllter Schwerindustrie sich winzig ausnehmend, vermutlich auf dem Sonntagsspaziergang. Sie im gemusterten Rock, obenrum Helles, mit Sonnenbrille, die es nicht gebraucht hätte, er im Anzug, mit Hut, aufrecht, stolz, sich trotz durch sämtliche Poren eindringender Schwärze nicht vom rechten Wege abbringen lassend. Das ist authentisch und entbehrt – bei äußerster Präzision – nicht eines gewissen Humors. Die Aufnahmen sind ins­gesamt von einer angenehmen Unaufgeregtheit, sie zeigen das Ruhrgebiet so, wie es damals war, mit seinen Menschen, die ihr Revier liebten und über die von anderswo, die Hässlichkeit und Schmutz beklagten, ungläubig den Kopf schüttelten.
Unaufgeregt präsentieren sich auch die Protagonisten in den ländlichen Szenen von Thomas Kläber, der neben Berlin und Frankfurt-Oder in erster Linie in seinem Herkunftsort Beyern in Südbrandenburg seine Motive fand und dabei teils Landschaftsaufnahmen, teils sozialdokumentatorische Szenen wählte. Frauen auf dem Feld bei der Kartoffelnachlese oder Nachbarn beim Decken eines Daches zeigen die gelebte Einfachheit und Solidarität untereinander und geben dem Betrachter das Gefühl, unversehens Teil der Intimität zwischen Fotograf und Fotografierten zu werden, was die Lebendigkeit dieser Bilder ausmacht. Auch Thomas Kläber fehlt es nicht an subtilem Witz und Ironie. Beispielsweise in der Aufnahme einer mit Stacheldraht versehenen Mauer mit dem Schild „Das Programm der Partei ist das Programm des Volkes“, die leise, aber unmissverständlich deren tatsächliche Dichotomie transportiert. 
Fakten
Autor / Herausgeber Rolf Holtappelt, Thomas Kläber
Verlag Kerber Verlag, Bielefeld 2010
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aus Bauwelt 37.2011
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